Sammelband „Queere Lyrik 2020 – So gerade / nicht“

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Die erste Bestandsaufnahme queerer Lyrik seit 30 Jahren. Stefan Hölscher lässt sich auf seinem Weg, einem absoluten Nischen-Thema des Literaturbetriebes Aufmerksamkeit zu verschaffen, nicht beirren und überzeugt mit dieser Anthologie.

Vorangestellt ist den Gedichten eine Standortbestimmung des Herausgebers zu seinem Steckenpferd queere Lyrik. Erst im letzten Jahr erklärte Stefan Hölscher im Gastbeitrag Queere Lyrik – wen juckts? auf männer* warum Lyrik und insbesondere ihre queere Ausprägung für ihn so spannend sind:

Queere Lyrik kann sich die kognitive Sprödigkeit der Gegenwartslyrik zu Eigen machen. Muss sie aber nicht – vor allem nicht flächendeckend. Sie kann auch ganz anders. Sie darf experimentieren, provozieren, ätzen und brennen. Sie darf schrill, kitschig, expressiv und emotional sein. (Und natürlich zwischendurch auch wieder ganz prosaisch-konstruiert-gelassen.) Queere Lyrik darf zu unterschiedlichen Arten des Juckens führen – auch bei ausgemacht coolen poetischen Heten.“

Foto: Privat

Im August 2019 war Hölscher an der Gründung des Netzwerks QueerL beteiligt, das sich die Stärkung von Queerness als besonderen Ermöglichungsraum künstlerischer Kreativität“ und mehr sichtbare Präsenz“ in die Satzung geschrieben hat (wir berichteten). Die Veranstaltungen des Netzwerkes sind wegen COVID-19 abgesagt worden, und so läuft auch die Veröffentlichung dieses Sammelbandes ohne die erhoffte Aufmerksamkeit durch Lesungen oder auf Buchmessen.

Bunt und kraftvoll wie eine CSD-Demonstration 

Das ist schade, denn die Texte der Autor*innen1 sind in ihrer Unterschiedlichkeit so bunt und vielfältig wie die queeren Communities auf den CSD-Demos. Die Sammlung zeigt in geballt-kompakter Weise die Bandbreite von Emotionen, die Lyrik zu verarbeiten und zu vermitteln vermag. So gerade / nicht ist Lesegenuss wie eine Achterbahnfahrt – mal spitzfindig, mal leicht und komisch, mal erotisch und voller Energie, aber auch manchmal brutal verstörend und abgründig. Nicht nur für Lyrik-Fans. Eigentlich besonders für die, die es bisher nicht waren. 

Foto: Geest Verlag

1Autorenliste So gerade / nicht: Klaus Anders, Thomas Böhme, Crauss, Mátyás Dunajcsik, Alexander Graeff, Kevin Junk, Stefan Hölscher, Odile Kennel, Christoph Klimke, Elizaveta Kuryanovich, Zoltán Lesi, Thomas Luthardt, Steffen Marciniak, Peter Salomon und Tina Stroheker

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