Modenschau, Musical und Kabarett

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Foto: Mark Senior

Was genau ist Jean Paul Gaultiers „Fashion Freak Show“ eigentlich? Am ehesten lässt sie sich wohl als einen Mix aus Autobiografie, Modenschau, Musical und Kabarett beschreiben. Mal geht es in Richtung Grell-Provokant, ebenso gibt es jedoch nachdenkliche Momente.

Auf jeden Fall wird bei der Deutschlandpremiere dieses Spektakels am 20. Juli in der Münchener Isarphilharmonie einiges geboten: Tänzer, Schauspieler, Artisten, zahlreiche Kostüme – teils neu entworfen, teils Klassiker. So machen die Zuschauer eine Reise durch 50 Jahre Mode, durch Underground- und Popkultur. Musikalisch untermalt wird das Ganze mit Hits aus den verschiedenen Dekaden. Eine androgyne Frau singt zum Beispiel etwas von David Bowie.

Foto: Mark Senior

All das liefert den Beweis dafür: Letztlich sind wir doch alle Freaks. Jean Paul Gaultier feiert Diversität, das hat er immer schon getan. Auch auf dem Laufsteg. Wenn er Models gecastet hat, entsprachen sie nicht unbedingt den gängigen Schönheitsidealen. Der Franzose schickte Männer und Frauen, manchmal durchaus älter, mit ganz unterschiedlichen Körpern, Haut- oder Haarfarben über den Runway. Einige waren gepierct, andere tätowiert. Der Modedesigner hatte nämlich keine Scheu, Vielfalt zu zeigen und das Außenseitertum zu zelebrieren. Deshalb wurde ihm recht schnell der Stempel Enfant Terrible aufgedrückt.

Das hat den 71-Jährigen nie gestört, im Gegenteil. Also schöpft er in der „Fashion Freak Show“ aus dem Vollen. Er lässt seinen Teddy Nana im Kegel-BH auftreten, den Madonna in den Achtzigerjahren unsterblich gemacht hat. Kein Wunder: Ursprünglich hatte Jean Paul Gaultier dieses Kleidungsstück tatsächlich für sein Stofftier kreiert – Nana war sein erstes Model. Eine prägende Erfahrung. Genau wie ein Fernsehabend mit seiner Großmutter, als er neun Jahre jung war. Damals sah er zum ersten Mal eine Folies-Bergère-Premiere. Sie säte den Gedanken, eines Tages vielleicht eine eigene Revue zu konzipieren. In der taucht nun sogar Josephine Baker, einst ein Star im Pariser Folies Bergère, in ihrem berühmten Bananenröckchen auf. Als Symbol für das Anderssein.

Weiter magische Momente bieten die Outfits. Ob Röcke für Männer, Marinestreifen oder Matrosenelemente, nichts fehlt in der „Fashion Freak Show“, die 2019 im Folies Bergère uraufgeführt wurde. Schließlich galten all diese längst legendär gewordenen Entwürfe seinerzeit als Statements für jene, die nicht wie der Durchschnitt waren beziehungsweise sein wollten. Was sie besonders schätzten: Schon immer hat Jean Paul Gaultier bewusst Tabus gebrochen. Etwa mit seiner Frühjahrskollektion von 1997. Er widmete sie dem Kampf gegen Rassismus.

So ungewöhnlich seine Ideen waren: Er hat nie eine Ausbildung zum Modedesigner gemacht. 1970 engagierte ihn Pierre Cardin als Assistenten, weil ihn Jean Paul Gaultiers Zeichnungen beeindruckt hatten. Ab 1971 assistierte er im Haus Jean Patou dem Chefdesigner Michel Goma, 1976 präsentierte er seine erste eigene Kollektion. Zwei Jahre später gründete er sein Label Jean Paul Gaultier. Er entwarf Kostüme für einige Filme, darunter Luc Bessons „Das fünfte Element“. Immer wieder stattete er Musiker mit Bühnenoutfits aus. Kylie Minogue trug 2008 auf ihrer „X Tour“ seine Kreationen. 2020 zog sich Jean Paul Gaultier offiziell aus der Modewelt zurück. Sein Team führt die Marke Jean Paul Gaultier aber weiter. *Dagmar Leischow

Die „Fashion Freak Show“ läuft vom 20. bis 27. Juli, jeweils 20 Uhr, in der Isarphilharmonie in München. Weitere Informationen unter www.semmel.de

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