Queeres auf der 60. Biennale in Venedig

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330 Künstler*innen aus 80 Ländern stellen auf der 60. Internationalen Kunstausstellung der Biennale di Venezia aus, so viele wie noch nie. Die Biennale Arte 2024, die noch bis zum 24. November läuft, thematisiert die Beziehung der Menschheit zum fragilen Planeten und lässt Außenseiter*innen, queere und indigene Künstler*innen künstlerisch zu Wort kommen. 

Stranieri Ovunque – Foreigners Everywhere

Kurator der diesjährigen Biennale ist der Brasilianer Adriano Pedrosa. Der künstlerische Leiter des Museum of Art (MASP) in São Paulo ist offen homosexuell und stolz, der erste queere und in der südlichen Hemisphere lebende Kurator der Biennale zu sein. Diese Akzente hat Pedrosa in der Zusammenstellung der Ausstellung unter dem Leitmotiv „Foreigners Everywhere“ umgesetzt. Der Titel geht auf das Künstlerkollektiv Claire Fontaine zurück, das in den 1920er Jahren in Palermo aktiv war.

Neben 88 nationalen Pavillons konzentriert sich die Hauptausstellung im offiziellen Pavillon stark auf figurative Malerei und weist weniger Installationen auf als die jüngsten Ausgaben. Außenseiter*innen, queere und indigene Künstler*innen erhalten durch Pedrosa ihre längst überfällige Bühne. Ein Großteil der Künstler*innen stammt aus dem globalen Süden und wurde von den Mainstream-Kreisen der Kunstwelt lange Zeit übersehen.

Foto: Gabriel Boys / AFP

LGBTIQ*-Künstler*innen

Der in Südkorea geborene und in Los Angeles arbeitende queere Künstler Kang Seung Lee erklärte gegenüber offiziellen Medien, er identifiziere sich mit Pedrosas „Einladung, unser Leben als Ausländer, aber auch als Besucher dieser Welt zu betrachten“. Der 45-jährige Lee, dessen Werke in internationalen Ausstellungen, darunter die Documenta 15, gezeigt wurden, ist zum ersten Mal auf der Biennale vertreten.

Seine Installation „Untitled (Constellations)“ basiert auf einer Sammlung von Objekten von Künstler*innen, die an Aids gestorben sind. 

„In der von der Künstlerin geschaffenen Umgebung hat der Betrachter die Möglichkeit, queere Erzählungen auf transnationale und transhistorische Weise neu zu konfigurieren. Zeichnungen, Stickereien aus 24-Karat-vergoldeten Linien, von der Decke hängende Objekte und andere an den Wänden installierte Elemente ermöglichen es dem Betrachter, sich zwischen Erzählungen zu bewegen, die auf antimonumentale Weise wesentliche Namen der queeren Kultur huldigen.“

Foto: Courtesy MMCA Korea / www.instagram.com/kangseunglee

Ebenfalls im offiziellen Pavillon vertreten ist die transsexuelle brasilianische Künstlerin Manauara Clandestina. Clandestinas Schaffen umfasst Fotografie, Video, Performance, Textilien und Mode, wobei sie häufig mit anderen Künstler*innen zusammenarbeitet und die Travesti- Community (lokale Transgender-Community) als eines ihrer Hauptthemen darstellt.

Auf der Biennale präsentiert die Künstlerin die zweite Version des Videos „Migranta“ (2020–23), in dem es um die Migrationsgeschichte ihrer Familie geht. In diesem Sinne ist der Titel als Zeichen des laufenden Entstehungsprozesses des Werkes sowie der Identität und Beziehungen des Künstlers zu verstehen. Das Video, das aktuelle Aufnahmen ihres Vaters einbezieht,

„wechselt abwechselnd Screenshots von ihrem Mobiltelefon, Ausschnitte von Überwachungskameras, Material aus Archiven und historische Filme und verwendet dabei eine breite Palette von Technologien, von hochauflösenden Bildern bis hin zu Low-Tech, was zu unterschiedlichen Texturen und Qualitäten der Darstellungen führt.“

Foto: www.instagram.com/manauaraclandestina

Klimawandel

Die 60. Internationale Kunstbiennale in Venedig erforscht außerdem die Beziehung der Menschheit zu ihrem zerbrechlichen Planeten, von den grönländischen Eiskappen bis zur Abholzung des Amazonas.

Der dänische Pavillon zeigte die Arbeit des Fotografen Inuuteq Storch in sechs Serien, darunter „Soon Will Summer Be Over“, die die Auswirkungen des Klimawandels, der Kolonisierung und der Jagd- und Fischertraditionen der Inuit im hohen Norden Grönlands dokumentiert.

Die japanische Künstlerin Yuko Mohri konzentrierte sich in ihrer Arbeit auf behelfsmäßige Versuche, die durch häufige Überschwemmungen und Erdbeben verursachten Wasserlecks in Tokios U-Bahnhöfen zu begrenzen.

Am Eingang des brasilianischen Pavillons fließen Wurzeln und Samen aus einem imposanten Erdhügel und erinnerten an verschiedene Lebensformen: menschliche Adern, Baumsäfte und brasilianische Flüsse aus der Vogelperspektive. Die Installation der Künstlerin und indigenen Aktivistin Olinda Tupinamba zeigt einen alten Fernseher mit einer Frau, die sagt: 

„Ihr habt nicht aus euren Fehlern gelernt und die Wälder werden weiterhin abgeholzt, um skrupellosen Menschen zu dienen“.

*AFP/sah

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