John Legend gegen Missstände

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Foto: Yu Tsai

Er ist definitiv ein Mensch, für den das Glas halb voll ist, nicht halb leer. Nicht einmal die Tatsache, dass er sich zum Zeitpunkt des Interviews seit einer gefühlten Ewigkeit daheim in Los Angeles im Lockdown befindet, kann seine gute Laune trüben.

„In den vergangenen drei Monaten habe ich das Haus vielleicht viermal verlassen“, erzählt er ziemlich gelassen am Telefon. Zum Glück ist er nicht allein, er hat seine Frau Chrissy Teigen, seine beiden Kinder und seine Schwiegermutter an seiner Seite: „Wir genießen es, Zeit miteinander zu verbringen.“ Zu Freunden oder anderen Verwandten hält er per Video-Chat Kontakt. So gesehen lag es für ihn auf der Hand, die moderne Technik auch für die Produktion eines Clips zum Titeltrack seines neuen Albums „Bigger Love“ zu nutzen. Er bat Fans aus aller Welt, Videos einzusenden, wie sie zu dieser groovigen R’ n’ B-Nummer tanzen. Diese Sequenzen wurden dann zusammengeschnitten. Sie verströmen Lebensfreude pur und passen perfekt zu dem positiven Song, der zwar wie fast alle Stücke vor der Pandemie entstand, aber dennoch der aktuell recht düsteren Situation den Kampf anzusagen scheint. „Dieses Lied strahlt Liebe, Optimismus und Hoffnung aus“, sagt John Legend. „Das gilt eigentlich für die gesamte Platte.“

Foto: Yu Tsai

Den Sound dazu liefern Soul, R ’n’ B und Pop. Der Opener „Ooh Laa“ hat ein nostalgisches Flair. Die Pianoballade „Never Break“ widmet der 41-Jährige seiner Frau. Was macht ihn so sicher, dass ihre Ehe nie zerbrechen wird? „Hundertprozentig kann man das natürlich nie wissen“, räumt er ein. „Aber wenn man den Entschluss fasst, es nie bis zur Scheidung kommen zu lassen, ist das schon ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung.“ Kurzum: John Legend nimmt sein Ehegelübde inklusive des Satzes „Bis dass der Tod uns scheidet“ wirklich sehr ernst: „Chrissy und ich lernen aus unseren Fehlern, wir wachsen gemeinsam. Ich denke, wir können alles miteinander durchstehen.“

Für seine Frau findet der Sänger nur liebevolle Worte. Kommt er dagegen auf Donald Trump zu sprechen, so redet er sich rasch in Rage. Es passt ihm überhaupt nicht, wie der amerikanische Präsident mit der Corona-Krise umgeht. „Es gibt weder eine langfristige Strategie noch hört Trump auf Wissenschaftler“, ereifert er sich. „Dieser Mann ist lediglich auf seinen eigenen Vorteil bedacht.“ Wird ihn das bei der nächsten Wahl aus dem Amt katapultieren? „Ich hoffe es. Sicher kann man sich jedoch nicht sein.“

Foto: Yu Tsai

Nicht allein deswegen hat John Legend bei den Vorwahlen die Demokratin Elizabeth Warren unterstützt. Er macht sich Sorgen um die Zukunft der USA, er wünscht sich einschneidende Veränderungen für seine Heimat. Hat er schon mal darüber nachgedacht, selber in die Politik zu gehen? „Ja. Ich habe mich allerdings dagegen entschieden und bleibe lieber Vollzeitmusiker.“ Das hält ihn indes nicht davon ab, gegen Rassismus oder für Feminismus Stellung zu beziehen, sobald sich ihm eine Gelegenheit dazu bietet: „Ich nutze meinen Bekanntheitsgrad, um mich gegen Missstände einzusetzen.“

Mal engagiert er sich für ein Benefizprojekt, mal spendet er: „Ich will mein Vermögen nicht bloß dafür verplempern, immer weiter materielle Dinge anzuhäufen.“ Geld allein, das hat John Legend längst erkannt, macht nämlich auf Dauer nicht glücklich: „Natürlich sichert es einem eine gewisse Freiheit, man hat mehr Optionen. Doch ab einer gewissen Summe auf dem Konto verliert Geld seinen Reiz. Dann erkennt wohl jeder, was im Leben tatsächlich zählt: Freunde, Familie, Beziehungen zu anderen Menschen.“ *Dagmar Leischow

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