Gloria Glamour: „Den ausgrenzenden Rassismus ...“

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Foto: Klaus Gruber Photography

Wir sprachen mit der Berliner Dragqueen über Rassismus damals und heute.

Wie hast du in deinem Leben schon Rassismus erlebt?

Ich bin sehr gut behütet in einem Dorf bei Bonn aufgewachsen, umgeben von Akademikern, da gab es eher eine Form des positiven Rassismus; Es galt als toll, Menschen mit anderen Hintergründen im Freundeskreis zu haben. Den ausgrenzenden Rassismus habe ich erst später erlebt, als ich eine Wohnung gesucht habe.

Foto: Selfie

Wie das?

Der Makler öffnete die Türe, sah mich und sagte: Die Wohnung ist vergeben. Ich habe das erst gar nicht auf mich bezogen, doch Freunde machten mich darauf aufmerksam, dass, wenn die Wohnung vergeben gewesen wäre, man mich erst gar nicht eingeladen hätte. Mein Nachname ist sehr deutsch, womöglich hat der Makler einen anderen Menschen erwartet.

Sehr deutscher Nachname, hm, das klingt ja, als ob du auch den Gedanken deutsch = weiß hast.

Hm, ganz frei bin auch ich nicht davon. Man erwartet bei Schmidt, Maier, Müller tatsächlich einen Weißen.

Als Gloria Glamour sagst du gerne, dass du eine Diva mit schwarzem Humor bist. Ein absichtliches Wortspiel?

Ich meine das Schwarzhumorige eines Kabarettisten. Das Wortspiel ist aber in der Tat entstanden, weil ich die heutige Form der Political Correctness erschütternd finde. Ich finde sie mitunter ausgrenzender als früher. PoC, Person of Color: Da wird mir als VERMEINTLICH Betroffener gesagt, wie ich mich zu nennen habe. „Farbiger“ ist nun politisch inkorrekt, es werden immer neue Termini erschaffen, die die Leute verunsichern, das wirkt mitunter ausgrenzend, weil die Leute gar nicht wissen, wie man ins Gespräch kommen kann, ohne einen Fehler zu machen. Im Waldschlösschen hatte ich einen Workshop gegeben: „Schwarz, schwul und auch noch Drag?!“, da kam ein „überprivilegierter“ Cis-Mann rein – er betonte das immerzu –, der mich darauf ansprach, dass ich mich ja hier sehr unwohl fühlen müsse unter all den „Hellhäutigen“. Die Wörter „überprivilegierter“ und „Hellhäutigen“ haben mich furchtbar aufgeregt. Und ob es okay sei, dass er Tunnel-Piercings im Ohr hat ... Wegen kultureller Aneignung. Da habe ich gesagt: Solche Gedanken hatten wir schon vor achtzig Jahren! Unter dem Deckmäntelchen der Political Correctness hat er mich rassistisch ausgegrenzt.

Foto: www.facebook.com/Gloria Glamour

Was würdest du dir denn wünschen?

Dass man Hautfarben gar nicht mehr thematisiert. Die Gloria ist ein Mensch, Ende. Man sagt ja auch nicht die Schuhgröße eines Menschen dazu ... Aber ich bin selber nicht frei von Vorurteilen: Ich saß in einer Eckkneipe mit einem jungen Mann mit extremem Berliner Dialekt, aufgewachsen war er in der DDR. Ich frug ihn, wie er heißt, er hatte meine Hautfarbe. Er sagte, er heiße wie Glenn Miller, nur mit ü. Ich sagte dann: „Glünn ist aber ein komischer Vorname.“ Ich konnte mir also selbst nicht vorstellen, dass jemand Müller heißt mit dieser Hautfarbe.

Streitthemen künstlerische Freiheit, besonders Satire.

Kunst darf polarisieren, sollte aber nicht zu weit gehen. Trash-TV lebt von Menschen, die polarisieren, es gibt aber Grenzen. Bitter in Erinnerung ist mir, dass Désirée Nick Barbara Becker rassistisch angegriffen hat und jetzt den Moralapostel spielt. Sie hatte Barbara Becker unterstellt, sich heller zu machen. Das geht zu weit! Vor 15 Jahren war die Situation wohl noch anders, es machte sich keiner Gedanken drüber. Oder auch in dem Film „Kevin allein zu Haus“, in dem das N-Wort gesagt wird als Gag.

*Interview: Michael Rädel

gloriaglamour.com, www.facebook.com/GloriaGlamourEntertainment

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