Toll: Berlin plant einen CSD, der gleich mehrere ist

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Am 26. Juni 2021 wird es eine Stern-Demo in der Bundeshauptstadt geben. Vier Tage lang werden außerdem Livestreams mit einem vielfältigen Programm gesendet.

In knapp 100 Tagen wird unter der Leitung des Bündnisses CSD Berlin Pride eine hybride Stern-Demo starten. Das neuartige Konzept schwirrte nach der letztjährigen getrennten Organisation und Planung von einer Laufdemo Ende Juni und einem Online-CSD Ende Juli schon seit Anfang des Jahres durch die bewegten Köpfe der Bundeshauptstadt.

Das neue Bündnis, das sich als Plattform versteht, machte nun in Zusammenarbeit mit der Versammlungsbehörde und der Polizei Nägel mit Köpfen, um den Pride trotz Infektionsschutz groß, vielfältig und sichtbar feiern zu können. Die verschiedenen Arme der Demonstration ermöglichen es dabei ganz nebenbei unterschiedlichen queeren Communities, zu Wort zu kommen und ihren jeweils speziellen Bedürfnissen nach Repräsentation Raum und Gehör bzw. Sichtbarkeit zu verschaffen.

Die bisher geplanten Teildemos starten im Prenzlauer Berg, Kreuzberg und Schöneberg und treffen sich am Alexanderplatz. Der Alexanderplatz wurde laut Pressemitteilung im Gedenken an die große Demonstration am 4. November 1989 ausgewählt. Damals demonstrierten eine Million DDR-Bürger*innen für ihre Rechte und gegen Staatsgewalt. Ein gelungener Link zu den Stonewall-Aufständen 1969 in New York, die den Beginn der westlichen Emanzipationsbewegung und ihrer Pride-Demos markierten. 

Drei Demozüge geplant, mehr willkommen

Foto: M. Rädel

Grafik: CSD Berlin Pride

Der EASTPRIDE im Prenzlauer Berg fängt mit einem evangelischen Gottesdienst an und beschäftigt sich mit der Geschichte der west- und ostdeutschen Lesben- und Schwulenbewegung. Nasser El-Ahmad organisiert in Schöneberg eine Demonstration, die sich auf die besorgniserregende Situation von queerer Infrastruktur wie der Klub-, Gastro- und Eventbranche, der Kulturschaffenden und LGBTIQ*-Tourismusbranche fokussiert. Der Demozug in Kreuzberg wird von verschiedenen Akteurin*nen der QTBIPOC*-Community gestaltet und setzt auf antirassistische und queerfeministische Schwerpunkte.

Die Stern-Demo ist der Auftakt für eine viertägige CSD-Pride-Week, vom 26. bis 29. Juni 2021, in der sowohl die Demonstrationen live übertragen werden als auch Talks und Diskussionsrunden in Eigenregie der LGBTIQ*-Community.

Ein wichtiges Anliegen der Veranstalterin*nen ist die Barrierefreiheit der Demonstration und der Online-Angebote:

Sowohl für Demoteilnehmer*innen, für Mitglieder vulnerabler Gruppen als auch Menschen, die die Sichtbarkeit für LGBTIQ* lieber online kreieren oder suchen. Hier wollen wir besonders auch auf Barrierefreiheit achten.

Livestream von Queers für Queers

Für die Livstreams sind Interviews, Demoübertragungen und Diskussionen geplant. Wie auch schon beim Demo-Konzept ist der Inhalt von der Community zu füllen und der CSD Berlin Pride hilft bei der technischen Umsetzung und Planung. Unter anderem wird die Musikerin, Moderatorin und Aktivistin Achan Malonda einen antirasisstischen Thementag entwickeln.

Konstantin Sherstyuk von Quarteera aus der russischsprachigen LGBTIQ*-Community thematisiert die Asylpolitik Deutschlands. Ria Cybill Geyer, erweiterter Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität (dgti e.V)., setzt in ihrem Livestream den Schwerpunkt auf Trans- und Intergeschlechtlichkeit. Die Darstellung der Geschichte der Lesben- und Schwulenbewegung in der DDR planen Aktivistin*nen wie Christian Pulz, Marina Krug, Peter Rausch, Michael Eggert und Bettina Dziggel.

Weitere Demonstrationen und Mitarbeit werden von CSD Berlin Pride ausdrücklich gewünscht, diese und Hilfe bei Organisation und Planung sind unter csdberlinpride.de erreichbar bzw. abrufbar

Meinung

Nachdem ein ominöses Aktionsbündnis mit seinen Planungen für einen CSD am 11. September lokal für Missstimmung und Fragezeichen sorgte und der Berliner CSD e. V. noch zu keinem eigenen Konzept für die eigentlich Ende Juli anberaumte CSD-Demo gekommen ist, sollte die jetzt durch CSD Berlin Pride entstandene Aufbruchstimmung als willkommene wie positive Einladung verstanden und angenommen werden, sich in aller Vielfalt und Unterschiedlichkeit zu einen. Und es ist Zeit, mit der Zeit zu gehen: Stonewall war zwar keine Online-Petition, aber die queeren Communities der Bundeshauptstadt tuen gut daran, das Neuland Internet nicht den politischen Gegner*innen zu überlassen, die hier ihre destruktiven und rückwärtsgewandten Erfolge in der analogen Welt planen und feiern.

**Transparenzhinweis: Co-Autor Christian Knuth ist seit 2014 aktives Mitglied im Berliner CSD e. V.  

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