35 Jahre Frauen Musik Büro Frankfurt

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Foto Katharina Dubno

Seit 35 Jahren bringt das Frauen Musik Büro Frankfurt Musikerinnen* an den Start und sorgt für Sichtbarkeit – und vor allem Hörbarkeit. Anlässlich des Jubiläums konnte zwar kein Jubiläums-Partykonzert steigen, aber es gab eine interessante online-Podiumsdiskussion unter dem Titel „Von lila Latzhose bis Keychange – 35 Jahre Female Music Networking“. Im Interview kommentieren Hilde, Maria , Marie und Mane vom Frauen Musik Büro die Entwicklung der Situation von Musikerinnen*.


Erklärt kurz die verschiedenen Institutionen Frauen Musik Büro Frankfurt, MELODIVA und Frauen machen Musik e.V. und was sie machen und anbieten.

Foto: Frauen machen Musik e.V.

Hilde: Ja, das ist vielleicht alles etwas verwirrend, aber ganz einfach. „Frauen machen Musik e.V." ist unser offizieller Vereinsname. Der Verein wurde 1984 in Lüneburg von acht Musikerinnen gegründet, um die Situation von Musikerinnen* zu verbessern und deren Präsenz zu stärken. 1990 übernahmen neue Frauen den Verein, darunter die Perkussionistin Anne Breick, die mit dem Verein nach Frankfurt am Main umzog. Das Büro in Frankfurt erhielt dann den Namen "Frauen Musik Büro" und befand sich in Bornheim in der Heidestraße; seit 1997 sind wir in der Roßdorfer Straße ansässig.

Von Anfang an gab der Verein eine Mitgliederzeitschrift, den „Rundbrief Frauen machen Musik" heraus. 1996 erhielt die Zeitschrift mit 4 Ausgaben pro Jahr einen neuen Namen und ein neues Layout: „MELODIVA". Um Kosten zu sparen wurde im Jahr 2000 die Printausgabe eingestellt und das Musikjournal „MELODIVA – female music networking" nur noch als Website herausgegeben: www.melodiva.de.

Eine wichtige Aussage im Rahmen eurer Podiumsdiskussion lautet: „Es ging (damals) gar nicht unbedingt darum, nicht mit Männern spielen zu wollen“; was war die eigentliche Motivation, „Frauenbands“ zu gründen?

Maria: Eigentlich ging es einfach darum, Musik zu machen. Aber als Frau* in einer Männerband geht es oftmals heute noch (und damals sicher noch stärker) zuerst darum, sich einen Platz unter den Jungs zu erkämpfen, zu beweisen, dass wir ernstzunehmende Musikerinnen* sind und nicht bloß was Hübsches fürs Plakat. In unseren rein weiblich besetzten Workshops merken wir immer noch, was für eine entspannte und wertschätzende Atmosphäre dort häufig herrscht.

Marie: Das Gespräch drehte sich viel um Selbstverständlichkeit. Das ist ein Paradox: Weil es eben nicht selbstverständlich war und ist, als Frau* Musik zu machen, gründen sich Bands mit nur weiblichen* Mitgliedern, denen Ausschluss- und Stigmatisierungserfahrungen gemeinsam sind und die nur hier, sozusagen unter sich diese Selbstverständlichkeit leben können.

Foto: Frauen machen Musik e.V.

Eines der größten Probleme weiblicher Musikschaffender scheint zu sein, dass man sie nicht ernst nimmt. Hat sich das seit euren Anfangszeiten in den 80ern geändert?

Mane: Die Frage ist hier ja, was muss ich tun, um „ernst“ genommen zu werden? Und wer bestimmt das? Das wurde und wird nach wie vor fast immer an Maßstäben gemessen, die von Männern festgelegt werden. Was macht eine*n gute*n oder interessante*n Musiker*in überhaupt aus? Welche Messlatte leg ich an: geht es um ein vermarktbares Produkt, darum, ein Handwerk möglichst perfekt zu beherrschen oder um Gefühl und Inspiration, Bandzusammenspiel und immer wieder die Möglichkeit, sich neu zu erfinden? Vielleicht orientiert sich diese unsichtbare Messlatte auch immer noch viel zu sehr am „schneller-lauter“-Wettbewerb und der Art, wie man ein Instrument zu spielen hat.

Klar, es hat sich vieles verändert. Inzwischen kann frau – im Gegensatz zu den 80ern – Jazz und Popularmusik studieren, was vielen Frauen* erst den Zugang zur Popularmusik und eine Profikarriere ermöglicht hat, weil sie sich weniger in informellen Bandzusammenhängen bewegen als die Männer. Als Instrumentalistinnen* sind sie aber meist die einzigen weiblichen* Studierenden in Settings, die von männlichen Dozenten und Studienkollegen dominiert werden. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich so wenige junge Instrumentalistinnen* für ein Studium der Jazz- und Popularmusik bewerben. Irgendwie scheinen Angebot und Nachfrage nicht zusammenzupassen.

