Mr. Fetish Hessen 2023: Shkody

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Foto: Jonuzi

Im Juni wählt der FLC im Rahmen der Leather Odyssey den neuen Vertreter der Hessischen Fetisch- und Leder-Community. Der amtierende Mr. Fetish Hessen, Shkody, berichtet im Interview über seine Erfahrungen als Titelträger.

Deine Amtszeit neigt sich langsam gen Ende. Welche Erfahrungen nimmst du aus einem Jahr Mr. Fetish Hessen mit?

Das ist eine sehr geladene Frage. Ich hab unglaublich viel in diesem Jahr erlebt. Zum einen habe ich unglaublich viele Menschen kennengelernt, zum anderen habe ich Sachen erlebt und Erfahrungen gesammelt, von denen ich vorher noch nicht mal träumen konnte. Aber besonders die Menschen sind mir im Gedächtnis geblieben. Ich habe wirklich aus der ganzen Welt Freunde fürs Leben gefunden, und das nur, weil wir alle auf Fetische und Kinks stehen. Ich war an Orten in Deutschland, an denen ich vorher noch nie war, und habe dort die tollsten Personen kennengelernt. Aber die schönste Erinnerung ist immer noch die Segnung durch die Schwestern der Perpetuellen Indulgenz. Alle meine Schärpenbrüder waren auf der Bühne, man erfährt die gesamte Liebe in diesen Raum und man ist Teil dieser Familie. Ein paar Monate vor meiner Wahl bin ich in ein tiefes Loch gefallen und wusste nicht richtig, wie es in meinem Leben weitergehen sollte. Ich hatte meine politische Kariere an den Nagel gehängt und brauchte einen neuen Lebensinhalt – und dann habe ich diese Community kennengelernt. Und ich muss wirklich sagen, so wertgeschätzt, so willkommen und so glücklich habe ich mich noch nie in meinem Leben gefühlt. Es war eine unfassbar tolle Zeit – mit Höhen und Tiefen. Und genau diese Zeit werde ich nie vergessen. Natürlich gab es auch negative Momente, aber die gehören einfach dazu. Obwohl man einen Titel innehat, diesen auch öffentlich auf Events präsentiert und man unfassbar viele neue Leute kennenlernt, fühlt man sich doch auf eine komische Weise manchmal recht alleine. Ich musste mich erstmal daran gewöhnen, dass viele mich nicht mehr als Shkody oder Puppy Dino wahrnehmen, sondern als den „Titelträger", und sich dadurch anders verhalten. Dazu kommt noch der ganze Stress: Zum Beispiel Züge, die nicht pünktlich kommen, oder dass man sich in einer neuen Stadt erstmal zurechtfinden muss. Doch ich habe für mich eine Art gefunden, damit umzugehen, und habe immer Leute parat, die ich anrufen kann und mir Mut zusprechen. Beispielsweise waren meine Mutter, mein Herrchen und meine beste Freundin immer für mich da, aber genauso auch meine Schärpenbrüder, die Schwestern und auch meine gesamten anderen Freunde. Die Unmengen an Christopher Street Days, die ganzen Fetish-Events und die vielen LGBTQ*-Partys wären nur halb so toll gewesen, wenn ich nicht meine Liebsten an meiner Seite gehabt hätte. Zusammenfassend war es eine wirklich unvergessliche Zeit und ich würde sie für nichts in meinem Leben eintauschen.

Foto: FLC

Welches deiner Vorhaben konntest du umsetzten? Dein Motto lautete ja: „Fetisch kann auch jung, Plus-Size und migrantisch sein. Ich zeig’s euch!“

