Tizian Baldinger: „Nichts Konkretes!“

by

Ungewöhnliche Kunst mit Leuchtstoffröhren, Tierfellen und Performance – die Kunst von Tizian Baldinger war schon in China und auch in der Affenfaust Galerie in Hamburg zu erleben. Und natürlich in der Schweiz, wo er einst mit Techno-Events für Furore sorgte. Wir trafen den aus der Schweiz stammenden Künstler in seinem Berliner Atelier.

Wie war dein künstlerischer Werdegang?

Oh, hast du Zeit? Ursprünglich habe ich Informatik gelernt, was ich eigentlich gar nicht wollte. Früher hatte ich nie einen Computer gesehen, erst Ende der 1990er kam ich in Kontakt. (lacht) Dann habe ich zehn Jahre IT gemacht und hatte dann das große Bedürfnis, Kunst zu machen. Ich war ganz sicher, dass mich die Kunstschule in Zürich nimmt. Habe meine Wohnung gekündigt, den Job geschmissen und bin nach Zürich. Und dann wurde ich abgelehnt. Dann hatte ich nichts mehr, aber das Bedürfnis, etwas Neues zu machen. Ich dachte mir: Fickt euch, ich gründe meine eigene Kunstschule. Habe eine Abrissliegenschaft außerhalb von Zürich gemietet und all meine Freunde kontaktiert, um eine Künstlerkommune zu gründen: Bleifrei. Das Geld war ziemlich schnell weg. Und dann habe ich begonnen, Technopartys zu organisieren, das schlug ein wie eine Bombe. Bei der letzten Party hatten wir Booka Shade. Die waren sauteuer, aber die Party war so erfolgreich, dass wir das bezahlen konnten. (lacht) Von Spaghetti und Soße aus der Dose zu so einem Act ...

Verbinden dich die Leute dann dort eher mit Techno?

Nein, die Kunst lag im Fokus bei Bleifrei, einer ehemaligen Tankstelle. Die Technopartys, die alle zwei Monate stattfanden, hatten aufwendige Kunstinstallationen, es ging nicht nur um Musik. 2013 haben wir dann damit aufgehört, weil die Liegenschaft abgerissen werden sollte. Später bin ich dann nach Zürich gezogen, und 2016 versuchte ich es ein letztes Mal an der Kunstschule dort. Wurde jedoch wieder abgelehnt. Inzwischen hatte ich jedoch bereits einen Studienplatz in Hamburg.

Und wann warst du in China?

2012 hatte ich das Studium in Hamburg angetreten, bin aber nach einem Monat zurück in die Schweiz, bis ich im Oktober 2016 dann das Studium richtig angetreten habe. Zwei Monate lebte ich 2015 in einem Kiosk in einem ziemlich schicken Viertel in Zürich, geduscht habe ich im Kioskeingang und schlief im Schaufenster. (lacht) Dann bin ich wieder nach Hamburg und habe mein Studium angetreten. Anselm Reyle gab mir die Möglichkeit, bei ihm in der Klasse zu studieren. Ende des Jahres lernte ich in meiner Klasse eine chinesische Künstlerin kennen. Ihr Drang, Erfolg zu haben, faszinierte mich. Unsere Schule bot dann Auslandssemester an, unter anderem LA und China. Ich hatte mich für die USA beworben, ein Kindheitstraum, bekam aber den alternativen Ort China. Die dortige Kunstschule lud vorab internationale Künstler ein, dort auszustellen, dort machte ich mit, zusammen mit meiner Freundin. Die Schule stellte mir ein Visum für fünf Wochen aus, so konnten wir auch ihre Familie besuchen und das Land kennenlernen. Meine Kunst wurde auch ausgestellt, ich bin mir unsicher, ob sie in China so aufgenommen wurde, wie sie gedacht ist, da in China Licht an Hausfassaden, Werbung etc. omnipräsent sind. Chinesische Künstler sind Maschinen, die PERFEKT zeichnen und malen – auch alte Meister nachmalen. Und ich kann gar nicht zeichnen! Trotzdem hingen dort auch meine Skizzen, die eigentlich nur dazu gedacht sind, zu zeigen, wie die Performance gedacht ist. Danach folgte mein Auslandssemester.

Foto: Janto Djassi

Wie kamst du in Kontakt mit der Affenfaust Galerie?

Wir waren spazieren in Hamburg und wir stießen auf die damals gerade frisch eröffnete Galerie und kamen ins Gespräch. Wir verstehen uns super, wir haben schon viele gemeinsame Projekte realisiert und ich habe dort auch schon drei große Einzelausstellungen gehabt. Schon beim ersten (Zufalls-)Treffen kam eine Reporterin vorbei, und da einer der drei Gründer im Urlaub war, sprang ich für das Foto für ihn ein. Wir trugen alle drei Affenmasken, so fiel das nicht auf.

Was planst du gerade?

Nichts Konkretes! Früher habe ich für Ausstellungen produziert, jetzt mache ich Kunst ohne Ausstellungstermin. Aber demnächst steht eine Ausstellung in Leipzig an.

*Interview: Michael Rädel

www.tizianbaldinger.com

Back to topbutton