„ICH LIEBE DAS SPIEL MIT DEN GESCHLECHTERN“

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Billy Corgan, Sänger der Smashing Pumpkins, ist in Plauderlaune. In den Neunzigern prägte der Sound seiner Band eine ganze Generation. Mit „Monuments To An Elegy“ hat er gerade ein neues Album veröffentlicht, das die Bandbreite von harten Gitarrenriffs bis Electronica abdeckt.

BILLY, DIESES INTERVIEW IST FÜR EIN SCHWULES MAGAZIN.

Ich bin nicht schwul, ist das trotzdem o. k.?

KLAR, ABER MAN FRAGT SICH, WARUM EIGENTLICH NICHT!

(lacht) Weil ich Frauen zu sehr liebe. Aber, ich werde schon mein ganzes Leben gefragt, ob ich schwul bin. Wegen meiner femininen Seite. Ist auch o. k. Da, wo ich aufgewachsen bin, waren alle sehr tough, da gab es fast nur das klassische Stereotyp maskuliner Männer. Ich hatte einen Onkel, der war der schlimmste Rassist von allen.

HATTEST DU SCHON ALS KIND DAS GEFÜHL, DASS DAS NICHT O. K. IST?

Klar. Mein Vater war ja das genaue Gegenteil. Er war Musiker und spielte ausschließlich mit afro- und lateinamerikanischen Leuten. Er wollte mit Soul- und R ’n’ B-Musikern auftreten, nicht mit weißen Männern. Das war das Klima bei uns zu Hause. Ich habe keine Hautfarben gesehen, sondern nur Menschen. Man musste mir Rassismus nicht erklären, ich wusste auch so, wie dumm das ist.

WIE BIST DU MIT SCHWULEN IN BERÜHRUNG GEKOMMEN?

Bevor die LGBT-Kultur in Amerika Mainstream wurde, gab es ja nicht mal im Fernsehen schwule Charaktere. Die Gay-Kultur fand fast ausschließlich in den Clubs statt. Der Barkeeper meiner Stammdisco in Chicago war schwul. Die besten Freunde meiner damaligen Freundin waren schwul und oft bei uns zu Gast. Für mich war das Alltag. Heute bin ich aber auch manchmal kritisch. Ich finde es an keiner Kultur gut, und das schließt Schwule ein, wenn sie sich zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Ich habe das Gefühl, dass die Gay-Community gerade ein bisschen um sich selbst kreist.

WORAN MACHST DU DAS FEST?

In Amerika gibt es die große Debatte um gleichgeschlechtliche Ehen. Ich würde es für das Beste halten, wenn dies einfach gesetzlich verankert würde, sodass alle gleichbehandelt würden, und aus. Wenn du einer homophoben oder rassistischen Person vorschreibst, was sie zu akzeptieren hat, verhärtet das eher die Fronten, als wenn man sie bittet, Menschen einfach fair zu behandeln.

DICH HAT MAN AUCH MAL ALS HOMOPHOB BEZEICHNET UND DIR TRANSPHOBIE VORGEWORFEN, WEIL DIR AUF DER BÜHNE SCHLIMME WÖRTER RAUSGERUTSCHT SIND.

Da geht’s viel um Political Correctness. Du darfst bestimmte Worte in Amerika nicht mehr in den Mund nehmen oder nur noch bestimmte Leute dürfen bestimmte Worte sagen und auch nur zu bestimmten Anlässen. Wenn du als Weißer das N-Wort benutzt, bist du ein Rassist. Ein Schwarzer indes nicht. So weit, so gut. Für mich ist aber Sprache nicht nur eine Waffe der Verteidigung, sondern auch eine Waffe der Enttarnung. Worte können jemanden verletzten, ich habe damit verletzt, ich wurde damit verletzt. Aber die Auseinandersetzung mit einzelnen Worten ist der falsche Weg.

WIE MEINST DU DAS?

Ich habe schon negative Äußerungen über meine Regierung, meine Band und mich selbst und andere abgegeben. Man könnte daraus schließen, ich würde Amerika hassen, den Rock ’n’ Roll und Courtney Love. Aber am Ende des Tages bedeutet das alles gar nichts, wenn es nicht dein Handeln bestimmt. Es ist nur Sprache. Mich haben sie fett, weiß und verbittert genannt. Aber das bedeutet nichts. Früher hieß es immer: „I am not a racist, I hate everybody. I am not a homophobe, I hate everybody.“ Das würde ich schon eher auf meinen Fall anwenden.

DIE SMASHING PUMPKINS HATTEN IMMER AUCH THEATRALISCHE ELEMENTE – MAN DENKE NUR AN EUER VIDEO ZU „TONIGHT, TONIGHT“ – UND DU SCHREIBST JA AUCH MUSICALS. HAT SCHWULE KULTUR EINFLUSS AUF DEINE ARBEIT?

Schwer zu sagen. Wenn ich die Arbeiten von jemandem mag – im Theater oder im Filmbereich – ist mein erster Gedanke nicht: Ist die Person jetzt schwul oder Puerto-Ricaner? Ich sehe nur das Individuum. Mich interessiert nur Talent. Für mich sind die meisten talentierten Menschen Humanisten, und dadurch bringen sie eine interessante Perspektive mit in ihre Arbeit. Hipster-Kultur tendiert eher zur Oberschicht. In meinem Fall war es aber die Perspektive der weißen Mittel- und Unterschicht, die ich in den Mainstream einführte. Das wurde in den Neunzigern als ähnlich ordinär angesehen wie die Trailer-Park-Kultur von Eminem. Deshalb haben die Pumpkins oft nicht die beste Presse gehabt.

UND DAS HEISST?

Ich bin nicht in einem besonders aufgeschlossenen Umfeld aufgewachsen. Das galt für jede Art von Sex und natürlich auch für Homosexualität, Crossdresser, Transsexuelle oder Polyamoröse. Da half erst die expressive Künstlerszene, die mich umgab. Ich habe jede Menge Crossdressing auf der Bühne präsentiert, weil es die Fantasie des Publikums anregt. Einige Leute mochten es, andere hat es wütend gemacht, besonders Männer. So kleide ich mich zwar nicht im Alltag, aber auf der Bühne liebe ich das Spiel mit den Geschlechtern. Vielleicht bin ich also doch mehr von schwuler Kultur beeinflusst, als ich bisher angenommen habe.

•Interview: Katja Schwemmers

CD: SMASHING PUMPKINS „MONUMENTS TO AN ELEGY“ (BMG RIGHTS/ROUGH TRADE)

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