Ich glaube, ich habe die deutschsprachige Fetish-Community schon ein bisschen aufmischen und wachrütteln können. Es gibt nicht viele mit meiner Geschichte: schwul sein, gläubiger Muslim sein und dann auch noch in der Fetisch-Szene. Das ist schon eine Kombination für sich. Aber ich glaube, ich konnte innerhalb unserer Community eine gewisse Awareness schaffen, dass ein Fetisch-Kerl auch ein 22-jähriger albanisch-muslimscher Junge sein kann. Während meiner Zeit als Mr Fetish Hessen hab ich leider auch Rassismus und Bodyshaming innerhalb der Community wahrnehmen müssen. Ich habe allerdings nie zurückgeschreckt, diese Sachen auch sofort zu benennen und habe dafür, nach meinem Empfinden, besonders in Hessen eine gewisse Awareness geschaffen. Mein Augenmerk lag und liegt auch weiterhin darin, LGBTQ+ Muslim*innen zu empowern und zu zeigen, das mit uns nichts falsch ist. Ich habe während meines Titeljahres viel mit der „Anlaufstelle Islam & Diversity“ aus Berlin gemacht und habe geholfen, deren Kampagne „Liebe ist Halal“ auch ins Rhein-Main-Gebiet zu bringen. Sie hatten mir bei meinem Coming Out geholfen und nun möchte ich anderen migrantischen Menschen bei deren Outing unterstützen. Einen jungen Mann konnte ich schon bei seinem Coming Out bei seiner bosnisch-muslimschen Familie unterstützen, und, um ganz ehrlich zu sein, hat sich allein deswegen mein Titeljahr schon gelohnt! Besonders habe ich mich aber auch gefreut, dass ich oft die Möglichkeit hatte, Fetisch und Kink den Menschen außerhalb unserer Bubble näherzubringen, zum Beispiel im Fernsehen im Hessischen Rundfunk, im Radio bei YouFM, bei Podien in Köln oder Podcasts im Bayerischen Rundfunk, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Natürlich würde ich meinen Titel am liebsten noch länger behalten, um meine Arbeit fortzusetzen, aber es braucht natürlich auch frischen Wind mit neuen Ideen. Und davon abgesehen werde ich diese Arbeit auch ohne Titel weiter machen und andere versuchen zu inspirieren, das Gleiche zu tun.

Foto: FLC

Was kannst du deinem Nachfolger* mit auf den Weg geben?

Nimm nicht alles zu ernst! Eine mir sehr nahestehende Person musste mich auch ein bisschen auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Wir werden es mit einem Titel nicht schaffen, die Welt von einen zum anderen Tag zu verändern. Doch wir können uns zusammentun und versuchen, unsere Gesellschaft offener, sicherer und rücksichtsvoller für uns zu machen. Wir leben in turbulenten Zeiten, in denen Kriege zur Normalität geworden sind, offen queere Personen immer mehr in Gefahr leben und die Zeiten immer unsicherer werden. All dessen sollten wir uns bewusst sein, wir sollten uns aber auch klar machen, dass wir durch Solidarität schon viel bewirken können. Meinem Nachfolger a.k.a. meiner Tochter gebe ich auf dem Weg, einfach sein Ding durchzuziehen dabei aber auch Rücksicht auf die anderen zu nehmen. Und das Wichtigste ist, das er einfach ganz viel Spaß haben soll und positiv an alles herangehen soll.

Was ist deine Message an die Community?

Bitte rückt mehr zusammen! Und nein, ich meine das nicht so wie ihr denkt (lacht). Ich meine damit, dass sich alle in unserer Community mehr respektieren sollten. Es wird immer noch zwischen Leder, Pup Play, Rubber, Army und so weiter unterschieden. Und da liegt meiner Meinung nach das Problem: Es werden immer die Unterschiede zwischen uns aufgezählt, doch wir sollten uns mehr auf die Gemeinsamkeiten konzentrieren. Wir haben alle dieselben Wurzeln und kommen aus derselben Community. Natürlich sollten wir Respekt gegenüber denen haben, die uns den Weg geebnet haben. Genauso sollten die Generationen vor uns verstehen, dass es heute auch andere Kämpfe zu kämpfen gibt. Meine Generation hat die Aids-Krise nicht miterlebt, aber auch wir müssen heute mit anderen Problemen zurechtkommen, die es früher nicht gab – zum Beispiel Social Media, dem damit verbundenen Druck, zum Beispiel durch ständiges Vergleichen, und den daraus resultierenden Mental-Health-Problemen. Und besonders in Zeiten wie diesen müssen wir stark zusammenhalten und uns gegen die wehren, die unsere Lebensweise für nicht normal halten.

www.flc-frankfurt.de

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