Stefan Zéphyr Teske: „Fellini, Almodóvar, Waters oder Warhol“

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Bilder: Stefan Zéphyr Teske

Bild: Stefan Zéphyr Teske

Diesen Künstler, Dozenten und Designer entdeckten wir auf Instagram. Seine Kunst besticht aber auch im realen Leben. Ganz real war auch unser Chat mit dem Berliner.

Worauf legst du bei einem Bild wert? Bisher habe ich immer ausschließlich schwarz-weiß mit verschiedenen künstlerischen Medien gezeichnet. Erst in den Corona-Lockdowns habe ich begonnen, mich zum ersten Mal mit Farbe im Allgemeinen und Aquarell im Speziellen auseinanderzusetzen. Bei einem Bild lege ich besonders darauf Wert, den Ausdruck einzufangen und wiederzugeben. Dieser Ausdruck kann sowohl der des Modells sein, bezieht mich als Künstler aber auch mit ein. Das bedeutet, es fließt natürlich auch viel von mir und der Situation mit hinein. Ein Bild von mir ist also mehr als die bloße Wiedergabe eines Motivs. Es ist eher eine sehr persönliche Begegnung und ein intimer Moment mit einem Menschen. Eine Skizze in Schwarz-Weiß ist technisch toll und kann die Modellierung von Licht und Schatten sehr gut wiedergeben. Die Farbe hilft mir dabei, Emotionen stärker einzufangen. Im Gegensatz zu meinen früheren Skizzen versuche ich, meine Motive mittlerweile sehr viel schneller anzufertigen. Dabei muss ich auch entscheiden, was für mich wichtig ist und was ausreicht, nur angedeutet zu werden.



Männerporträts haben es dir besonders angetan, oder? Nun, ein Gesicht vereint auf kleiner Fläche sehr viel Emotionalität. Es ist interessant, wie man einen Menschen im Gesicht förmlich wie in einem Buch lesen kann. Selbst wenn ich innerhalb einer Zeichensession einen Menschen ohne Gespräch länger beobachte, bemerkt man kleinste Veränderungen, die sich fließend von einem zum anderen verändern können. Weil der Moment einer Skizze viel länger dauert als der kurze Augenblick eines Fotos, sind der Prozess der Entstehung und die Begegnung viel intimer. Es entstehen oft interessante Situationen, in denen durchaus auch mal eine gewisse erotische Spannung in der Luft liegen kann. Dass ich momentan Männerporträts anfertige, hat sich auch eher durch eine coronabedingte Notwendigkeit ergeben. Ich wollte unbedingt Menschen zeichnen, aber es gab keine Möglichkeit dazu, alles war geschlossen. Es gab keine Aktkurse, keine Begegnungen, nicht mal in einem Café konnte ich Menschen skizzieren. Erst habe ich Freunde und Familie gezeichnet, aber ich wollte mehr Vielfältigkeit und ganz verschiedene Typen einfangen. Also habe ich mit einer Art Projekt gestartet, daraus ist im Laufe der Zeit eine umfangreiche Serie aus Männerporträts entstanden. Ich habe einige der Skizzen in meinen Profilen veröffentlicht und einen passenden Profiltext verfasst. Ich wollte die Plattformen nutzen, um ganz unterschiedliche diverse Modelle zu zeichnen und meine Arbeiten einer interessierten Zielgruppe zu präsentieren. Ich wurde sehr oft wegen meiner Skizzen angeschrieben und auch häufig gefragt, ob ich den Absender auch zeichnen würde oder ob man diese kaufen kann. Dadurch haben sich dann während der Lockdowns private Zeichen-Sessions ergeben. Ich habe keine Vorgaben gemacht, jedes Modell sollte völlig freiwillig selbst entscheiden, wie weit die Komfortzone reicht. Es lag oft eine ganz tolle Spannung in der Luft. Für den einen war es eine Herausforderung, Modell zu sein, für den anderen war es reiner Spaß, und dann gab es welche, die auch von sich aus angeboten haben, komplett Akt zu machen. Später habe ich mich dann auf die Männerporträts festgelegt, weil ich dies als Serie spannend fand und weil ich mit dem Gedanken spielte, die Illustrationen in einer Galerie oder einem Magazin zu veröffentlichen. 

