#schlauzuhiv • Therapieversagen – der Herzinfarkt in der HIV-Behandlung

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Ziel jeder medikamentösen HIV-Therapie ist die dauerhafte Unterdrückung der Virusvermehrung im Körper. Da sich das Virus aber im Zeitverlauf verändert und Mutationen entstehen, kann es sein, dass Arzneimittel gegen das HI-Virus ihre Wirksamkeit verlieren. Das Virus hat dann Resistenzen ausgebildet und kann sich – weil unempfindlich gegen die laufende Therapie – wieder vermehren. Wie Resistenzen entstehen, wie hoch unter modernen Regimen das Risiko eines Therapieversagens ist und warum es so wichtig ist, Resistenzbildungen zu vermeiden, erklärt Professor Dr. Jürgen Rockstroh, Leiter der Ambulanz für Infektiologie & Immunologie am UK Bonn.

Foto: UK Bonn

Beginnt man heute mit einer HIV-Therapie, wird das HI-Virus vor der Auswahl des Therapieregimes auf Resistenzen untersucht. Dabei hat die Person doch noch gar keine Arzneimittel gegen die Infektion genommen. Warum wird das gemacht?

Es wird nach den Leitlinien für die HIV-Therapie ein genotypischer Resistenztest durchgeführt, um festzustellen, ob eine Ansteckung mit HIV-Varianten vorliegt, die möglicherweise Medikamentenresistenzen beherbergen. Statistisch sind diese Untersuchungen kosteneffektiv, wenn bei ca. fünf Prozent der Patienten Resistenzen auftreten. Tatsächlich werden solche Mutationen bei ca. neun bis zehn Prozent gefunden. Es gibt allerdings zu diesen Resistenztests auch kritische Stimmen, weil die Ersttherapie heute im Wesentlichen auf Integrasehemmern aufbaut und zu diesen so gut wie keine resistenten Mutationen gefunden werden. Dennoch ist es aber prinzipiell gut zu wissen, welche Mutationen vorliegen, um zum Beispiel bei einem Therapiewechsel vorbereitet zu sein. Unter erfolgreicher antiretroviraler Therapie ist es heutzutage sehr schwer, genug Viren für eine genotypische Resistenztestung im Blut zu finden.

Wie häufig treten heute Resistenzen auf, was sind die Gründe dafür und gibt es Unterschiede bei den verschiedenen Wirkstoffen?

Wenn es im Verlauf der Therapie bei den Routinechecks zu einem Anstieg der Virenlast käme, würde ebenfalls ein genotypischer Resistenztest gemacht, um festzustellen, ob eventuell eine Mutation stattgefunden hat, die die Wirksamkeit eines Wirkstoffs der Therapie vermindert. Das passiert heute aber sehr viel seltener als früher. Dennoch: Wie eben erwähnt sind bei ca. zehn Prozent der Patienten therapierelevante Mutationen festzustellen. Das bedeutet aber nicht, dass jede Mutation dazu führt, dass keine wirksame Kombinationstherapie zusammengestellt werden kann. Die schon angesprochenen Integrasehemmer besitzen heute so eine hohe genetische Barriere, dass es selbst bei einem Therapieversagen äußerst selten, sogar fast nie zu einer Mutation kommt. Die modernen Therapien sind so potent, dass wir insgesamt einen starken Rückgang der Resistenzen verzeichnen.

Foto: Cynthia Goldsmith – USCDCP / Pixnio, CC0

Worauf ist zu achten, wenn man als Mensch mit HIV das Risiko für eine Resistenzentwicklung so gering wie möglich halten will, und was können Behandler tun, wenn es doch zum Therapieversagen kommt?

Der wirksamste Schutz gegen Resistenzentwicklungen ist eine wirksame Therapie. Sie verhindert ja die Vermehrung des HI-Virus und Mutationen treten eben bei der Vermehrung von Viren auf. Unsere heutigen Therapien sind so robust, dass sie eigentlich ein Leben lang wirksam bleiben – wenn sie regelmäßig eingenommen werden. Es gibt aber auch Patienten, die Varianten des Virus haben, die gegen sehr viele der geläufigsten Wirkstoffe resistent sind. Zum Beispiel Langzeitpositive, die mit den ersten Monotherapien behandelt wurden. Aber auch da gab es 2020/2021 einen Durchbruch, weil neue Wirkstoffe zugelassen werden, gegen die es noch keinerlei Resistenzen geben kann. Also kann jetzt auch bei den sehr wenigen Fällen des breiten virologischen Versagens (Mehrklassenresistenz) eine wirksame Kombination zusammengestellt werden.

*Interview: Christian Knuth


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