#INTERVIEW: Sam Smith ist ziemlich happy

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Foto: Universal Music

„Love Goes“, das dritte Album des englischen Popsängers Sam Smith, klingt um Längen glücklicher als die ersten beiden. Der Grund ist einfach: Sam (28) ist endlich ziemlich happy.

Er war der junge König der Traurigkeit, der Prinz des gebrochenen Herzens, der Meister der zügellosen Melancholie.

„Ich habe anfangs so viele tiefe und traurige Lieder geschrieben, weil ich mich ungeliebt und unverstanden fühlte.“

Sam Smith

Das ist jetzt nicht mehr so. Sam Smith hat zu sich gefunden. Maßgeblich dazu beigetragen hat sein, wie er es ausdrückt, „zweites Coming-out“. Smith identifiziert sich seit etwa zwei Jahren als nichtbinär, was heißt, dass seine Geschlechtsidentität weder ausschließlich männlich noch ausschließlich weiblich ist. „Seither fühle ich mich freier“, sagt Smith. „Nicht mehr so blockiert und gehemmt.“

Und so ist das jetzt, auch musikalisch betrachtet, nicht mehr der Sam Smith von vor sechs, sieben Jahren. Erfolgreich wurde der Engländer ja 2014 als so eine Art männliche Adele. Smiths Single „Stay with Me“ vom Debütalbum „In the Lonely Hour“ war einer der einprägsamsten Hits des Jahres, das fast unwirklich schöne Stück Musik brachte ihm international verschiedenste Auszeichnungen für den „Song des Jahres“ ein, als „Bester neuer Künstler“ heimste der offen homosexuelle Sohn einer Investmentbankerin 2015 einen weiteren Grammy ein. Zwei Jahre später sang Smith „Writing’s on the Wall“, den Titelsong des James-Bond-Films „Spectre“ und bekam dafür einen Oscar.

Nun aber, auf dem dritten Album „Love Goes“ hat der inzwischen 28 Jahre alte Smith die Melancholie weitgehend ad acta gelegt und verblüfft stattdessen mit einem fulminanten Uptempo-Sound, ja einer regelrechten Ausgelassenheit. „Promises“ (mit Calvin Harris) und „Dancing with a Stranger“ (mit Normani) waren ja schon als Singles erfolgreich, überhaupt sollte das gesamte Album, seinerzeit noch unter dem Titel „To Die For“, im Mai erscheinen. Corona sorgte dann für Verspätung und Umbenennung („Ich fand das Wort „sterben“ im Titel nicht mehr angemessen“).

Sexuelle Defizite aufgeholt

Foto: www.instagram.com/samsmith

Nicht jedes Lied auf dem mit seinen langjährigen Kollaborateuren wie Jimmy Napes oder Guy Lawrence (Disclosure) sowie Steve Mac (Ed Sheeran) und Shellback (Robyn, Pink, Britney Spears) komponierten Album ist Pop für Hüpfburgen und Autoscooter. Die bereits von Céline Dion veröffentlichte, aber von Sam und Napes geschriebene, Ballade „For the Lover That I Lost“ zum Beispiel kommt angemessen staatstragend daher. Doch tut es der Platte sehr gut, dass Smith sich ein bisschen lockerer gemacht („Mit 32 will ich einen Hund und mit 34 ein Baby“) und auch in puncto sexueller Aktivität die – von ihm als solche so empfundenen – Defizite aufgeholt hat.

„Ich hatte wenig Erfahrung mit anderen Männern, als ich mit 18 nach London zog.“

Aber mittlerweile sei er extrovertierter und aufgeschlossener geworden, habe vor allem 2018 fast jeden Samstag in Gay Clubs getanzt, das alles hört man den Songs an. „Das Album ist leichter. Mehr Pop. Weniger Tränen.“ Sogar Trennungslieder wie die neue Single „Diamonds“, die Smith nach dem Ende seiner „ersten richtigen Liebesbeziehung“ mit dem Schauspieler Brandon Flynn („Tote Mädchen weinen nicht“) schrieb, verbreiten eine trotzige Kopf-hoch-Stimmung. Im Video tanzt Smith allein im heimischen Wohnzimmer und sieht dabei glücklich aus.

*Interview: Steffen Rüth


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