#ESC2020 ohne „kreischende Transvestiten und bärtige Frauen“?

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Gestern wurde das Logo des Eurovision Song Contest 2020 in Rotterdam vorgestellt, das zusammen mit dem Motto die „modernen Werte des Events, Vielfalt und Inklusivität“ transportieren soll. 

Statt folkloristischer Sicht nach innen und gestern präsentieren sich Rotterdam und die Niederlande über ihre bis zum Erstarken der Rechtspopulisten und dem islamistischen Terror so sprichwörtliche Weltoffenheit – queere Lebensentwürfe selbstverständlich inbegriffen (blu berichtete),  auch weit über die Sichtbarkeit des bisexuellen aktuellen Titelträgers Duncan Laurence hinaus. Die European Broadcasting Union (EBU) scheint endlich wahrgenommen zu haben, dass der Eurovision Song Contest entgegen aller Beteuerungen selbstverständlich politisch ist, vor allem dann, wenn seine Gründungsidee eines über die Kultur vereinten Europas von Populisten angegriffen wird. Zu viel für das EU-Problemkind Ungarn?

Unkommentierter Rückzug Ungarns

Laut der von der EBU veröffentlichten Teilnehmerliste werden Ungarn und Montenegro im kommenden Jahr nicht beim ESC dabei sein.

Während Montenegro die Teilnahme aus finanziellen Gründen zurückziehen musste, gibt es zum Fernbleiben Ungarns keine offizielle Stellungnahme. Es wird allerdings recht offen spekuliert, dass die Absage Teil der homophoben Rhetorik der rechtsnationalistischen Bewegung von Staatschef Viktor Orbán ist. Ursächlich für diese Vermutungen ist unter anderem die Aussage eines regierungsnahen Journalisten über den ESC.

„Mentale Hygiene“ durch ESC gefährdet

Foto: Derzsi Elekes Andor / wikimedia.orgCC BY-SA 3.0

In einer Talkshow des Privatsenders HirTV bezeichnete der Chefredakteur der regierungsnahen Wochenzeitung Magyar Demokrata, András Bencsik, den Eurovision Song Contest als „homosexuelle Flottenparade“. Ungarn dürfe „aus Gründen der mentalen Hygiene“ nicht am teilnehmen, so Bencsik, denn „kreischende Transvestiten und bärtige Frauen“ beim ESC hätten den Geschmack des Publikums verwüstet. In einer E-Mail an den Guardian begründete die staatliche ungarische Medienholding MTVA die Absage wie folgt:

„Anstatt 2020 am Eurovision Song Contest teilzunehmen, werden wir die wertvollen Produktionen, die von den Talenten der ungarischen Popmusik geschaffen wurden, direkt unterstützen.“


Foto: Warner Music

Adoptionsrecht für Homosexuelle moralisch wie Pädophilie

Lange schon fahren konservative und fundamentalistische Kreise in Ungarn einen strikten Kurs gegen die Rechte von sexuellen Minderheiten. In den vergangenen Monaten hat sich die homophobe Rhetorik noch weiter verschärft.

Im Sommer wurde eine queere Werbekampagne von Coca Cola nachträglich als nicht jugendfrei eingestuft, nachdem sich ein Abgeordneter der Fidesz-Partei über die Kampagne empörte und zum Boykott von Coca Cola aufrief (blu berichtete). Nur wenige Monate zuvor verglich László Kövér, Sprecher des ungarischen Parlaments und Gefolgsmann von Viktor Orbán, den Wunsch homosexueller Menschen, Kinder zu adoptieren, mit Pädophilie – beidem liege „ein Interesse für Kinder“ zugrunde.

„In moralischer Hinsicht gibt es keinen Unterschied zwischen dem Verhalten eines Pädophilen und dem, der das (A. d. R. das Recht auf Adoption) fordert. In beiden Fällen ist das Kind ein Gegenstand, eine Freude, ein Mittel zur Erfüllung und Selbstverwirklichung.“

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