INTERVIEW: STEVE BLAME

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Hi, Steve Blame here with MTV News – jahrelang hörten europaweit unzählige Musikbegeisterte Steve diesen Satz sagen. Aber gibt es ein Leben nach dem Musikfernsehen? Im Interview zu seinem Buch erzählt der britische Wahl-Kölner von Partynächten, Treffen mit Madonna und dem Weg aus der Perspektivlosigkeit.

STEVE, IN DEINEM BUCH ERZÄHLST DU VON DEM LANGWIERIGEN PROZESS, DICH SELBST NEU ZU ERFINDEN, NACHDEM DICH DIETER GORNY ALS PROGRAMMDIREKTOR VON VIVA2 GEFEUERT HATTE.

Meine Vergangenheit war so übermächtig, dass ich in ihr gelebt habe! Ich brauchte zehn Jahre, um alles zu verarbeiten und ein anderes Kreativitätsfeld für mich zu finden. Und das habe ich geschafft durch das Schreiben. Ich schreibe Drehbücher, und auch dieses Buch hat geholfen. Ein Buch zu schreiben ist eine riesige Reise zu sich selbst. Man verliert sich dabei auch mal, aber man findet auch etwas über sich heraus. Deshalb auch der Buchtitel Getting Lost Is Part of the Journey.

WARUM BIST DU DAMALS NICHT ZURÜCK NACH ENGLAND GEGANGEN?

Weil ich wusste, dass ich etwas lernen muss. Vielleicht hätte ich in England wieder einen Job als Moderator bekommen, aber irgendwann hätte ich den Punkt sowieso erreicht, an dem ich mich verändern muss. Die ersten anderthalb Jahre habe ich Deutschland gehasst, weil das Umfeld bei VIVA so schwierig war. Ich habe danach aber neue Freunde gefunden, mein Leben hat neu begonnen, und ich habe eine Verbindung zu diesem Land aufgebaut.

WAS WAR DER SCHLÜSSELMOMENT FÜR DEINEN NEUANFANG?

Am Anfang des Buches laufe ich durch einen Klub und alle gucken mich bewundernd an. In der Mitte des Buches gibt es dann eine Szene, wo alles kippt. Sie spielt während einer verdrogten Nacht im Dorian Gray in Frankfurt. Ich laufe wieder durch den Klub, alle gucken mich an, und ich fühle mich lebendig. Dann sagt ein Typ zu mir: Steve, komm mal mit zur Toilette. Dort erst sehe ich, dass mein weißes Hemd voll von meinem Blut ist. Das war der totale Wendepunkt. Mein Bedürfnis nach Aufmerksamkeit ist ein zentrales Thema des Buches. Drogen und ein übertriebener Lifestyle sind nur die Auswirkungen davon.

MAN MERKT DEM BUCH AN, DASS DU BEIM MUSIKFERNSEHEN GEARBEITET HAST. ES GIBT SPRÜNGE EINEN WECHSEL ZWISCHEN DREHBUCH UND NORMALER ERZÄHLUNG.

Es ist in verschiedenen Ebenen geschrieben. Die Drehbuch-Einschübe sind die untere Ebene, eine Art Dialog in mir, den ich oftmals hatte, wenn ich auf Drogen war. Auch weil ich heute Drehbücher schreibe, sah ich das als gutes Stilmittel, meine innere Perspektive aufzuzeigen. So bekommen die Menschen das Gesamtbild.

Foto: WMG

IM KAPITEL IM BETT DANK MADONNA ERZÄHLST DU DAVON, WIE MADONNA DEINEM SEXLEBEN AUF DIE SPRÜNGE HALF.

Bei zwei Treffen mit ihr hatte ich meinen aktuellen Freund dabei. Ich stellte ihn Madonna vor. Dafür war er so dankbar, dass ich danach den besten Sex meines Lebens hatte!

WIE WAR ES, ALS SCHWULER MANN IN DER PIONIERZEIT VON MTV ON AIR ZU SEIN?

Es war natürlich überhaupt nicht einfach. Ich hatte das Gefühl, dass ich eine Rolle spielen muss, obwohl ich ansonsten offen damit umging. Es hat anderen aber auch Mut gemacht. Eine Frau aus einer schwedischen Kleinstadt sagte mir damals, ich hätte ihr Leben gerettet. Sie sei lesbisch, könnte sich aber nicht outen. Aber weil ich im Fernsehen war und ein erfolgreiches Leben lebte, war ich für sie ein Vorbild, wie man aus der Kleinstadt rauskommt.

DAS HEUTIGE MTV HAT MIT DEM VOM ANFANG DER 90ER NICHT VIEL GEMEINSAM ...

... weil wir damals kreativ alles machen konnten, was wir wollen. Wir konnten auch bestimmen, was auf die Playlist kam Hauptsache, es gefiel uns. Wir brachten so viel von unserer Persönlichkeit mit ein. MTV hat auch die Welt geöffnet: Wenn man in Griechenland wohnte und eine Band aus Schweden von MTV präsentiert bekam, war das cool. Ganz langsam fingen sie an, diese Freiheiten einzugrenzen und Regeln aufzustellen.

DASS JEMAND NACHRICHTEN AUS DEM ENTERTAINMENT-BEREICH VORTRÄGT, WAR DAMALS EIN NOVUM!

Absolut. Ich habe mich selbst aber nie zu ernst dabei genommen. Ich dachte immer: Was mache ich eigentlich hier? Als ich 1992 gemerkt habe, dass ich die Musik von MTV nicht mehr beeinflussen konnte, fing ich an, auch Themen wie die Wahlen in Europa, Aids und Drogen zu integrieren und Persönlichkeiten wie Gorbatschow oder den Dalai Lama zu interviewen.

*Interview: Katja Schwemmers

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