2raumwohnung: „Da musste noch Alien in den Schlager“

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Inga Humpe und Tommi Eckart melden sich zurück. Das Doppelalbum klingt nach 2raumwohnung, wie die Fans sie lieben, aber die Plattenfirmen sie zuletzt scheinbar zu elektronisch verspielt fanden. Über das Konzept und die Entstehung von „Nacht und Tag“ sprachen wir mit den beiden in Berlin.

Foto: Astrid Grosser

Warum eine so lange Pause?

Tommi: Das letzte Album hat ehrlicherweise auch schon so lange gedauert. Es lagen vier Jahre dazwischen, von denen man ja zwei noch auf Tour war. Natürlich könnte man ein Album in neun oder zwölf Monaten runtertackern, aber wir sind beide Studiomenschen, denen diese Arbeit einfach Spaß macht.

Wann kam die Idee, jedes Lied in zwei Versionen zu produzieren?

Tommi: Mittendrin. Wir haben an einem Stück für einen Film gearbeitet, wo es darum ging, vom Klub in den Tag zu gehen. Wir haben also den Track als Klubnummer begonnen und dann den gleichen Song in ein Gitarrenstück gemorpht. Das hat uns so gut gefallen, dass wir das mit allen Stücken ausprobieren wollten. Aus der Filmmusik wurde nichts, aber die Idee ist geblieben.

Foto: Astrid Grosser

Wie viel war schon fertig? Und wie klang es bis dahin?

Inga: Wir waren schon recht weit und wollten eigentlich ein typisches Pop-Album. Mit klubbigerem Fokus.

Also war die Nachtseite präsenter?

Inga: Schon, aber nicht so durchgängig. Als wir es in die beiden Seiten getrennt haben, sind Tracks auf der Nachtseite noch klubbiger geworden. Erst wollten wir die Tagseite akustisch halten, aber davon sind wir abgekommen, weil es schade gewesen wäre, sich ein Rhythmusboxverbot zu geben.

Die Tagseite ist keine richtige Chill-out-Platte?

Tommi: Nein. Und es ist kein zweites Bossa-nova-Album. Es spielt mit anderen Grooves, die zwar ruhiger, aber nicht unbedingt nicht tanzbar wären.

Die Nacht klingt dafür sehr ausgefeilt tanzbar.

Tommi: Wir konnten durch die Trennung entschlossener an Bass Lines und Rhythmen arbeiten. Wir mussten weniger Kompromisse machen, die man sonst auf einem Pop-Album machen muss. Dadurch entstehen andere Spannungsbögen. Ja.

Foto: Astrid Grosser

Das letzte Album war „mainstreamiger“ ...

Inga: Das muss man ehrlich so sagen. Universal war für „Achtung Fertig“ unser Partner, der uns unbedingt haben wollte und lange um uns geworben hat – und sicherlich mit uns zusammen kommerziellen Erfolg haben wollte. Es war schon befreiend, als wir uns entschlossen haben, es nicht noch einmal so zu machen. Zu sagen, wir legen die Kriterien fest und die lauten nicht „ein Hit, ein Hit, ein Hit.“ Eigentlich sogar das Gegenteil: Wir wollten mit der Musik nachhaltiger umgehen. Dass man so ein Album auch mal länger hören kann, es nicht so reinschlingt und verdaut, sondern es kennenlernt und vielleicht den einen Teil gerne zum Ausgehen hört, den anderen zum Lunch.

Wie wichtig ist die Klubszene für euch selbst noch?

Tommi: Popmusik ist meistens von einer Szene inspiriert. Die Toten Hosen sind von Punk inspiriert, trotzdem würde man sie heutzutage nicht mehr als Punkband bezeichnen. Und so sind wir auch kein Klubact mehr, aber hören immer noch hin und entdecken immer noch neue Sachen, die uns gefallen

„Ich bin die Bass Drum“ ist irgendwie trotzdem hitverdächtig und klingt nach „Ich und Elaine“ oder „Sexy Girl“. Sucht ihr danach?

Inga (lacht): Seltsamerweise ist der Song gar nicht so entstanden. Ein Freund, Achim Hagemann von den Popolskis, kam da drauf, als wir eher rumhingen.

Tommi (lacht): „Sing doch mal was Vernünftiges. Zum Beispiel: Ich bin die Bass Drum“, hat er gesagt.

Inga: Wir fanden das so lustig, dass wir es dann einfach gemacht haben. Und als es fertig war, ist mir aufgefallen, dass es in diese Richtung geht und irgendwie nach „Ich und Elaine“ klingt.

Ihr spielt bei den Texten mit englischer und deutscher Sprache. Warum?

Inga: Ganz ehrlich: Ich wollte das schon lange machen. Es gibt so eine Inflation von deutschsprachiger Musik, sei es Deutschpop oder dieser Schlagerpop. Ich war ein wenig müde, diese dadurch abgenutzten Begriffe wieder zu verwenden.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Dieter Meier von Yello?

Tommi: Wir hatten dieses Lied mit den französischen Textpassagen. Und wir meinten beide, das müsse mal von einer anderen Stimme gesungen werden.

Inga: Ich hab ihn angerufen oder eine Mail geschrieben – so genau weiß ich es gar nicht mehr. Er hat sich gemeldet und zugesagt, beim nächsten Berlinbesuch im Studio vorbeizukommen.

Tommi: Ich bin schon seit 1979 großer Yello-Fan. Ich habe damals für ein Fanzine über die beiden geschrieben, über die Maxi-Single „IT Splash“, die noch vor „Solid Pleasure“ rauskam. Das ist jetzt fast vierzig Jahre her und insofern eine tolle Sache, wenn sich so ein musikalischer Bogen für einen selbst schließt.

Inga: Dieter und ich hatten uns ewig nicht gesehen. Er hat mir dann erzählt, dass „Ich und Elaine“ bei ihm zu Hause lange Zeit eine Art Nationalhymne war, weil Frau und Töchter das Lied dauernd gesungen haben. Das war schon einfach schön.

Foto: Astrid Grosser

Überhaupt hört man mehr Einflüsse deutscher Musik der Technogründerjahre wie sogar Kraftwerk.

Tommi: Das liegt wirklich an unserer Liebe zur Elektronik. „Energie Multimillionär“ war zum Beispiel schon fertig als vierter elektronischer Track, und wir haben ihn komplett neu aufgenommen, weil die Idee der verschiedenen Soundwelten leicht einknickte in der Originalversion. Wir haben dann diesen „LCD-Soundsystem-Can-Krautrock“-Aspekt ganz absichtlich gewählt.

Inga: Man muss doch ein wenig die Tradition wahren. Deutsche Musik im Ausland identifiziert sich bis heute über Schlagworte wie Kraftwerk und Krautrock.

Tommi: Der Prophet gilt im eigenen Lande ja meist nichts, und in Amerika stehen die schwarzen Jungs halt immer noch mit Can-T-Shirts rum. Insofern ...

Und dann sogar noch Vocoder in „Das Herz irrt nie“ ...

Inga: … Ich wollte das etwas verfremdeter-modern. Da musste einfach noch ein bisschen Alien in den Schlager rein … (lacht)

... und in die Tagversion natürlich Herzklopfen!

Inga: Da hat sich Tommi durchgesetzt.

Tommi: Das musste einfach sein! (lacht)

*Interview: Christian Knuth

www.2raumwohnung.de

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