Tatsächlich...queere...Liebe? Die Storyline, von der kaum jemand weiß

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Tatsächlich Liebe ist DER Weihnachtsfilm der letzten zwanzig Jahre. Romantische, lustige und traurige Geschichten um die Liebe, die am Weihnachtsabend ihren Höhepunkt finden. Was viele nicht wissen: Es gab tatsächlich auch eine queere Liebesgeschichte – und sie wurde herausgeschnitten.

Die romantische Komödie aus dem Jahr 2003 ist aus der Weihnachtszeit kaum wegzudenken. Wer grölt nicht gerne „Christmas is all around us“ zusammen mit Altrocker Billy Mack (Bill Nighy), der seine Seele für ein Comeback verkaufen würde – oder schaut zu, wenn Jamie (Colin Firth) seiner großen Liebe auf desaströsem Portugiesisch einen Heiratsantrag macht. 

Sieht man den Film traditionell in jedem Jahr, so dürfte einem mit den Malen irgendwann aufgefallen sein: Er ist sehr heteronormativ. Das bemerkt man erst im Vergleich zur heutigen Filmwelt, denn damals war so etwas normal – heute ist es das nicht mehr. Irgendwann in den letzten 17 Jahren hat sich etwas geändert. Diversität, Vielfalt und queere Sichtbarkeit sind aus neueren Streifen nicht wegzudenken – und das ist gut so.

In diesem Jahr gibt es endlich auch Weihnachts-Romcoms, in denen ein queeres Paar im Mittelpunkt steht, darunter Happiest Season mit Kristen Stewart oder The Christmas Setup mit Fran Drescher als Schwulenmutti.

Kaum jemand weiß aber: Bei Tatsächlich Liebe gab es eine solche Geschichte ebenfalls. Sie erschien nur nicht in der finalen Fassung. 

Die Liebe, die es nicht in den Film schaffte

Das romantische Finale des Filmes findet am Weihnachtsabend statt. Da wird an einer Schule ein Weihnachtskonzert veranstaltet, bei dem die meisten Hauptpersonen der Geschichte anwesend sind. Der Premierminister knutscht hinter den Kulissen mit seiner Kantinenchefin –was für ein Aufreger! Die Direktorin der Schule? Spielt keine Rolle. Oder?

Eben doch. Ursprünglich gab es eine Liebesgeschichte zwischen ebendieser Schulleiterin (Anne Reid) und ihrer Lebensgefährtin Geraldine (Frances de la Tour). In gelöschten Szenen, die auf der DVD zu sehen sind, kehrt die Schulleiterin eines Abends nach Hause zurück – zu ihrer Partnerin, die unheilbar krank im Bett liegt. Die beiden reden und trinken Wein – schließlich ein Schnitt, dann sieht man, wie Geraldine nachts hustet. Die Frauen umarmen sich fest. 

Am Weihnachtsabend dann schließlich – zum Konzert – sieht man die Schulleiterin mit einer dunklen Brille im Publikum sitzen, während Karen (Emma Thompson) eine Rede hält. Sie gedenkt der anscheinend kurz zuvor verstorbenen Geraldine:

„Ich möchte unserer Schulleiterin im Namen aller Eltern sagen, dass wir es sehr mutig finden, dass sie heute hier ist, angesichts ihres kürzlichen Verlustes. Geraldine war eine wunderbare und herzensgute Frau, und die Trauer ist an Weihnachten besonders groß.“

Schnäuz.


Zu lesbisch – oder zu traurig?

Der Regisseur des Films, Richard Curtis (schrieb als Drehbuchautor auch Vier Hochzeiten und ein Todesfall sowie Notting Hill), gab in einem Bonus-Interview auf der DVD zu Protokoll: Er bedauert, dass die taffen Frauen es nicht in den endgültigen Schnitt geschafft haben. Es habe ihm wirklich leid getan, die Geschichte zu verlieren – und die Botschaft, die dahinter steht:

„Die Idee war, dass man diese sehr strenge Schulleiterin nur beiläufig kennenlernt, aber später im Film haben wir uns plötzlich in sie verliebt und man merkt, dass jeder Charakter, dem man im Leben begegnet, seine eigene komplizierte Liebesgeschichte hat, egal wie unwahrscheinlich es scheint.“

Curtis entschuldigte sich für die letzte Szene der kleinen Liebesgeschichte. Am Ende sei sie zu abrupt, ihre Auflösung zu „düster“. Außerdem bezieht sich das Gespräch der beiden Frauen auf eine andere Szene mit einem Schüler, die es nicht in den Film schaffte – Curtis blieb also keine Wahl, als die Szene des lesbischen Paares somit auch zu entfernen. 

Puuuh. Also keine homophobe, sondern eine künstlerische Entscheidung? Man darf den Film immer noch sehen? Oprah sei Dank. 


„Und was hält sie – oder er – von dir?“

Der Film geriet wegen seiner Heteronormativität in den letzten Jahren vermehrt in die Kritik. Dabei bietet er trotz allem ein wenig queere Sichtbarkeit – ein großer Unterschied zu Weihnachtsfilmen aus den 1990ern, in denen oft die heteronormative, spießbürgerliche Familie im Mittelpunkt steht – hust, Tim Allen, hust. 

So fragt in Tatsächlich Liebe der von Liam Neeson gespielte Daniel seinen liebeskranken Stiefsohn ganz selbstverständlich nach seinem Schwarm:

„Und was hält sie – oder er – von dir?“

Sarah (Laura Linney) nimmt auf einer Hochzeitsparty derweil Anteil an der schlechten Laune ihrer Bekanntschaft – und deutet sie richtig als Liebeskummer. Sie vermutet völlig wertfrei, dass Mark (Andrew Lincoln) in seinen besten Freund Peter (Chiwetel Ejiofor) verliebt ist – den Bräutigam.

Das ist auch für den Zuschauer naheliegend, da Mark an Peter geradezu klebt und die Braut offensichtlich nicht leiden kann. Am Ende gelten seine Gefühle aber doch ihr – den Abstand zu Juliet (Keira Knightley) hält er aus Selbstschutz. Schade.

Aber eben auch solche beiläufig einfließenden Bemerkungen sorgen für Normalität und Akzeptanz. Du stehst auf deinen besten Freund? So what. 

Bonus sind definitiv die homoerotisch angehauchten Momente in der Freundschaft von Rockstar Billy Mack (Bill Nighy) und seinem Manager. Am Weihnachtsabend gesteht Billy ihm sogar seine Liebe – ob platonisch-brüderlich oder sexuell-romantisch, bleibt in dem Moment dem Zuschauer überlassen. Am Ende des Films liebäugeln die beiden aber wieder mit zwei Frauen.

Wir sind uns sicher: In den wilden 70ern konnten die beiden nicht die Finger voneinander lassen. Oder um es mit den Worten von Legende Billy Mack abzuschließen:

„Wir zwei hatten doch 'ne wunderschöne Zeit zusammen?“

 Zwinker. 

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