#SchlauZuHIV • Gewichtszunahme durch HIV-Therapie?

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Während viele der älteren Generation beim Gedanken an HIV noch das Bild ausgemergelter Körper und starken Gewichtsverlusts im Kopf haben mögen, wird in der Community über ungewollte Gewichtszunahme unter antiretroviraler Therapie gesprochen. Muss auf die lecker Torte verzichtet werden? Wir fragten bei Professor Dr. med. Hans-Jürgen Stellbrink vom Infektionsmedizinischen Centrum Hamburg (ICH) nach, was es damit auf sich hat. 

Was ist dran am Thema?

Foto: ICH

Am Phänomen der ungewollten Gewichtszunahme kann kein Zweifel bestehen. Das Problem ist, dass es auch in der Allgemeinbevölkerung vorhanden ist. Ein Teil davon ist sicherlich einfach Rückkehr zum Normalzustand nach Kontrolle von HIV durch die ART. Es gibt zudem besonders bei den älteren Medikamenten der ART einige, die bekanntermaßen die Gewichtszunahme unterdrücken. Das hört sich vielleicht erst einmal toll an, ist aber vielleicht eine nicht nur positive Nebenwirkung, die wir bisher nicht erkannt haben. Als letzter Punkt muss erwähnt werden, dass wir immer nur über eine mittlere Gewichtszunahme sprechen, es gibt Patienten, die herausfallen und besonders stark zunehmen. Das alles zusammengenommen, sehen wir bei den neuen Medikamenten nur relativ mehr Gewichtszunahme als bei den alten. Wir wissen aber noch nicht, ob das tatsächlich ein Medikamenteneffekt ist, oder nur das Wegfallen der Nebenwirkungen der alten und der Effekt sonstiger Einflüsse wie Rauchentwöhnung, Antidepressiva, Jobwechsel mit sitzender Tätigkeit, kein Sport etc.

Wann ist eine Therapieumstellung medizinisch sinnvoll und welche Alternativen gibt es dann?

Ich muss hier leider ein wenig enttäuschen: Wir setzen die neuen Medikamente deswegen ein, weil sie weniger Nebenwirkungen auf Nieren, Knochen oder anderes haben. Gegen eine Gewichtszunahme haben wir ganz klassische und wirksame Methoden zum Leidwesen unserer Patienten: Sport, ausgewogene Ernährung, Verzicht auf Genussmittel ... Im Gegensatz dazu haben wir zur Zeit keinerlei Anhaltspunkte, dass ein Therapiewechsel auf ein anderes modernes Regime überhaupt Einfluss auf das Phänomen hätte. Wir beobachten das aber und werden selbstverständlich handeln, sollte sich doch zeigen, dass Therapiewechsel das Gewicht reduzieren können, ohne die Therapiewirkung zu gefährden.

Ist damit die Lipodystrophie (Fettumverteilung) aus der Anfangszeit der Kombinationstherapien zurück?

Nein. Dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Bei der Lipodystrophie wurde das Strukturfett des Körpers in den Bauch verlagert. Bei der besagten Gewichtszunahme geht es um eine allgemeine Fettzunahme und sogar um einen Zuwachs der Körpermagermasse, also der Muskulatur. Besonders Letzteres ist ein Anzeichen, dass es sich vielleicht doch um das Ausbleiben negativer Nebenwirkungen der älteren Therapien handelt. Aber dazu wird es in Kürze aussagekräftige Forschungsergebnisse geben.

*Interview: Christian Knuth


Ein Artikel aus dem aktuellen Gesundheitsschwerpunkt der männer* Printschwestern hinnerk, blu, LEO, rik und GAB. 

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