Marcella Rockefeller „Das hätten noch 100 mehr werden können“

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Foto: Mirko Plengemeyer

Seit über zehn Jahren ist Marcella in der Szene und auch in den Medien eine feste Größe. Was sie so besonders macht, ist, dass sie eine Sängerin ist. Wir sprachen mit La Rockefeller über ihr erstes Album, Céline Dion, Rosenstolz und Drag.

Ein großer Einfluss war Rosenstolz.

Ja, ich fand das schon immer extrem verblüffend, wie diese Texte mein Leben repräsentiert haben. Zum Beispiel „Wenn Du jetzt aufgibst“, was habe ich dieses Lied nächtelang gehört, weil ich dachte, es geht nicht mehr! Aber die Botschaft ist: Du hast schon einen Riesenberg hinter dir, du schaffst es. Diese Ehrlichkeit der Texte!

Ein gutes Stichwort. Ist Ehrlichkeit in der Musik wichtiger als Glamour und Show?

Nun, ich sage mal so: Showbusiness ist eben Show. Aber ich bin einfach eine sensible Seele, die sehr viel Wert darauf legt, dass Texte etwas ausdrücken, womit man sich identifizieren kann. Oft hatte ich etwas „Angst“, Stars kennenzulernen, weil sich mitunter rausstellte, dass die gar nicht so cool sind, dass da mehr Show als Sein war … Und bei Peter und Ulf (von Rosenstolz, Anm. d. Red.) ist das genau das Gegenteil, da steht SO viel mehr hinter der Musik.

Glaubst du, dass deine perfekte Optik deiner „handgemachten“ Musik im Weg steht? Oder dass du eine Dragqueen bist?

Ich mache mir aus der Erscheinung überhaupt nichts. Aber ich habe schon vor zwölf Jahren gemerkt, dass Marcella ein viel größeres Sprachrohr für mich ist, als wenn ich als Marcel stehe und singe. Ich habe diesen Weg und dass ich dieses Album machen konnte, Marcella zu verdanken! Wenn eine Dragqueen singt oder auf der Bühne steht, dann schauen die Leute … Es ist einfach schön, bei jungen Leuten, bei Kindern, dieses Leuchten in den Augen zu sehen. Ich bin es aber auch gewohnt, von manchen Menschen Abneigung zu erfahren. Authentischer als Marcella kann ich nicht sein.

Glaubst du, es ist heute einfacher als vor zehn Jahren, als Dragqueen ernst genommen zu werden?

Ich muss sagen, dass ich selbst immer wieder überrascht bin, wie ernst ich genommen werde. Aber dafür kämpft man ja als Musiker. Das macht mich unendlich glücklich. Ich bin ja kein Clown, der Stimmung macht! Meine Musik ist auch nicht Drag-typisch, ich breche die Erwartungen der Leute, die Elektronisches oder Lady Gaga erwarten. Ich mache melancholische Musik, aber keine depressive …

Foto: Milch Musik

Wie ist das Album entstanden? Warst du in Drag?

Nein, ich habe die Lieder als ungeschminkter Mann aufgenommen. (lacht) Wobei, manchmal hatte ich tatsächlich eine Perücke auf, wenn wir danach noch etwas gedreht haben. Entstanden ist es mit Elias Kunz in Hannover, der zwar etwas jünger als ich, aber auch eine „alte Seele“ ist. Wir haben einige Songs von Rosenstolz und von Peter Plates Soloplatte überarbeitet. 2020 hatten wir „Der größte Trick“ rausgebracht, eigentlich war das nur ein Projekt, nachdem mich Peter Plate zuvor auf Instagram mit Sarah Connors „Vincent“ entdeckt hatte. Dann kam „Der blaue Sonntag“ … Das hat alles so Spaß gemacht, dass Peter mir vorschlug, ein ganzes Album zu machen. Wir hatten so viele Ideen … Das hätten noch 100 Lieder mehr werden können.

Verzeih mir das Wort: „Verstellst“ du deine Stimme beim Singen?

Alles gut, ich weiß, was du meinst. Heute mache ich das nicht mehr. Tatsächlich habe ich aber früher gedacht: „Ich muss die Höhen von Céline Dion treffen, egal, wie beschissen das nachher klingt.“ Ich habe lange versucht, meine Stimme zu verstellen, heute bin ich bei meiner Stimme angekommen und fühle mich sehr wohl so, wie ich singe.

Welches Lied sollte ein hektischer Spotify-Hörer mal anhören, um einen guten Eindruck vom Album zu erhalten?

Hm, ich würde „Die Liebe kennt mich nicht“ empfehlen, jeder hatte schon mal das Gefühl, dass man an den Falschen geraten ist, der es nicht gut mit einem meint. Einfach eine wunderschöne Nummer, und „Lass sie reden“, im Original von Rosenstolz.

Findest du deine Version besser?

Ich würde mich nie mit AnNa R. oder Rosenstolz messen. Ich kann es nicht vergleichen, ich möchte es auch nicht. Meine Follower kennen die Lieder im Original nicht, sie folgen mir, weil ich bin, wie ich bin. Und ich freue mich, dass ich einer neuen Generation die Message von Rosenstolz, von Peter, AnNa und Ulf, weitergeben kann.  

Du bist ein sensibler Mensch. Ist dann der Beruf im Showbusiness eine Mutprobe?

Ich habe schon viel Schlimmes gelesen, vor allem damals beim „Supertalent“, die Kommentare kann man ja heute noch lesen. Es ist mir eigentlich relativ egal. Was mich damals getroffen hat, ist, dass es meine Mutter getroffen hat, sie hatte mich auf Facebook verteidigt … Ich habe einen extrem festen und lieben Inner Circle im Freundeskreis, auch Peter und Ulf stehen voll und ganz hinter mir. Diese Unterstützung stärkt. Aber ich war zwölf Jahre lang Dragqueen, ich habe eine harte Schule hinter mir! (lacht)

*Interview: Michael Rädel

www.facebook.com/MarcellaRockefellerOfficial


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