„Das Leben geht ja weiter“

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Im April feiert ein Urgestein der Frankfurter Szene seinen 80. Geburtstag: Eike Wehler, bekannt als FLC-Mitglied, Biker und jahrelanger Barkeeper im Stall. Anlässlich seines anstehenden Geburtstags haben wir ihn zum Interview getroffen!


Eike, erzähl ein bisschen über deine Jugendjahre.

Ich bin am 21. April 1940 in Gotha in Thüringen geboren und 1955 mit meiner Mutter und meinem Bruder nach Darmstadt gezogen. Mein Vater ist erst sehr spät aus der französischen Kriegsgefangenschaft entlassen worden und hat anschließend in Gotha keine Arbeit mehr gefunden.

Ich habe dann eine Ausbildung als Elektromechaniker gemacht. Mit 19 ist mein Interesse am Nachtleben erwacht. Ich hatte erfahren, dass es in Frankfurt ein Lokal gibt wo sich „die Arschficker“ treffen. So wurde das damals wirklich genannt. Das war das Turm-Casino am Eschenheimer Turm. Da habe ich mir dann angeschaut, wie die Leute an der Tür geklingelt haben, dann ging ein Fensterchen in der Tür auf und man wurde eingelassen. Ich bin mehrmals nach Frankfurt gefahren, habe mich aber erst beim vierten Versuch getraut. Dort habe einen jungen Mann kennengelernt, der mich gleich mit nach Hause genommen hat. Er hat „unsittliche Handlungen“ von mir verlangt (lacht). Das wollte ich aber nicht. Es war die Hölle, ich bin schließlich durch’s Fenster aus seiner Wohnung geflüchtet ...

In Darmstadt gab es den Herrengarten, eine furchtbare Klappe war das. Ich fand das widerlich weil es so gestunken hat. Dort habe ich einen kennengelernt. Er war zehn Jahre älter als ich, und wir waren sieben Jahre zusammen. Das war am Ende aber nicht gut, weil er mich total kontrollieren wollte, mich von allen abgekapselt hat und drohte, alles meinen Eltern zu erzählen. Vor ihm bin ich dann am Schluss regelrecht nach Frankfurt geflüchtet. Keine schöne Geschichte.

Mein nächster Freund war Hans, ein Schweizer. Mit ihm bin ich in ein kleines Fertighäuschen in der Nähe von Bad Vilbel gezogen. Er hat später auch im Stall als Türsteher gearbeitet, hatte aber immer Probleme mit dem Alkohol. Als er mich nach Jahren verlassen hat, war ich ehrlich gesagt ein bisschen froh. Der Alkohol war ein großes Problem.

Dann habe ich Gerd kennengelernt, das war 1975. Das wäre mein Mann bis heute geblieben. Wir waren 14 Jahre zusammen, am Ende war er wie viele sehr krank und wurde von Krankenhaus zu Krankenhaus geschoben. Seine Eltern haben ihn dann bis zu seinem Tod 1989 gepflegt. Sie haben mir telefonisch mitgeteilt, dass ich „jetzt nicht mehr kommen brauche“. Auch für die Beerdigung hieß es, „dass da bloß keine solchen von euch aus Frankfurt mitkommen“. Ich bin mit meiner Mutter gekommen, ansonsten waren da nur die heuchlerischen Leute vom Kaff. Unsere Leute waren ausgeschlossen.

Das sind alles schlimme Erlebnisse, aber trotzdem erlebt man dich immer fröhlich, aufgeschlossen und lustig ...

Ja, du kannst dich ja mit solchen Schicksalsschlägen nicht hängen lassen! Das Leben geht ja weiter. Und ich hatte immer meine Arbeit im Stall, die mir viel Spaß gemacht hat.

Wann hast du angefangen im Stall zu arbeiten?

Gleich 1977 als der Stall eröffnete. Ich war von Anfang an dabei, zuerst als Aushilfe, später auch als Teil der ersten GmbH. Wie gesagt, das hat mir immer viel Spaß gemacht, obwohl ich ja laut vielen Gästen schon ein böser Unhold war. Aber ich wollte den Stall nach unseren Regeln eben auch gut führen. Ich habe auch dort weitergearbeitet nachdem ich 2005 in Rente gegangen bin. Nach 30 Jahren bin ich 2012 entlassen worden, durch den neuen Besitzer. Aber damals mussten ja alle gehen.

Und heute?

Seitdem lebe ich so in den Tag hinein (lacht). Ich bin Reisender geworden. Wobei wir früher auch schon immer viel gereist sind. 1975 war ich das erste Mal in New York, und das gleich vier Wochen lang. Wir hatten in Frankfurt zwei New Yorker kennen gelernt, die uns eingeladen haben. Die haben auf der 6th Avenue gewohnt, ganz schick, mit Blick auf den Central Park. Wir haben auch die ersten Prides in San Francisco miterlebt. Man könnte Bücher füllen mit alldem was ich erlebt habe! Heute sind meine Lieblingsurlaubsländer Ungarn, Tschechien, Spanien, Portugal und neuerdings Sizilien.

Und als Mitglied des FLC komme ich viel herum, zu den CSDs und den anderen Veranstaltungen. Das ist ja auch der Sinn der Sache, dass man sich in der Community zeigt. Und es macht mir ja immer auch Spaß.

Ich sage immer: Wer rastet, der rostet. Wenn ich in Bornheim spazieren gehe, grüßen mich alle, und wenn ich sage, dass ich bald 80 werden, wundern sich immer alle (lacht). Aber das Reisen gibt mir echt Auftrieb, im Meer schwimmen, oder in den Kneipen sein und die vielen verschiedenen Lebensarten und vor allen die Leute kennenlernen, das gefällt mir. Ich habe da auch keine Berührungsängste, es waren eigentlich immer alle freundlich. Und ich bin auch immer freundlich. Das einzige, was ich bereue ist, dass ich keine Kinder habe. Das hätte ich so gerne gehabt. Aber wer weiß, vielleicht wird das ja noch was ... (lacht)

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