Martin Tietjen über Political Correctness

by

Foto: M. Rädel

Buchautor, Moderator, Blogger, diesen Kerl kennt man unter anderem vom NDR, RTL, seinem Buch „Selbstrufmord“ und auch durch FluxFM Hamburg. Und mittlerweile lebt Martin auch nicht mehr in seiner einstigen Wahlheimat Berlin, sondern in der schmucken Hansestadt Hamburg. Zeit für ein Interview!

Du wohnst in einer WG in Hamburg. Mit wem, warum? Und warum Hamburg?

Foto: M. Rädel

Mir war Berlin irgendwann zu viel. Ich hatte das Gefühl, dass ich irgendwann alles gesehen und erlebt habe, und ich hatte Lust, wieder in meine Heimatstadt Hamburg zu ziehen. Da kamen eh ein paar Sachen zusammen. Mein Ex, sein anschließender Ex und ich wollten zusammenziehen. Klingt jetzt strange, aber irgendwie haben wir es alle geschafft, nach der Liebe eine echte und aufrichtige Freundschaft zu behalten. Andre und Hannes sind mittlerweile wie Familie für mich und daher kam die Idee eine Erwachsenen WG zu gründen. So richtig mit spießigem Einfamilienhaus in der Vorstadt. Jeder hat seinen eigenen Bereich und gelegentlich trifft man sich im Garten um mit unseren Hunden zu spielen.

Ist eine WG eine feine Sache in Pandemiezeiten, oder geht man sich eher auf den Keks?

Die WG war unsere zufällige Rettung. Im März 2020 sind wir in das Haus gezogen. Quasi direkt vor dem ersten Lockdown. Ich glaube, wenn wir das nicht gemacht hätten, wären wir alle einsam in unseren jeweiligen Wohnungen eingegangen. In der ersten Zeit haben wir von dem Lockdown auch kaum was mitbekommen. Wir waren so damit beschäftigt, das Haus zu renovieren und einzurichten, dass bei uns der Corona-Blues erst im zweiten Lockdown eingesetzt hat. Natürlich fehlt es mir auszugehen und zu feiern, aber „three is a party“. Langweilig wurde uns bisher nicht und da jeder genug Platz für sich hat, geht man sich auch echt wenig auf den Keks.  

Wie hat sich dein Arbeitsleben durch Corona verändert? Mehr Homeoffice?

Als der erste Lockdown kam, hatte ich wirklich für ein paar Wochen Panik im Gesicht stehen. Fest zugesagte Jobs wurden abgesagt, mein zweites Buchprojekt wurde auf Eis gelegt und der „Let´s Dance“-Podcast, den ich zu dem Zeitpunkt für RTL gemacht habe, wurde auch infrage gestellt. Reisen nach Köln ins TV-Studio waren halt nicht mehr wirklich möglich. Auch für das Buch war eigentlich geplant, mit meinem Bruder auf eine Reise zu gehen. Nach ein paar Tagen Stillstand und Ratlosigkeit hat man sich aber schnell an die Situation angepasst. Der Podcast wurde ins Homeoffice verlegt und da es generell einfacher ist, Audio-Jobs leichter coronakonform umzusetzen, habe ich im August angefangen für FluxFM in Hamburg die Morningshow zu moderieren.

Du hast ein neues Projekt am Start, Postkarten.

