CSD wie CSD sein soll: Berlin demonstriert Sichtbarkeit

„Vereint in Liebe - Gegen Hass, Krieg und Diskriminierung“

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Rundum gelungen ist sie, die konzertierte Kraftanstrengung hunderter Ehrenamtler*innen, professioneller Veranstaltungsfachleute, Vereine, Organisationen, des Politikbetriebes. Sogar die Medien machten mit: United in Love! 

In Berlin haben am Samstag hunderttausende Menschen an der Kundgebung zum Christopher Street Day (CSD) teilgenommen. In oft bunten Kostümen und mit viel Partystimmung zogen die Teilnehmenden unter dem Motto „Vereint in Liebe - Gegen Hass, Krieg und Diskriminierung“ zum Brandenburger Tor.  Auch der Krieg in der Ukraine wurde bei dem Umzug thematisiert. 

Nach Angaben der Polizei gingen rund 350.000 Menschen auf die Straße. Mitorganisator Ulli Pridat sagte hingegen am Samstagabend im RBB, er gehe von 600.000 Teilnehmern aus. Gefeiert wurde bis in die Nacht. Unterstützung gab es bei dem Umzug vielfach für die von Russland angegriffene Ukraine: „Macht Liebe, nicht Krieg“, hieß es auf einem Plakat, auf einem Transparent wurde aber auch die Bewaffnung der Ukraine gefordert.  Die Polizei war mit rund 950 Einsatzkräften vor Ort. Besondere Vorkommnisse gab es nach Angaben eines Sprechers vom Sonntag nicht. 

„Berlin ist und bleibt Regenbogenhauptstadt“, erklärte die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) zum 44. Christopher Street Day. Die Hauptstadt habe „eine der größten LSBTI-Communities“ in Europa. „Diese bunte Vielfalt bereichert Berlin.“  „Auch heute noch werden Menschen, die sich zur LSBTI-Community zählen, ausgegrenzt und sogar körperlich angegriffen“, sagte Giffey weiter. „Hass und Ausgrenzung müssen wir uns deshalb entschieden entgegenstellen.“ Sie ermutigte Bürgerinnen und Bürger, „klar Haltung dagegen zu beziehen“. 

Historische Symbolik mit Gänsehautfaktor

Foto: DAVID GANNON / AFP

Zu der Veranstaltung hatte der Bundestag am Samstagmorgen erstmals die Regenbogenflagge gehisst: Eine Fahne wehte am Samstag auf dem Reichstagsgebäude und zwei weitere davor. Das Parlament zeige „Flagge für Toleranz und Vielfalt“, sagte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) in einer Video-Botschaft. Damit werde für alle sichtbar, „Schwule, Lesben, Bi-, Trans- und Intersexuelle sind ein wertvoller Teil unseres Landes“. 

Foto: instagram.com/nickdesiree

Foto: David Gannon / AFP

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Foto: David Gannon / AFP

Foto: David Gannon / AFP

Auch am Bundesrat und vor dem Kanzleramt wurde die Regenbogenflagge gehisst – dies waren gleichfalls Premieren. Zahlreiche Bundesministerien beteiligten sich ebenfalls mit Flaggen oder anderen Aktionen in Regenbogenfarben an ihren Gebäuden. Dies wurde möglich, nachdem Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) im April ein bisher geltendes Verbot für Sonderbeflaggungen aufgehoben hatte. Die Regenbogenflagge darf nun zu bestimmten Anlässen wie dem CSD aufgezogen werden.  *AFP/mt/jp


KOMMENTAR

„Wir sind keine Parade“

Foto: David Gannon / AFP

So stand es demonstrativ auf dem Banner, das an der Spitze des Demonstrationszuges getragen wurde und traditionell eigentlich das Motto wiedergibt. Eine schöne Idee, von dieser Tradition abzuweichen und auch so darauf hinzuweisen, dass die fröhliche Stimmung auf den meisten der knapp 100 Wagen nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass hier eine der größten politischen Demonstrationen der Hauptstadt auf reale Missstände hierzulande und in der Welt aufmerksam macht. Dankenswerterweise ist dieses Anliegen in so – zumindest vom Autor dieser Zeilen und seinem Umfeld empfunden – lange nicht gesehener Stringenz auch von den berichtenden Medien aufgegriffen worden. Ob das nun am Motto lag, das mit seinen Schlagworten Hass, Krieg und Diskriminierung, sowie der Antwort Liebe mannigfaltige Einstiege für die schreibende Zunft bot, oder daran, dass einfach nach den Corona-dominierten Jahren ein Bedürfnis bestand, sich mit etwas mehr, als nur mit schrillen Outfits zu beschäftigen, sei dahingestellt. Im Ergebnis bleibt von diesem Berliner CSD ein durchweg positives, politisches Bild, womit der Kernauftrag Sichtbarkeit queeren Lebens mit seinen diversen Bedürfnissen mehr als erfüllt ist. Bravo!

Spiegelschelte

Dass es der Spiegel schafft, in seinem Fotobericht mit rund 1.000 Worten, achtmal das Wort Parade, zweimal das Wort Demo und nullmal das Wort Demonstration zu nutzen, fiel vor diesem Hintergrund dann doch besonders ins Auge. Lustig gemeint? *C. Knuth

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