KINO: Mutti – Der Film

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Foto: J. Hartmann

Es ist eins, einen Film für ein fest zu umreißendes Zielpublikum zu drehen, mit hohem Budget, einem noch größeren Werbeetat, angereichert mit massenhaft „Just-in-Time-Stars“ und Einstellungen aus gerade populären Teenager-Komödien. Es ist eine andere Sache, wenn ein Team aus Bühnenkünstlern die Idee entwickelt, eingebettet in ein Bühnenprogramm, sein Publikum mit Videosequenzen zu unterhalten und diese Kurzfilme so gut ankommen, dass man sich entschließt tiefer in die Filmwelt einzutauchen.

Aus purem Idealismus, mit der Unterstützung von Freunden, ohne auf den schnellen Euro zu schielen. Spaß lautet die Botschaft, die in diesem Falle manchmal zotig, aber nie platt, die Zuschauer unterhält. Die Handlung bei „Mutti – der Film“ ist Trash, zweifelsohne (Die Tochter einer allein erziehenden Nymphomanin findet ein Gedanken lesendes Ohr, wird entführt und schließlich mit Hilfe der just gefundenen neuen Liebe der Mutter befreit), die Umsetzung dank der bühnengereiften Professionalität der Darsteller und der Mitwirkung des anerkannten Regisseurs Jörn Hartmann, besteht aber auch neben großen TV-Produktionen.

Geschrieben wurde die 2002 in Berlin produzierte Komödie von Ades Zabel (Mutti), Biggy van Blond (die Tochter), Klaus Purkart (Muttis neue Liebe) und Jörn Hartmann (Regisseur). In Gastrollen brillieren u.a. Meret Becker („Rossini“), Ulrike Folkerts („Tatort“), Bühnenstar Désirée Nick und Jens Hammer (Pornodarsteller). „Mutti – der Film“ lief mit großem Erfolg auf der Berlinale 2003 und kommt, vertrieben von GMfilms, im März in die Kinos deutscher Metropolen. Ein Gespräch.  

Foto: J. Hartmann

Mit was für Projekten wart ihr vor dem Film beschäftigt?

Klaus: Oh, mit allem möglichen, ich habe so ein Art Patchwork-Dasein geführt. Ich war Synchronsprecher, Radiomoderator und bis vor einigen Jahren Live-Vorführer im Planetarium München. In die Filmwelt habe ich mich so reingetastet, so habe ich bei einem AIDS-Spot mitgewirkt und bei Ades´ Bühnenshows mitgewirkt.

Jörn: Eigentlich bin ich Fotograf, habe dann angefangen für CAZZO Clips zu drehen, „Making-Ofs“ und dann eben „Mutti“. Zur Zeit habe ich das Angebot einen Spielfilm zu schneiden...

Wie kam es zur Film-Idee?

Biggy: Ich habe Ades vor zwei Jahren vorgeschlagen, Clips über unseres Rollenspiel zu drehen, um bei dem damaligen Bühnenprogramm von Ades „Mein Durchbruch!“ die Massen in den Pausen zu unterhalten... das hat uns und dem Publikum so viel Spaß gemacht, dass Ades noch im selben Jahr den Entschluss fasste, einen Spielfim zu drehen. Und jetzt wurde ein 1,5h-Film draus, der sogar auf der Berlinale läuft! Inspiriert wurden wir von „Blue Velvet“. Davon blieb aber nur das Ohr als Idee übrig.

Jörn: Der Film tendiert in Richtung Bockmayer-Produktionen...

Sind vier Drehbuchautoren drei zuviel?

Klaus: Allein konnte ich nicht produktiv schreiben. Also saßen wir oft zusammen vorm Computer und haben Ideen entwickelt.

Biggy: Rumgesponnen haben wir und schließlich alles wieder entsponnen!

Jörn: Wir haben im November 2001 begonnen, uns erst mal alle paar Wochen zu treffen, dann wurden die Abstände zwischen den Terminen kürzer. Viel Kaffee, viel Tee...

Biggy: Viel Kreativität! Und die Bereitwilligkeit Kompromisse einzugehen. Wir kommen privat sehr gut zusammen aus, das hilft ungemein.

Klaus: Hinter dem Film stehen wir alle. Ich bin 100% mit dem Film zufrieden.

Ades: Ich auch! Die Dialoge waren alle weitgehend vorformuliert, daher konnte man sich auch voll auf das Schauspiel konzentrieren.

Biggy: Anders als bei der Mini-Serie „Alle lieben Mutti“, die ohne Drehbuch gespielt wurde und oft nur aus Improvisation besteht. Was aber auch extrem lustig war.

Foto: J. Hartmann

Funktionierten alle Gags, die man sich ausgedacht hat im Film?

Ades: Nicht immer. Manche Witze waren sehr lustig beim Dreh, passten aber nicht in den Film. Und spontane Einfälle konnten beim Dreh auch oft eingebaut werden. Aber wir haben uns im Großen und Ganzen immer ans Drehbuch gehalten.

Jörn: Schließlich sollte die Geschichte durchaus Trash sein, aber nicht der Dreh!

Biggy: Eine Spielshow-Szene viel der Schere zum Opfer, obwohl sie beim Dreh ungemein spaßig war und ich währenddessen immer dachte „brillant!“

Soll der Film schockieren?

Jörn: Naja, manche Menschen sind ja schon schockiert, wenn ein Mann eine Frau spielt – und das tun Biggy und Ades ja. Aber es wird keine Scheiße gefressen oder gefickt wie bei „Alle lieben Mutti“.

Biggy: Wir durchbrechen diesmal nicht alle Grenzen des guten Geschmacks, schließlich muss es noch was im zweiten Teil geben!  

Jörn: Aber im Film gibt es Désirée Nick ungeschminkt!

Foto: M. Rädel

Ist der Standort Berlin ein Vorteil für den Dreh gewesen?

Ades: Ein großer Vorteil gegenüber anderen Städten ist, dass die meisten Schauspieler hier leben. Man kann schlecht von jemanden verlangen, dass er ohne bei einem Film mitmacht, keine Gage bekommt, aber noch die Anfahrt und das Hotel selbst bezahlen muss. Oder auf der Couch schläft. Dass wir auf der Berlinale laufen können liegt sicher auch mit daran, dass „Mutti“ ein Berliner Film ist.  

Im Film spielen viele Gasstars mit, sind das alle Freunde von euch?

Biggy: Ja –

Klaus: Außer Ulrike Folkerts, die hatten wir davor noch nicht gekannt.

Jörn: Ulrike hat aus Überzeugung mitgemacht. Sie meinte, dass es so wenig schwullesbische Berliner Filmemacher gibt, dass sie es auf jeden Fall unterstützen wolle.

Ades: Doch, ich kannte sie. Ich war mal mit ihr was trinken!

Ades, für viele bist du jetzt Mutti. Geht dir das auf die Nerven?

Ades: Nein. Klar, dass viele jetzt Mutti in mir sehen, aber eine Zeit lang war es Frau Höhne, dann Edith. Wenn sie clever genug sind, dann können sie das unterscheiden. Meine Freunde sowieso. Ich bin auf jeden fall facettenreicher, als nur Mutti...

Biggy: Aber du bist doch meine Mutti!

•Interview: Michael Rädel

www.adeszabel.de

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