Auch auf dem Musikmarkt hat sich viel getan: Musiker*innen haben heute viel mehr Möglichkeiten, sich auch ohne Major Label zu etablieren, als Künstler*in zu entwickeln und selbst zu vermarkten, CDs zu produzieren und eine Fangemeinde zu erspielen. Die Musikszene ist mit vielen kleinen Labels und Nischen diverser geworden, es gibt die Möglichkeit des Crowdfundings, um die eigenen Alben zu finanzieren, es gibt mehr weibliche und diverse Vorbilder, viel mehr Förderprogramme, Stipendien u.v.m. Das betrifft vor allem den Jazz, aber auch den Pop-, Indie-, Folk-, Electro- oder Singer-/Songwriterbereich. Eine E-Gitarristin im Metalbereich wird aber auch heute noch als etwas Besonderes angesehen und äußerst kritisch beäugt. Aus unseren zahlreichen Umfragen in unserem Musikerinnen*-Netzwerk und Interviews mit Popularmusikstudentinnen* wissen wir, dass viele Instrumentalistinnen* im Lauf ihrer Karriere häufig die Erfahrung gemacht haben, immer 150% zu geben und in hohem Maße beweisen zu müssen, dass sie es drauf haben und den Männern ebenbürtig sind. Wenn sie dann erst mal ein gewisses Niveau erreicht und sich ein Standing als Jazzmusikerin erarbeitet haben, interessiert es nicht mehr so sehr, ob sie eine Frau* oder ein Mann sind. Aber da muss frau erst mal hinkommen! Und es gibt leider nach wie vor Festivalveranstalter, die gar nicht auf die Idee kommen, über ihren Tellerrand zu schauen und mal eine all female Band zu buchen.

Kann der „Exotinnen-Status“, den Frauenbands oftmals aufgedrückt bekommen, auch positive Effekte haben?

Maria: Ich glaube das ist ein Trugschluss. Solange das Label „Frauenband“ den Exotinnen*-Status hat – also eine Ausnahme markiert – hören Musikerinnen* solche Dinge wie: „Ja, ihr seid gut, aber wir haben schon eine Frauenband im Programm“. Frauen* sollen aber keine Ausnahme sein. Die Initiative Keychange, die auf unserem Jubiläums-Podium vertreten war, finde ich darum sehr wichtig: sie arbeitet gezielt daran, Frauen* auf Festivalbühnen zur Normalität werden zu lassen. Das ist genau wie in den Aufsichtsräten: Solange nur eine oder zwei Frauen* unter lauter Männern in den betreffenden Positionen sitzen, ändert sich nichts an der Entscheidungsstruktur und an der Kommunikationskultur. Darum brauchen wir Frauen* nicht nur auf den Bühnen, sondern natürlich auch in der Programmplanung und in Festivalleitungen.

In welchen Bereichen brauchen Musikerinnen weiterhin besondere Unterstützung?

Mane: Eigentlich brauchen wir gar keine „besondere Unterstützung“, das klingt mir zu sehr nach Nachhilfe, als bräuchten wir eine Sonderbehandlung, um genau so gute Musiker zu werden wie die Männer. Vielmehr geht es doch darum, Platz zu machen für die Frauen*, ihnen den Raum zuzugestehen, auf den sie – z.B. bei öffentlich geförderten Veranstaltungen – ein Recht haben. Das bedeutet auch zuzulassen, dass die Settings, in denen Musik gelernt und performt wird, umgestaltet werden können, so dass sie für alle passen. Ich hoffe, dass wir irgendwann die „safe spaces“ für Mädchen* und Frauen* (Workshops, Festivals, Quoten usw.) gar nicht mehr brauchen, weil ALLES zum safe space geworden ist, in dem sich alle wohlfühlen! Je diverser, bunter, vielfältiger und inklusiver die Musikszene wird, desto mehr Identifikationsfiguren und Wahlmöglichkeiten gibt es für alle.

Das ist allerdings kein Selbstläufer, gerade im Nachwuchsbereich sehen wir nach wie vor großen Handlungsbedarf. Je früher Kinder beim Musikmachen gefördert werden und sich und viele Instrumente und Arten des Musizierens (und nicht nur das Spiel nach Noten) ausprobieren dürfen, desto besser – auch, weil sie noch nicht so viele „Scheren“ im Kopf haben wie viele ältere Teenies. Die heutige Bildgewalt durch Instagram & Co. und der Zwang, einem bestimmten Schönheitsideal entsprechen und einen bestimmten Lebensstil leben zu müssen, macht es Jugendlichen sicherlich nicht leichter, ihren eigenen Weg zu suchen und zu finden. Und wenn wir uns die Role Models für Mädchen* in der Mainstream-Popmusik und im HipHop anschauen, dann graust es mir ganz schön - „sex sells“ nach wie vor.

Die jüngere Generation geht heute mit der Gender-Diskussion viel selbstverständlicher um; kann man daraus folgern, dass diese Generation in Zukunft auch ein gleichberechtigtes Verhältnis zwischen den Geschlechtern lebt? Besteht also Zuversicht, dass sich das eingefahrene System doch ändert?

