Interview mit ICH + ICH

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Wir trafen Annette Humpe und Adel Tawil, um mit ihnen über das Erfolgsalbum Gute Reise zu sprechen.

NACH DEM GROSSEN ERFOLG VON VOM SELBEN STERN SEID IHR ZWEI JETZT WIEDER AUF REISEN: GUTE REISE HEISST EUER NEUES ALBUM. ANNETTE, DU BIST SEIT DEN 1980ER-JAHREN WIRKLICH MEHR ALS ERFOLGREICH.

Annette: Was ist denn bitte mehr als erfolgreich?

NA JA, SUPER ERFOLGREICH EBEN. DICH KENNT JEDER. DU BIST, DAS KANN MAN SAGEN, EIN SUPERSTAR.

Annette: (lacht) Danke! Ist mir aber ein bisschen dick aufgetragen. (lacht)

TROTZDEM KLINGEN DEINE TEXTE IMMER NOCH SEHR UNSICHER. DU HADERST MIT DEM SCHICKSAL, DER LIEBE, DEM TOD UND ALLEM, WAS DAZWISCHEN IST. WOHER NIMMST DU DEINE IDEEN? WAS IST DAS REZEPT FÜR DEINEN BZW. EUREN ERFOLG?

Annette: Wir wissen doch schon durch Michael Jackson, dass Erfolg keine Garantie für Glück, Sicherheit oder inneren Frieden ist. Das hat alles mit Erfolg nichts zu tun. Die Menschen, die die Musik machen, bleiben weiterhin die unsicheren, die sie sind.

ADEL IST EHER DER SONNENSCHEIN IN DER ICH + ICH- BEZIEHUNG, ANNETTE EHER DER MELANCHOLISCHE GEGENPOL. IST DAS SO? ODER HAT SICH DA INZWISCHEN WAS VERÄNDERT?

Annette: Adel kann ja nicht nur der Sonnenschein sein. Sonst könnte er meine Texte ja gar nicht singen und rüberbringen. Er kennt auch die anderen Seiten. Das merkt man, wenn er singt. Ich finde, das kann er sehr gut.

SCHREIBST DU DIE TEXTE FÜR ADEL ODER SCHREIBST DU SIE ERST FÜR DICH? ALS DIE TEXTE ZUM NEUEN ALBUM ENTSTANDEN SIND, WAR ADEL JA AUF TOUR.

Annette: Ich adressiere die Texte. Erst mal kenne ich selber die Gefühle, über die ich schreibe, und dann ist es für mich so, als würde ich einen Brief schreiben an die Leute da draußen.

ES IST IMMER SEHR INTERESSANT ZU ERFAHREN, WIE TEXTE UND LIEDER ENTSTEHEN. WIE ARBEITEST DU? DARF MAN DAS FRAGEN?

Annette: Ja klar. Ich sitze in der Küche! Mit einem kleinen Keyboardchen daddel ich rum und warte, bis ich einen Satz zusammenhabe. Das geht manchmal schnell, aber manchmal fällt mir auch eine ganze Woche lang kein Satz ein. Dann geh ich auf und ab, laufe durch Läden, schaue mich draußen um. Es sind Sachen, die ich lese, manchmal nur ein Wort, aus dem dann eine Idee wird. Ich finde so Worte wie zum Beispiel Pflaster oder auch Einer von Zweien. Das Lied ist entstanden, weil ich auf einem Preisschild gelesen habe Zwei für einen. Da dachte ich: nein, nein, das muss heißen Einer von Zweien. Dann gehe ich nach Hause und mir fällt die Geschichte ein, die ich erzählen möchte. Ich habe meistens auch schon eine Melodie, mit der ich rumprobiere. Adel und ich gehen danach ins Studio, und so entsteht ein Lied.

ADEL, FÜR DICH HAT SICH DURCH DAS PROJEKT ICH + ICH IM POPBUSINESS JA SOZUSAGEN JEDE TÜR GEÖFFNET. WIE HAT SICH DEIN LEBEN DADURCH VERÄNDERT?

Adel: Meine Zeit ist sehr viel knapper geworden. Wir sind heftig viel unterwegs. Aber das ist schön. Ich erlebe viel, ich sehe viel. Deutschland kenne ich jetzt, glaub ich, von Nord bis Süd und von Ost bis West. Aber auch die Schweiz und Österreich habe ich kennengelernt. Das ist super und macht richtig viel Spaß. Es passieren immer wieder neue Sachen. So ist es sehr spannend und wird nie langweilig.

