Beth Ditto: Die Wuchtbrumme ist zurück!

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Foto: Sony Music

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Fünf Jahre ist das letzte Gossip-Album schon her. Frontfrau und Stil-Ikone Beth Ditto (36) verdingte sich zwischenzeitlich als Modedesignerin und hat in der Musikszene schmerzlich gefehlt, denn natürlich ist die wuchtige Sängerin mit der Mega-Stimme durch niemanden zu ersetzen! Bevor die Welt noch weiter aus den Fugen gerät, gibt sie uns mit „Fake Sugar“ ihr erstes Soloalbum an die Hand. Und wie das bei Zucker so üblich ist, ist auch hier der Suchtfaktor groß. Willkommen zurück, Beth Ditto!

Beth, wie fühlst du dich, nun als Solo-Künstlerin unterwegs zu sein? Erwachsener und echt gut. Aber so viel hat sich für mich gar nicht geändert. Ich habe auch bei Gossip die meiste Zeit in Interviews geredet. Was mir allerdings fehlt, sind die Insider-Witze, die ich mit den anderen seit Jahren hatte und die man nun mal nicht mit jedem teilen kann.

Warum haben sich Gossip überhaupt aufgelöst? Unser Gitarrist Nathan zog zurück nach Arkansas. Das ist superweit weg von Portland, wo ich heute wohne, und es schien irgendwie unmöglich, Treffen zu arrangieren. Ich hatte auch keine Lust, wieder länger dort abzuhängen, wo ich aufgewachsen bin. Es hat ja Gründe, warum ich nicht mehr in Arkansas lebe. Irgendwie hat es nicht mehr funktioniert.

Und dann hast du deine eigene Platte aufgenommen? Ich habe mich zwei Jahre wirklich bemüht, ein neues Gossip-Album zu machen. Da war auch viel Druck. Doch die Songs, die dabei rauskamen, waren so anders. Bei Nathan klang alles immer cool, darin war er echt gut. Ich heulte rum, dass ich keine guten Lieder mehr schreiben kann. Bis andere mir sagten: „Die Songs sind gut, es sind nur keine Gossip-Songs mehr.“ Ich fühlte mich lange Zeit schlecht deswegen, aber ich hatte so lange auf Nathan gewartet. Und Gossip waren so auch nicht länger tragbar.

In dem Video zu „Fire“ siehst du in deinem Anzug aus wie die weibliche Version von Elvis Presley. Ja, wie der fette Elvis! Das ist die Elvis-Phase, die ich eh am interessantesten finde. Wobei die eigentliche Inspiration für das Video war, das Aussehen und die Attitüde von Dolly Parton mit den Anzügen von Gram Parsons und dem Make-up von PJ Harvey zu verbinden. Ich wollte es glamourös haben.

Foto: Mary McCartney

Du bist in den Südstaaten der USA aufgewachsen. Lebst du diese Seite in deinen neuen Powerpop-Songs aus? Die Country- und Blues-Einflüsse sind ja unüberhörbar.

Diese Seite an mir gab es schon immer. Aber es stimmt, das Album ist eine Reise zu meinen Wurzeln. Country und Hip-Hop ist die Musik, die ich schon früher am meisten geliebt habe. Wenn ich morgens aufstehe und mir einen Kaffee mache, höre ich auch heute noch am liebsten Patsy Klein. Das bringt mich gut drauf und lässt mich zu Hause fühlen.

War als Kind schon viel Musik um dich rum?

Oh ja. Meine Mum war für den Rock ’n’ Roll in unserem Haushalt zuständig, mein Dad liebte Country und Disco. Er hat mich immer in die Honky-Tonks mitgeschleppt. Das sah dann so ähnlich aus wie im Clip zu „Fire“. Es war toll, aber der Süden der USA ist leider auch schrecklich konservativ geprägt. Ich bin lange Zeit vor all dem weggelaufen, in meinen Zwanzigern versuchte ich regelrecht, darüber hinwegzukommen. Aber diesmal wollte ich die Vergangenheit umarmen. Ich habe meinen Frieden damit gemacht.

Du hast sechs Geschwister. Wie haben die eigentlich reagiert, als ihre feministische, lesbische Schwester in Spandex-Höschen den Durchbruch als Sängerin schaffte? Die waren nicht überrascht, dass es so gekommen ist. Dass ich lesbisch bin und mit meiner Meinung nicht hinterm Berg halte, wussten eh alle. Familien aus den Südstaaten halten zusammen und sind sehr herzlich miteinander.

Im Sommer 2013 hast du deiner langjährigen Freundin Kristin Ogata auf Hawaii das Jawort gegeben. Hast du dir die Ehe so vorgestellt?

 Mittlerweile sind wir in der Normalität angekommen, aber die ersten zwei Jahre waren echt hart. Ich habe mich darüber erst kürzlich mit einem schwulen Mann ausgetauscht. Bei dem war es genauso. Das hat mich etwas beruhigt.

Was war denn so hart? Kristin und ich mussten uns noch mal neu kennenlernen. Der große Unterschied ist, dass wir vorher nicht unter einem Dach gewohnt haben. Wir haben uns als Ehefrauen überhaupt nicht respektiert: ich sie nicht, sie mich nicht. Wir respektierten uns eher wie Freunde, die man als selbstverständlich betrachtet. Doch seinen Partner sollte man anders behandeln als einen Freund.

Jetzt erklärt sich auch, warum auf der Platte so viel Herzschmerz ist. Ja, man könnte fast meinen, ich wäre schon wieder getrennt, oder? Die Arbeit an dem Album erstreckte sich über mehrere Jahre. Ich glaube, der Trennungsgedanke geisterte zeitweise durch meinen Kopf. Es gibt einen Song, der heißt „In And Out“. Darin geht es genau darum – sich in eine Beziehung zu begeben, aber von der Liebe auch immer wieder Abstand zu nehmen. So ist das in einer Ehe.

Ihr habt dann sogar am 31. Dezember 2014 ein zweites Mal geheiratet, kurz nachdem im US-Bundesstaat Oregon gleichgeschlechtliche Ehen legalisiert wurden. War dir das als Statement wichtig? Ich würde mir das Statement ja gerne auf die Fahne schreiben. Aber ehrlich gesagt, ging es mir nicht um ein Statement. Ich wollte einfach heiraten und es amtlich machen. Heiraten war immer schon ein großer Wunsch von mir. Vielleicht würde man das so nicht vermuten, weil es viele Seiten an mir gibt, die so gar nicht traditionell sind. Aber es gibt eben auch die andere Beth, die fast schon lächerlich traditionell ist.

Und das äußert sich wie? Ach, es fängt schon mit der Art an, wie ich Weihnachten zelebriere. Ich glaube zwar nicht an Gott, aber an Weihnachtsbäume, Geschenke und jede Menge Schokolade.

*Interview: Katja Schwemmers

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