HIV-Studie: Wenn das Stigma schädlicher ist als die Infektion

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Das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) stellte mit der Deutschen Aidshilfe (DAH) die Forschungsergebnisse der Studie „positive stimmen 2.0“ vor. Die Ergebnisse sind erschreckend wenig besser, als bei einer in Teilen vergleichbaren Studie aus dem Jahr 2011.

Community-Forschung

Für die Studie haben sich fast 1.000 HIV-positive Menschen die Zeit genommen, den Online-Fragebogen über ihre persönlichen Erfahrungen und Folgen mit Diskriminierung auszufüllen und der Studie bereitzustellen. Außerdem wurden knapp 500 HIV-positive Menschen zu ihrer Geschichte interviewt. Das Besondere an diesem Projekt ist, dass nicht nur Erkenntnisse über den Verlauf und den jetzigen Stand der Diskriminierung gegen HIV-positive gesammelt werden, sondern dass die Interviewer selbst HIV-positiv sind. Damit sinkt die Hemmschwelle der Befragten, zugleich steigt die Bereitwilligkeit zur völligen Transparenz. Damit ist diese Studie zugleich auch ein Communityprojekt, denn die Befragten werden hier bei jedem Schritt der Forschung mitgenommen, ganz nach dem Motto des partizipativen Forschens.

Umgang mit Positiven hinkt Wissenschaft hinterher

Rund 73 Prozent der Befragten geben an, dass in vielen Bereichen ihres Lebens niemand über die Erkrankung Bescheid weiß, denn die sozialen Einschränkungen nach diesem Coming-out sind weitreichend. Durch immer noch zu geringe Aufklärung sind viele Stigmata im Umlauf, die so schon gar nicht mehr stimmen. Denn auch wenn die gesellschaftliche Annäherung und Entwicklung an das Thema HIV nur schleppend voran geht, hat sich in der Medizin seit der letzten Befragung 2011 einiges getan.

Laut Matthias Kuske, Projektkoordinator der Studie „positive stimmen 2.0“, mache es keinen Sinn, Menschen mit HIV anders zu behandeln als andere Menschen, oder verschärfte Hygienekonzepte aufzufahren, denn unter der richtigen Therapie  sei HIV ohnehin nicht mehr übertragbar.

Immer noch schwere Diskriminierung

Dank der guten Therapieangebote heutzutage geben dreiviertel der Befragten an, keine, bis nur wenige, gesundheitliche Probleme zu verzeichnen. Im Vergleich zum gesundheitlichen Aspekt, welcher der wichtigere sein sollte, geben ganze 52 Prozent der Befragten an durch Vorurteile im sozialen Bereich ihres Leben beeinträchtigt zu sein.

Die Unwissenheit im Bezug auf Auswirkungen der Krankheit und Arten der Übertragung des Virus führen nicht nur dazu, dass HIV-positive Menschen im privaten Bereich missverstanden, diskriminiert und anders behandelt werden, bei 16 Prozent der Befragten führte die öffentliche Bekenntnis zum Virus sogar bei allgemeinen Gesundheitsleistungen zur Behandlungsverweigerung seitens des Arztes.

Folgen und Forderungen

Nicht nur den Interviewten hat diese Projekt Selbstsicherheit, Kraft und, vor allem, neue Kontakte gebracht, sondern auch der Interviewer Andreas profitiert von dem Projekt:

„Durch dieses Projekt habe ich mich in einem halben Jahr nahezu komplett geoutet. Das hat mir so viel Schwung gegeben!“

Um den Diskurs  über HIV in eine hoffentlich bessere, vorurteilsfreiere Richtung zu lenken, fordert das Projekt unter anderem eine sachgerechte Darstellung dessen, wie ein Leben mit HIV wirklich aussieht und was eine HIV-Therapie bewirkt. Matthias Kuske bringt es auf den Punkt:

„Menschen mit HIV können heute leben, lieben und arbeiten wie alle Anderen“

*Marco Bast / ck

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