Boy George & Culture Club: Große Emotionen

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Foto: Rankin

Wer hätte das gedacht? „Life“ heißt das Comeback-Album der Achtziger-Helden Culture Club („Karma Chameleon“, „Do You Really Want To Hurt Me?“), und tatsächlich steckt noch ordentlich Leben in der notorisch streitenden – und momentan friedlich koexistierenden – Truppe. Wir unterhielten uns mit Boy George.

Es gibt Künstler, denen muss man jedes Wort förmlich rauspressen, und es gibt Boy George. Den braucht man allenfalls leicht anzustupsen, eigentlich ist nicht einmal das nötig, und schon beginnt er zu erzählen. Zum Beispiel über „Let Somebody Love You“, die sehr angenehm melodische und gut gelaunt klingende Single aus „Life“, dem ersten Album von Boy George und seinem Culture Club seit „Don’t Mind If I Do“ aus dem Jahre 1999. Das Lied handelt nämlich von Selbstakzeptanz, und da kann er mitreden, der nunmehr 57 Jahre alte und in den vergangenen Jahren dank vegetarischer Kost und dem Verzicht auf allzu viele alkoholische Kaltgetränke signifikant erschlankte, inzwischen der buddhistischen Lehre folgende Frontmann. „Dich selbst als liebenswert zu empfinden, ist die entscheidende Voraussetzung, um deinerseits lieben zu können. In der Liebe geht es um Risiken, du lebst in der Gefahr, dass dein Herz gebrochen wird. Der Song sagt, es lohnt sich, dieses Risiko einzugehen, wenn du lieben willst.“ George mag es zum Beispiel, so plaudert er munter weiter, wenn der andere eigentlich komplett inkompatibel ist, wenn zwei Liebende wie Feuer und Wasser sind.

„Ich schätze die Komplexität der Liebe. Klassische romantische Liebe ist ja eine seltene Sache. Wo hat man das schon?“ In seinem persönlichen Leben aktuell jedenfalls nicht. „Ich suche immer noch. Und ich gucke überall. Selbst in den Ritzen.“ An dieser Stelle bricht Boy George, den wir telefonisch in Los Angeles an einem freien Tour-Tag erwischen, in schallendes Gelächter aus. „Aber es muss sich niemand um mich sorgen. Ich lebe nicht wie ein Mönch, und mir fehlt nichts. Ich war nie jemand, der unbedingt einen Partner brauchte, nur um einen Partner zu haben. Ich habe viel Lebenszeit als Single-Mann verbracht. Und ich bin wirklich gerne Single.“

Und außerdem sei er ohnehin die meiste Zeit am Arbeiten, nicht zuletzt an seiner Zweitkarriere als Reality-TV-Experte in „The Voice UK“, „The Voice Australia“ und „Celebrity Apprentice“, sondern insbesondere an dieser Comeback-Platte. Dass die Entstehung von „Life“ keine ganz unkomplizierte Erfahrung war, kann sich ein jeder denken, der auch nur ansatzweise mitbekommen hat, wie sehr sich diese vier Herren – Boy George, Roy Hay, Mikey Craig und Jon Moss – immer wieder mehr oder weniger herzlich beharkten. Dass Boy George und Schlagzeuger Moss damals in den Achtzigern ein heimliches Liebespaar waren und tumultartig auseinandergingen, beschäftigte George noch jahrelang. Damals schlitterte er gar in eine Heroinabhängigkeit, die er auch leicht hätte nicht überleben können. „In einer Band zu sein, ist nie unkompliziert“, sagt er. „Wir sind wie eine Familie mit vier Persönlichkeiten und vier Egos. Wir mussten warten, bis wir wieder eine Verbindung spürten und untereinander gut auskamen und gute Musik schreiben konnten.“ Anfang dieses Jahres sei es endlich so weit gewesen, und „Life“ nahm Gestalt an. „Das neue Album ist sicher nicht perfekt, aber es kommt von uns, es ist aufrichtig.“ Nicht zuletzt ist es sehr zugänglich und durchaus zeitgemäß. Soul, Pop und Reggae sind wie immer bewährte Zutaten, in „Bad Blood“ wird es dann sogar ein bisschen funky, „Human Zoo“ gehört definitiv in jeden Mainstream-Radiosender und „What Does Sorry Mean“ oder „Oil & Water“ sind hübsch besinnlich. „Das hat sich so entwickelt mit den großen Refrains, auch mit dem Pathos, wir sind halt in den Siebzigern und Achtzigern aufgewachsen, wir kommen aus einer Zeit, in der Songs mächtige Melodien und große Emotionen hatten.“

*Interview: Steffen Rüth

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