Fotos: fckyoucards.de

Ja, das war eher eine Schnapsidee, die auf einmal ernst wurde. Hannes, der Ex von meinem Ex, und ich haben eine Firma namens FCK YOU CARDS gegründet. Wir verkaufen lustige, fiese und aufmüpfige Grußkarten. Aber fangen wir vorne an. Wir beide waren auf einen Geburtstag eingeladen und wollten zur Flasche Wein noch eine Karte besorgen. Nachdem wir im Grußkartenregal aber nur kitschige und spießige Grußkarten finden konnten, dachten wir uns: „Wie lustig wäre eine Karte, auf der einfach nur steht: „Ich find dich scheiße, aber deine Partys sind geil – Happy Birthday!“ Aus dieser Idee sind mithilfe von Bier und einem befreundeten Grafiker dann insgesamt 12 Sprüche und Designs entstanden. In einem selbstgezimmerten Webshop fingen wir an, die Karten zu verkaufen und waren etwas erschlagen von den immer mehr werdenden Bestellungen. Denn eigentlich war FCK YOU CARDS nur als kleines Spaß-Business an der Seite gedacht. Aber wir hatten Bock, die Idee größer werden zu lassen. Ziemlich schnell bin ich dann provisorisch zu Hannes in seine Wohnung gezogen. Das war, bevor wir zusammen in eine WG gezogen sind. Wir bauten das Wohn- und das Schlafzimmer im 5. OG zum Lager um, und ich baute mir in der Küche ein Hochbett auf, damit ich einen Platz zum Schlafen hatte. Unsere sehr vorstädtischen und konservativen Eltern waren zuerst gar nicht davon angetan, was ihre Söhne da für „furchtbare Sprüche“ verkaufen, aber irgendwann mussten auch sie anerkennen, dass es für den ganzen „Unsinn“ wohl eine echte Nachfrage gibt. Bis heute haben wir 500.000 Karten verkauft und unser Sortiment umfasst über 50 Motive zu den Themen Geburtstag, Weihnachten, Liebe, Freundschaft und Ostern. Und es gibt sogar ein Happy End: Um die ganzen Bestellungen bearbeiten zu können, helfen unserer Mamas beim Verpacken und Versenden der Karten mit.

Wie stehst du zu Themen wie Freiheit der Kunst und Political Correctness?

Humor ist natürlich eine absolute Geschmackssache. Jeder hat einen anderen und daher kann ich auch nachvollziehen, dass es Menschen gibt, die unsere Karten zu frech oder zu hart finden. Aber wer seine Firma FCK YOU CARDS nennt, ist glaube ich, auch nicht angetreten, um jedem zu gefallen. Ich bin der Auffassung, dass man über alles und jeden Witz machen darf. Was den Witz dann aber nachher akzeptabel oder eben inakzeptabel macht, ist der Absender und mit welcher Intention ich den Witz mache. Wenn ich meinem Kumpel die Karte „Du hast jetzt mehr Falten im Gesicht als am Sack – Happy Birthday“ schenke, ist das natürlich was anderes, als wenn ich diese Worte nutze, um jemanden ernsthaft zu verletzen. Generell kommen unsere Karten von einem Ort der Liebe und Freundschaft. Ich finde, man muss nicht immer kitschige, plakative Wörter der Zuneigung benutzen, um zu zeigen, dass man sich mag.

Was ist im Zweifelsfall wichtiger?

Foto: M. Rädel

Meinungsfreiheit, Satirefreiheit, Kunstfreiheit und Pressefreiheit sind mit die wichtigsten Freiheiten, die wir haben. Darf man sich trotzdem an Kunst, Satire, Meinung und Presse stören? Natürlich! Es kann halt nicht jedem alles gefallen. Aber wir vergessen manchmal, dass wir die Meinung einer anderen Person auch mal aushalten müssen. Und was nun wichtiger ist: Freiheit der Kunst oder Political Correctness? Ich glaube, es muss sich beides die Waage halten. Sollte Kunst aufgrund von Political Correctness zensiert werden? Nein. Aber wenn die Kunst Menschen verletzt, kann die Kunst auch gerne mal von ihrem hohen Ross runterkommen und einlenken. Wir machen zwar keine Kunst, aber wir haben uns bei manchen empörten Anrufern auch schon ernsthaft entschuldigt und uns entschlossen manche Karten nicht nachdrucken zu lassen.

Worauf freust du dich im Sommer?

Es klingt jetzt ziemlich basic aber ich freue mich darauf, im T-Shirt vor die Tür gehen zu können. Meine Winterjacke und mein zwei Schals kann ich mittlerweile nicht mehr sehen. Ich freue mich darauf, endlich mal wieder meine alten Inlineskates zu benutzen, die ich letzte Woche im Keller gefunden habe und ich freue mich darauf, endlich eine Einweihungsparty im Garten zu schmeißen. Der spießige Vorort muss mal ein bisschen aufgerüttelt werden.

*Interview: Michael Rädel

www.martintietjen.de, www.facebook.com/ma.tietjen

Mehr Inhalte wie diesen gibt es auf www.instagram.com/blumediengruppe


Back to topbutton