Trans* Männer und Social Freezing

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Trans* Männer oder nicht-binäre Menschen mit Uterus und Ovarien müssen sich die Frage stellen, ob und was sie mit ihren Eizellen vor und während und nach der Transition machen wollen.

Warum Social Freezing?

Menschen mit Uterus und Ovarien haben heutzutage die Möglichkeit, ihre Eizellen mittels des sogenannten Social Freezing einfrieren zu lassen. Ein häufiger Grund dafür ist, eine Schwangerschaft eventuell auch im vorangeschrittenen Alter zu ermöglichen. Wenn etwa der Job momentan zu viel abverlangt oder eine Krankheit das Heranreifen der Eizellen beeinträchtigt. 

Trans* Männer und Eizellen

Wie jede langfristige Medikamenteneinnahme kann auch die Hormontherapie zur Geschlechtsanpassung Auswirkungen auf die Fertilität haben. Während Testosteron eingenommen wird, sinkt die Fertilität. Dies bedeutet aber nicht, dass Testosteron ein verlässliches Schwangerschafts-Verhütungsmittel ist.

Im Laufe der sogenannten androgenen Therapie wird Testosteron zunächst in einer niedrigen Dosis verabreicht und bei guter Verträglichkeit allmählich erhöht. Dadurch kann nicht nur die ovarielle Reserve, also die Anzahl der vorhandenen Eizellen, sondern auch deren Qualität beeinträchtigt werden. Dies wiederum kann die Reproduktionsmöglichkeiten der betreffenden Person reduzieren. Infertilität oder Sterilität als Folge kann man nicht ausschliessen.

Theoretisch ist es zwar möglich, bei einer Unterbrechung oder dem Absetzen der Hormontherapie einige Eizellen zu gewinnen. Die Anzahl und Qualität mag aber nicht ausreichend sein, um schwanger zu werden. Im Falle einer geschlechtsangleichenden Operation, bei der die Entfernung der Eierstöcke vorgenommen wird, sind im Körper natürlich gar keine Eizellen mehr vorhanden.

Geschlechtsdysphorie und Stimulation

Für alle Menschen, die ihre Eizellen entnehmen und einfrieren lassen möchten, gilt, dass ihre Eierstöcke (Ovarian) vorher komplexen und oft auch traumatisierenden Stimulationen unterzogen werden müssen. Die Stimulation erfolgt durch Einnahme oder das Spritzen von bestimmten Hormonen und soll die Produktion von Eizellen fördern. Besonders bei Geschlechtsdysphorie oder bei dem Wunsch nach Vermännlichung stellt eine solche zusätzliche Behandlung ein Problem dar. Der Testosteronspiegel muss gesenkt werden, eine geplante oder laufende Verabreichung von Testosteron muss also verschoben oder unterbrochen werden.

Die Stimulation erfolgt teilweise mit Tabletten, teilweise durch Injektionen. Patient*innen verabreichen sich diese meist selbst, jedoch findet ein regelmäßiges Monitoring im Abstand von etwa 7-12 Tagen durch die betreuende Fachstelle statt. Sie sorgt dafür, dass die Eizellen befruchtungsfähig werden.

Normalerweise reift nur eine Eizelle heran, auch wenn sich zunächst mehrere Follikel bilden und miteinander konkurrieren. Follikel sind bläschenartiges Gebilde im Innern der Eierstöcke, in denen eine Eizelle heranreift. Für gewöhnlich dominiert am Ende der sogenannte Leitfollikel, während die anderen absterben. Mit Hilfe der Stimulation können die anderen Follikel bewahrt und so mehrere Eizellen zur Reife gebracht werden.  

Dann muss noch der richtige Zeitpunkt gefunden werden, um die Eizellen zu entnehmen. Nach  abschließenden Untersuchungen und einem Gespräch mit dem/der Anästhesist*in, findet die Entnahme dann in einem OP-Saal während einer etwa 5-10-minütigen Kurz-Narkose statt. Das „Absaugen“ der Eizellen nennt man auch Follikelpunktion. Das so gewonnene Ovarialgewebe wird dann eingefroren und bei Bedarf in der Zukunft wieder eingepflanzt.