Bild: Stefan Zéphyr Teske

Wie hilfreich sind Social Media in deinem Beruf? Auf der einen Seite sind sie natürlich ein nützliches Werkzeug, um seine Arbeiten einem möglichen Publikum präsentieren zu können. Auf der anderen Seite sehe ich die automatischen Algorithmen und die Vorgaben von Social Media nach bestimmten länderspezifischen Moralvorstellungen auch als eine Art Zensur und Ausgrenzung für bestimmte Arten von Kunst. Ich verlasse mich ungern vollständig auf die Social-Media-Plattformen, einfach weil ich diesen nicht völlig vertraue. Plötzlich ändern sich über Nacht irgendwelche Bestimmungen und dein Post wurde gelöscht, verwarnt oder im schlimmsten Fall gehackt. Dann ist die ganze Arbeit dahin. Auch das Verbot von weiblichen Nippeln oder Ähnliches finde ich doppelmoralisch. Die großen Social-Media-Konzerne haben mittlerweile eine enorme Macht erreicht, das ist echt Wahnsinn. Ich habe oft das Gefühl der Fremdbestimmtheit. Meine Beobachtungen zeigen mir auch, dass die Übermacht von bestimmten Social-Media-Plattformen oft eher für eine langweilige Template-artige Gleichförmigkeit sorgen. Da ich mich nicht ganz auf Social Media verlasse, habe ich mir meine eigene Webseite aufgebaut, um meine Arbeiten und Inhalte meinem Publikum frei zugänglich zu machen und weniger fremdbestimmt zu werden. Und selbst da muss man immer verstehen und funktionieren, wie Google und Co es gerne möchten. Generell finde ich Social Media eher als ein praktisches Werkzeug ergänzend zu anderen Möglichkeiten. Aus diesem Grund freue ich mich umso mehr, einen kleinen Ausschnitt meiner Illustrationen bei euch zeigen zu dürfen.

Und der Standort Berlin? Ich arbeite in Berlin als Designer mit meinem Designstudio, wo ich Jacken, Mäntel und Accessoires aus original schottischem Harris Tweed, bayerischen Loden oder französischem Moiré anbiete. Als freier Künstler setze ich mich experimentell mit textilen Strukturen und Oberflächen auseinander. Im visuellen Bereich sind meine Arbeiten unter anderem die hier gezeigten Illustrationen. An der Hochschule für Gestaltung in Offenbach bin ich als Dozent beschäftigt. Der Standort Berlin ist sicherlich ein Vorteil. Hier finden viele nationale und internationale Veranstaltungen statt, es gibt ein großes Publikum. Ich habe das Gefühl, in Berlin sind die Menschen offener für alle möglichen Lebensentwürfe, Kunstrichtungen – und experimentierfreudiger. Auch die Klublandschaft mit den diversen Veranstaltungen und Partys ist sehr vielfältig, da lasse ich mich gerne mal durch die Nacht schweifen. Leider ist die Pandemie auch in Berlin nicht ganz spurlos vorbeigegangen und hat einige Orte und Räume verschwinden lassen. Gleichzeitig bietet dies auch die Chance für ganz neue zeitgemäße Konzepte. Berlin bleibt also in gewissem Maße weiterhin spannend. Vielleicht führen die Publikation und das Interview bei euch über mich und meine Illustrationen auch zu weiteren Interessenten oder Publikationen. Das wäre doch gleich eine klare Verbindung aus Standortvorteil Berlin und Veröffentlichung durch euch.

Was inspiriert dich? Mich inspirieren Charaktere. Reine Beautys sind zwar nice, aber für meinen Geschmack oft etwas zu glatt oder gleichförmig. Mich reizt eine gewisse „Textur“, die es spannend macht, berührt zu werden. Ich beobachte gerne Menschen in diversen Situationen oder an ungewöhnlichen Orten. Filme sind sehr inspirierend für mich – ganz besonders Fellini, Almodóvar, Waters oder Warhol schaue ich mir immer gerne an. Diese Regisseure schaffen visuelle Feuerwerke, die mich fesseln, und kreieren Charaktere fernab vom Mainstream. Ich denke, ich bin auch von der analogen Machart der Filme fasziniert, die alles andere als glatt und gleichförmig sind und vielfältige „Texturen“ aufweisen.

*Interview: Michael Rädel

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