Annette: Er weiß jetzt genau, wo Rostock liegt. (lacht)

KÖNNT IHR BEIDE NOCH OHNE VERKLEIDUNG AUF DIE STRASSE GEHEN, OHNE ERKANNT ZU WERDEN? ALLTÄGLICHE SACHEN ERLEDIGEN WIE EINKAUFEN, SPAZIEREN GEHEN ODER SO?

Annette: Ich auf jeden Fall. Aber Adel mittlerweile nicht mehr.

Adel: In Berlin kann ich schon unbehelligt unterwegs sein. Berlin ist eben anders. Da interessiert es nicht wirklich, wer da gerade beim Bäcker neben dir steht. Da laufen jeden Tag prominente Leute durch die Stadt. Da geht es. Aber es gibt mittlerweile schon viele Reaktionen, man wird erkannt. Zum Beispiel am Flughafen, wo man auch schon mal Autogramme geben muss oder ein Foto gewünscht wird. Aber das mache ich gerne und es freut mich natürlich auch sehr.

VOM SELBEN STERN WAR SEHR ERFOLGREICH. WIE IST EURE ERWARTUNGSHALTUNG ZUM NEUEN ALBUM? HABT IHR DA EINE? SEID IHR NOCH NERVÖS?

Annette: Natürlich. Wir sind genauso nervös wie beim letzten Album. Niemand weiß, ob die Lieder jemanden da draußen berühren. Daran hat sich nichts geändert. Ich denke, dass das auch immer so bleibt und auch dazugehört. Es ist immer wieder sehr aufregend.

SETZT IHR EUCH SELBST UNTER DRUCK?

Annette: Geht ja gar nicht, und bringt ja auch nichts. Was für einen Druck sollen wir da machen? Entweder es kommt gut an oder eben nicht.

Adel: Das Druckmachen überlassen wir anderen (lacht). Wir gehen ganz entspannt ran. Unser erstes Album war schön erfolgreich. Das hat uns sehr happy gemacht. Dass das zweite Album so dermaßen abgeht, hätte keiner von uns gedacht. Jetzt schauen wir, was kommt und wie das neue Album bei den Leuten ankommt.

GUTE REISE IST WIEDER EIN POP-ALBUM MIT POETISCHEN TEXTEN. ES GEHT UM LIEBE, UM DAS ICH + ICH-THEMA AN SICH. UM ZWEIERBEZIEHUNG. WIE ICH FINDE, AUCH PROJEKTGEBEND FÜR ICH + ICH. IST DAS FÜR EUCH DER KERN DER GESELLSCHAFT: DIE KLASSISCHE ZWEIERBEZIEHUNG?

Annette: Das finde ich überhaupt nicht. Wenn ich von Liebe singe oder auch Lieder schreibe, die von Liebe handeln, dann geht es mir dabei eher um die kosmische Liebe zwischen Menschen und nicht so sehr um das Zweier-Päckchen.

IN HILF MIR GEHT ES ABER SCHON UM DIE ZWEIERBEZIEHUNG, ODER?

Annette: Hilf mir sehe ich gar nicht so sehr liebesbezogen. Das Hilf mir kann ja auch an einen guten Kumpel oder eine gute Freundin adressiert sein.

ALSO EHER DAS ZUSAMMENSPIEL ZWISCHEN MENSCHEN. POLITIK FEHLT ABER FAST KOMPLETT

Annette: Da haben wir gerade heute Morgen drüber gesprochen. Sicherlich wäre jetzt mal die Zeit für Protestlieder, aber das ist auch immer sehr schwierig.

DANKE SEHE ICH SCHON SO EIN BISSCHEN ALS PROTEST: EIN WENIG SOZIALKRITISCH SEIN, AUCH MAL DANKE SAGEN.

Annette: Ach echt? Also es soll kein SPD-Lied sein. Es ist einfach nur die Wahrheit. Mein Leben funktioniert und wird schön durch gerade die Menschen, die den Bus fahren, die mich an der Kasse bedienen, die nachts im Krankenhaus Doppelschicht schieben. Bei mir um die Ecke gibt es einen Supermarkt, da kann ich nachts um 0 Uhr noch einkaufen gehen und da sitzt die Kassiererin an der Kasse und zieht das, was ich kaufe, übers Band. Und ich bin dafür dankbar, und das sage ich ihr auch. Und allen anderen sage ich das mit diesem Lied. Ich finde das wichtig.

*Interview: Christian Knuth

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