HOLLY JOHNSON: ICH BIN DANKBAR

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Foto: K. Davies

15 Jahre lang hat Holly Johnson keine neue Musik veröffentlicht, sondern lieber ein Kunststudium absolviert und gemalt. Mit 54 hat sich der Liverpooler Junge, der als Sänger von Frankie Goes to Hollywood Popgeschichte schrieb, nun noch mal zu einem Comeback aufgerafft. Sein Album Europa, mit dem er im Dezember auch live auftreten wird, klingt auf vertraute Weise zeitlos.

WARUM GAB ES SO LANGE KEINE NEUE MUSIK VON DIR?

Nach meinem letzten Album Soulstream, das 1999 erschien und nicht erfolgreich war, gab es kaum noch Nachfrage nach meinen Songs. Ich zog mich zurück, malte, ging auf die Kunsthochschule und trat nur sehr sporadisch auf. Als ich wieder anfing, mit Liveband zu spielen, merkte ich erst, dass mir die Bühne doch sehr gefehlt hatte und wie viel Freude ich den Menschen mit meinen Songs geben kann.

EUROPA WURDE VON MARK RALPH PRODUZIERT, DER MIT CLEAN BANDIT ODER HOT CHIP GEARBEITET HAT, UND KLINGT DURCHAUS ZEITGEMÄSS ...

Wir haben viel mit alten Synthesizern gearbeitet und wollten zugleich einen modernen Anstrich haben. Wenn ich schon zurückkomme, dann bloß nicht mit einer Platte, die antiquiert klingt.

AUFFÄLLIG SIND OPTIMISMUS UND LEBENSFREUDE IN TEXTEN UND MELODIEN. BIST DU EIN GLÜCKLICHER MENSCH?

Megaglücklich bin ich nicht, das liegt nicht in meiner Natur. Ich bin eher introvertiert und schreibe diese optimistischen Songs auch, um mich selbst aufzuheitern. Gerade im Winter geht es mir oft nicht so toll, dann versuche ich, so viel draußen spazieren zu gehen wie möglich.

DU SINGST MEHRFACH DARÜBER, JEDEN TAG ZU FEIERN UND SO ZU LEBEN, ALS WÄRE ES DER LETZTE. HÄNGT DIESE EINSTELLUNG MIT DEINER HIV-INFEKTION ZUSAMMEN, VON DER DU SEIT 1991 WEISST?

Natürlich auch, ja. Die 90er waren schwere Jahre für mich, ich war krank und ziemlich niedergeschlagen, ich bin froh, dass ich es durch diese Zeit geschafft habe. Als junger Mann dachte ich, ich lebe ewig, ich sei nicht verwundbar, und ich habe mich dementsprechend verhalten. Als Mann in den mittleren Jahren, der viel gesehen hat, große Erfolge und heftige Tiefschläge erleben durfte, weiß ich zu schätzen, wenn das Leben ruhig und gut verläuft. Ich hatte viel Glück und bin dankbar dafür. Mit meinem Partner Wolfgang, der aus der Nähe von Frankfurt stammt, bin ich übrigens seit dreißig Jahren zusammen. Unsere Liebe empfinde ich als etwas wunderbar Einzigartiges.

IM TITELSONG DEINES NEUEN ALBUMS EUROPA SINGST DU: AFTER THE SHAME / THINGS WILL NEVER BE THE SAME. IST DER TEXT POLITISCH GEMEINT?

Ja. Der Song ist eigentlich uralt. Ich schrieb ihn 1989, sehr kurz nachdem die Berliner Mauer gefallen war. In der Luft lag diese große Hoffnung auf dauerhaften Frieden und ein wirklich vereintes Europa, die leider nicht hundertprozentig erfüllt wurde. Aber auch wenn viele Länder wirtschaftliche Schwierigkeiten haben, Großbritannien um seine nationale Identität fürchtet und der EU die Schuld gibt und insgesamt wegen all der Konflikte ein Gefühl der Unruhe und Sorge herrscht, finde ich die europäische Einheit fantastisch.

WARUM VERÖFFENTLICHST DU DAS LIED JETZT ERST?

Wegen des französischen Komponisten Vangelis. Wir hatten die erste Version seinerzeit in einem Bunker in Paris aufgenommen. Als ich nach Songs für mein neues Album suchte, fand ich diesen alten Schatz wieder und machte Vangelis ausfindig, was ein schwieriges Unterfangen war. Hat aber am Ende geklappt.

WAS SAGST DU EIGENTLICH DAZU, WIE SICH EUROPA IN PUNCTO HOMOSEXUELLENRECHTE ENTWICKELT HAT IN DEN LETZTEN JAHREN?

Sehr toll. Dass zum Beispiel das erzkatholische Spanien als eines der ersten Länder die Homo-Ehe erlaubt hat, finde ich super. Aber ist es nicht eigenartig, dass sich Angela Merkel immer noch sträubt, das Wort homosexuell überhaupt in den Mund zu nehmen? Es sollte nicht sein, dass sich Mutti immer noch schwertut, ihre schwulen und lesbischen Kinder verbal zu akzeptieren. Ich mag sie allerdings trotzdem. Wie die Merkel neulich die CIA aus Berlin warf, weil die ihr Telefon angezapft hatten, das fand ich einfach klasse.

*Interview: Steffen Rüth

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