Der gesamte Prozess muss sehr akkurat und genau abgestimmt werden und wird von Nutzer*innen als durchaus anstrengend empfunden.

Kosten und Zeitrahmen

Die Kosten unterteilen sich in einmalige und monatliche Ausgaben. Für die Stimulation, das Monitoring inklusive Gespräche und die Untersuchungen muss man mit etwa 3000 bis 4000 Euro pro Zyklus rechnen. Sollte die Behandlung im ersten Anlauf nicht gelingen, muss ein neuer ebenfalls kostenpflichtiger Zyklus eingeleitet werden.

Der Preis pro Zyklus ist auch abhängig von der Menge  der verabreichten Hormone und Medikamente. Manche Frauen, trans* Männer und nicht-binäre Menschen benötigen eben mehr oder längere Behandlungsphasen als andere.

Der gesamte Prozess kann sich über wenige Wochen bis mehrere Monate hinstrecken. Je nach Standort kommen dann Lagerungskosten für das Kalthalten – die Kryokonservierung – von etwa zwanzig Euro im Monat hinzu. Die Regelungen darüber, wie lange Eizellen eingefroren werden dürfen, sind von Land zu Land unterschiedlich. In Deutschland ist es aber auf unbestimmte Zeit möglich.

Nicht zu vergessen sind die Kosten für die spätere Kinderwunschbehandlung in Höhe von derzeit etwa 2000 Euro. Diese schließt allerdings die Befruchtung der Eizelle und das Einpflanzen in den ursprünglichen oder anderen geeigneten Uterus mit ein. In Deutschland ist eine Leihmutterschaft derzeit nicht möglich, die Eizellen ins Ausland bringen auch nicht.

Medical Freezing und das TSVG

Leider muss man die Kosten für Social Freezing nach wie vor selbst tragen. Krankenkassen und Arbeitgeber*innen übernehmen derzeit keine Kosten, die aus nicht-medizinischen Gründen entstehen. Jedoch wurden mit Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (kurz: TSVG) am 11.5.2019 einige Verbesserungen bei der Inanspruchnahme gesundheitlicher Leistungen geschaffen.

Für junge Erwachsene, die an Krebs erkrankt sind, werden die Kosten für die Kryokonservierung von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Durch die Konservierung von Keimzellgewebe, Ei- und auch Samenzellen soll es dieser Patient*innengruppe auch nach einer Krebsbehandlung ermöglicht werden, noch Kinder zu bekommen. Da dieser Prozess eine medizinische Notwendigkeit voraussetzt, spricht man hier von Medical Freezing.

Aktivismus für die Gesundheit

Das Terminservice- und  Versorgungsgesetz (kurz: TSVG) sieht seit Mai 2019 vor, dass Arzneimittel zur Vorbeugung einer Infektion mit dem HI-Virus („Präexpositionsprophylaxe, PrEP“) für Menschen mit erhöhtem Ansteckungsrisiko von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden. Diese Regelung kam auch durch langwierigen und hartnäckigen Aktivismus von Seiten der betroffenen Community zustande.

Es besteht kein Zweifel daran, dass Social Freezing für trans* und nicht-binäre Menschen eine medizinische Notwendigkeit ist. Dennoch kann diese Patient*innengruppe Medical Freezing für sich (noch!) nicht in Anspruch nehmen. Hier herrscht eindeutig eine Ungleichbehandlung von verschiedenen Indikationen bzw. Patient*innen-Gruppen.

Aktivismus für mehr Gleichheit und Fairness in der Gesellschaft macht nicht nur Spaß. Er ist notwendig, um eine Welt zu schaffen, in der alle Menschen die gleichen Rechte und Zugänge zur Versorgung haben.

Mit freundlicher Unterstützung von:

Dr. Martin Viehweger www.viropraxis.de

Alexander Hahne www.alexanderhahne.com

Mehr zum Thema Trans* und Transition findest du hier: Trans*ition.

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