Birdy: Bittersüß

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Die Engländerin mit den schönen Piano-Popsongs wie „People Help The People“ ist nach fünf Jahren und einer kleinen Lebens- und Liebeskrise zurück – mit dem an Melancholie wie Melodie reichen vierten Album „Young Heart“.

Jasmine Lucilla Elizabeth Jennifer van den Bogaerde, kurz Birdy, bibbert. Am Vortag erst ist die Pop-Singer/Songwriterin von einem ausgedehnten Aufenthalt in ihrem Elternhaus im südenglischen New Forest bei Southampton in ihre Wohnung im Stadtteil Notting Hill zurückgekehrt, und schon gibt es Ärger: In London flockt ausnahmsweise ein wenig Schnee und in Birdys Butze ist die Heizung ausgefallen:

„Eigentlich sollte der Techniker schon vor einer Stunde gekommen sein. Ich muss wohl noch mal dort anrufen“, echauffiert sich die 24-Jährige, angesichts der Umstände durchaus noch recht mild. „Dann gehe ich so lange einkaufen, denn der Kühlschrank funktioniert zwar, ist aber leer.“ Birdy hat die Pandemie weitgehend bei der Familie ausgesessen, mitten in der Natur und nicht weit entfernt vom Meer. Das neue Album „Young Heart“ ist schon seit geraumer Zeit fertig und so widmete sich die Künstlerin zuletzt vorwiegend der Malerei und dem Müßiggang.

Die Kontemplation hat sich die überwiegend am Piano komponierende Künstlerin auch verdient: Im zarten Alter von 14 Jahren gelang Birdy mit einer sehr hübschen Version von Bon Ivers „Skinny Love“ der internationale Erfolgsdurchbruch – „und in all den Jahren danach hatte ich kaum je eine wirkliche Pause vom Musikgeschäft“. Auch gab es da vor einigen Jahren diese nicht so schöne Trennung, die Birdy nicht nur ziemlich mitgenommen, sondern ihr auch den Stoff für „Young Heart“ geliefert hat:

„Wenn ich in sehr starken emotionalen Turbulenzen stecke, dann kann ich mich nicht sofort hinsetzen und darüber schreiben. Ich brauche immer einen gewissen Abstand, um alles zu verarbeiten und mich dann ans Piano zu setzen und die Schleusen zu öffnen.“

Das Ende der bisher größten Liebe ihres noch jungen Lebens verarbeitete Birdy in aller Intensität. In der aktuellen, melodisch mitreißenden Single „Surrender“ versucht sie zu verstehen, was schiefgelaufen ist, und im Titelsong, Birdys Lieblingsstück der Platte, räumt sie ein, ihren Ex-Freund trotzdem noch zu lieben.

„Der Song ist sehr bittersüß. Eigentlich ist das ganze Album sehr bittersüß. Man kann den anderen bewusst zurücklassen und ihn dennoch furchtbar vermissen. Nicht jeder Konflikt lässt sich einfach so auflösen.“ Zum Schreiben der neuen Lieder, die im Vergleich zu den Songs ihres letzten, recht knallig und plakativ-poppigen Albums „Beautiful Lies“ deutlich zurückhaltender, roher und intimer klingen (und in ihrer melancholischen Verletzlichkeit ein wenig an die zwei jüngsten Taylor-Swift-Alben erinnern), begab sich Birdy mehrmals nach Los Angeles. In ihrem Quartier – einem alten Haus in der etwas abgelegenen, aber doch nur zwanzig Autominuten vom Meer entfernten Hippie-Enklave Topanga Canyon – hörte Birdy sehr viel Joni Mitchell, was auf „Young Heart“ einen ebenso unüberhörbaren wie angenehmen Einfluss ausgeübt hat.

Dass mit „Loneliness“ und „Deepest Lonely“ auf dem neuen Album gleich zwei Songs über die Einsamkeit zu finden sind, könnte Anlass zur Sorge um dieses junge Herz geben, muss es aber nicht: „Das sind eher Liebeslieder an die Einsamkeit. Ich bin gerne allein und genieße es, in fremden, exotischen Städten umher zu driften und manchmal ein bisschen verloren zu gehen.“ *Steffen Rüth

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