#Interview: Clueso

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Foto: Tino Sieland

Clueso hat ein neues Album gemacht. „Stadtrandlichter“ ist mindestens so gut wie alle davor, wahrscheinlich aber viel besser. Ein Gespräch darüber, warum das so ist, was es heißt, ein Mann zu sein und warum man für ein großes Liebesduett eigentlich nur Udo Lindenberg braucht. 

Das neue Album klingt so, als würdest du jetzt wissen, wie sich erwachsen sein anfühlt. Und, wie ist es so?

Erwachsenwerden fühlt sich an, als würde man mit den Zähnen schon an der nächsten Stufe hängen, aber die letzte nicht mehr mit den Zehen berühren.

Klingt extrem anstrengend.

Ist es auch. Das Coole am erwachsen sein ist dann allerdings, dass du besser weißt, was du brauchst und willst und gleichzeitig besser in der Lage bist rechtzeitig „Stopp“ zu sagen und den Druck raus zu nehmen,  wenn etwas in die falsche Richtung läuft. 

Kannst du das jetzt?

Immer noch nicht wirklich gut, aber deutlich besser als früher. Ich kann zumindest die Situationen erkennen, in denen man besser mal kurz Pause machen sollte.

Wann ist das?

Wenn man in Erklärungsnot kommt, heißt: Du sagst Leuten Details und Kleinigkeiten, die du ihnen gar nicht sagen musst. Ich arbeite in einem Team in dem alle sich kennen, schon lange und sehr gut. Und wenn du da anfängst, jemanden seinen Job zu erklären, oder jemand dir deinen, obwohl ihr beide eigentlich wisst, dass das gar nicht sein muss, und ihr euch als Künstler respektiert, dann ist es vernünftig, wenn alle mal nach Hause gehen und morgen ausgeschlafen wieder kommen.

Foto: Christoph Köstlin

Schließen sich Leidenschaft und Vernunft aus?

Nein. Aber der Ursprung von Leidenschaft ist nicht vernünftig. Horizontale Leidenschaft, also eine, die nicht bloß aufblitzt, sondern in einem längeren Zeitraum stattfindet, in die gehört auch Vernunft rein. Leidenschaft ist da ein bisschen wie Luxus: der ist auch nur geil, wenn man ihn nicht jeden Tag hat. Und Vernunft kann Abstand und Demut in eine Sache reinbringen, für die man tickt.

Schließen denn Verantwortung und Leidenschaft sich aus?

Auch nicht. Verantwortung stellt aber schnell die Sinnfrage. Und die ist bei Leidenschaft erst mal völlig überflüssig. Du folgst ja einem Gefühl, einer Idee. Wenn du da zu früh fragst, „Wieso mach ich das eigentlich?“, raubst du dir Kraft, die du vielleicht besser in die Sache steckst. Leidenschaft muss über lange Strecken keinen Sinn machen, um richtig zu sein. Die ist pure Energie und treibt einen an. Vernunft und Verantwortung können einen aber beschützen, wenn es sich falsch oder komisch anfühlt. Man braucht all das im richtigen Maß. Zuviel von allem ist nicht gut.

Dein guter Freund Udo Lindenberg, der ja auf „Stadtrandlichter“ auch wieder mitspielt, sagt, er ist irgendwo zwischen fünf und 50, wenn er nach seinem Alter gefragt wird. Wie alt bist du?

Zwischen 14 und 40, würde ich sagen. Ist ja auch nicht mehr soweit weg. Ich hab auch jetzt ein völlig anderes Bild von 40 als noch vor ein paar Jahren. Ich begegne ständig 40-Jährigen die überhaupt nicht das sind, was ich mir privat immer darunter vorgestellt habe.

Schirmst du dein Privatleben eigentlich super gut ab, oder hast du keins?

Manchmal stimmt beides (lächelt). Aber generell lass ich ja soviel raus und zu auf der Bühne und beim Musikmachen und reiß mir den Brustkorb soweit auf und lasse Leute solange reingucken, dass ich mir manchmal ne Infektion hole. Da ist es wichtig, dass man Bereiche im Leben hat, die nur einem selber gehören. Wer wissen will, wie es um mich bestellt ist, kann meine Alben hören. Durch die Kreativpause, die ich in den letzten drei Jahren hatte, habe ich gemerkt, dass ich es auch schön finde, anzukommen und soziale Kontakte mal zu pflegen. Du kannst dich ja nicht immer nur darauf verlassen, dass deine Freunde, dein Partner oder deine Heimatstadt ihre „stumme Liebe“ zu dir immer weiter pflegen, wenn man sich nie sieht. 

Du bist jetzt 33. Schon herausgefunden, was ein „Mann“ ist?

Mann sein heißt ja immer noch Baum pflanzen, Haus bauen, Sohn zeugen. Hab ich alles nicht gemacht. Aber ich bin männlicher geworden, als ich früher war. Das heißt, man steht zu Worten, die man verliert, guckt nicht immer zurück, sondern nach vorn, man steht zu sich.

www.clueso.de

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