Foto: Frauen machen Musik e.V.

Maria: Das ist so eine Sache mit der Zuversicht! Wenn man sich Zeitschriften, Filme und Fernsehshows aus vergangenen Jahrzehnten ansieht, merkt man schon, dass wir weiter sind – so offen und unwidersprochen sexistisch sind wir heute in der breiten Kultur nicht mehr. Wenn man sich dann aber den Problemen von heute zuwendet, könnte man schon wieder verzweifeln: Das haben wir und unsere Mütter doch schon vor dreißig Jahren gefordert, warum sind wir da noch nicht weiter? Dazu kommen neue Aufgaben, wie Shitstorms und Hasskommentare im Internet, mit denen wir gerade erst lernen, umzugehen. Positiv stimmt mich, dass Feminismus seit einigen Jahren wieder ein großes Thema ist, nachdem sich eine gewisse Verdrossenheit in der Öffentlichkeit durchgesetzt hatte. (Lange Zeit galt das als altmodisch und erledigt.) Also bin ich gespannt, was wir in den nächsten Jahren wieder bewegen.

Mane: Ich sehe da auch viele Mut machende Entwicklungen, viel „Awareness“ für Diskriminierung und strukturelle Benachteiligung, viel Gestaltungswillen und ein enormes Veränderungs-Potenzial in der jungen Generation, das hoffentlich von den Subkulturen auch in die Mitte der Gesellschaft (und in den Mainstream) schwappt. Denn lange Zeit gab es, wie Maria schon sagte, diesen gewissen gesellschaftlichen Konsens, dass wir alle gleichberechtigt seien und die Benachteiligung Geschichte sei. Dabei sind die Strukturen, die über unsere Entwicklungsmöglichkeiten entscheiden (Schule, Ausbildung, Studium, Karriere, Carearbeit, Bezahlung usw.), immer noch die alten, und ihre Spielregeln werden von einer bestimmten dominanten Gesellschaftsgruppe festgelegt, sodass uns allen am Ende plötzlich doch nicht mehr alle Türen offenstehen. Daran müssen wir weiterarbeiten und gemeinsam weiter nach Ursachen und Lösungen suchen.

Corona hat auch eure Arbeit ausgebremst – wie sieht die aktuelle Situation bei euch aus? Was könnt ihr trotz Pandemieauflagen anbieten?

Maria: Wir sind gerade in der Jahresplanung, die in diesem Jahr natürlich schwieriger ist als sonst. Allerdings haben viele Veranstalter*innen inzwischen sehr flexible Konzepte entwickelt. Wenn nicht gerade ein harter Lockdown ist, so wie im Moment, sind wir zuversichtlich, dass wir einige Konzerte und Workshops durchführen können. Außerdem arbeiten wir zunehmend an digitalen Formaten, unsere Jubiläumsparty haben wir z.B. in eine Podiumsdiskussion mit Livestream umgewandelt und aus unserem Konzertabend für Newcomerinnen* „Miezenabend“ wurde eine Digitalausgabe mit Musikvideos. Auch wir betreten Neuland.

Mane: Außerdem bieten wir den Musikerinnen* aus unserem Netzwerk auf der MELODIVA-Website weitere Möglichkeiten der Öffentlichkeit und Vernetzung an. Um sie während des Lockdowns zu unterstützen, haben wir die Reihe #artistathome ins Leben gerufen und berichten dort seit März 2020 über ihre Projekte, Videos, Alben, Singles und andere Aktionen.

Foto Katharina Dubno

Für März habt ihr ein Konzert mit der Band Elda angekündigt; stell’ die Band kurz vor. Falls das Konzert live nicht stattfinden kann, wird es zumindest einen Stream geben?

Maria: ELDA ist eine junge Band, die von Alessa Stupka und Leila Antary gegründet wurde, die seit ihrer Schulzeit zusammen Musik machen. Das gefällt uns besonders, weil es für Mädchen* immer noch weniger üblich ist als für Jungen diesen Weg zu gehen – von der als Jugendliche selbstgegründeten Band in die Profikarriere. Seit 2018 sind Annelie Schwarz an den Drums und Daniel Hertel an der Gitarre dabei. Die Band geht ihren ganz eigenen Weg und hält sich nicht an etwaige Klischees, die im Musikbusiness auf Musikerinnen* warten. Die vier versuchen gar nicht erst mit einer glitzernden Show zu beeindrucken oder die Ecken abzurunden, die das Songwriting der Band so besonders machen. So schaffen sie Platz für intuitiven und abwechslungsreichen Indie Pop. Ein Stream ist zurzeit nicht geplant.

9.3., Melodiva Club Concert: Elda, Fabrik, Mittlerer Hasenpfad 5 (Innenhof), Frankfurt, 20 Uhr, mehr Infos über www.frauenmusikbuero.de und www.melodiva.de

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