INTERVIEW: Briefs

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© Fotos: Jan Wirdeier

Das Tipi am Kanzleramt hat einmal mehr zielgruppenaffin zugegriffen und sich die australische Cabaret-Artistik-Comedy-Boylesque-Truppe Briefs Boys gesichert, die hier mit ihrem Programm THE SECOND COMING Berlinpremiere feiern. Federn, Pailletten, Artistik und Satin sowie eine Altersempfehlung ab 16 Jahren lassen auf bunt glitzerndes, verruchtes Gendercrossing-Theater schließen. Und ja: Bei den Briefs Boys aus Brisbane steht wirklich keine Frau auf der Bühne, auch wenn es für den unerfahrenen Beobachter so aussehen mag! Wir sprachen mit Creative Producer Fez Fanaana. Hier der erste Teil unseres Interviews, dass du in Gänze in der April-Ausgabe unserer Stadtmagazine und in der mate lesen kannst!

EURE ERSTE SHOW HABT IHR 2008 ENTWICKELT ...

... Ja, das war noch in Brisbane ...

... 2013 FOLGTE ERST DAS ZWEITE PROGRAMM. IHR LASST EUCH ALSO ZEIT MIT NEUERUNGEN?

Die erste Show war gar nicht als solche gedacht. Es war ein Projekt von Freunden, die Partys machen wollten. Wir hatten keine Lust auf Türsteher und Dresscodes und machten unser eigenes Ding in einem Lagerhaus. Wir waren ein paar Transen, DJs, Zirkusartisten und Burlesque-Künstler, die einfach die Türen aufsperrten, den Gästen fünf Dollar abnahmen und dann gemeinsam eine gute Zeit hatten. Dass daraus mal eine Show wird, hatten wir nicht geplant.

DA DIE SHOW ALS PARTYPROJEKT BEGANN: WAS UNTERSCHEIDET DAS ALTE PROGRAMM VOM NEUEN?

Im ersten Programm, in dem es ständig wechselnde Künstler und Inhalte gab, war ich der Host, der sozusagen den Kitt zwischen den einzelnen Acts bildete. In Großbritannien haben wir aber gemerkt, dass Sprache eine Barriere sein kann selbst wenn es sich im Grunde genommen nur um Dialekte handelt. Das neue Programm lebt daher mehr von den verschiedenen Künstlern und ich muss meine Klappe halten. (lacht) Spaß beiseite: Für mich ist das die Chance, selber wieder mehr von meiner Kunst präsentieren zu können. Ich bin Tänzer, und das kann ich im neuen Programm endlich auch wieder zeigen.

BIST DU DER EINZIGE, DER VON ANFANG AN DABEI IST?

Nein. Mark, den du am Ende der Show sehen konntest, ist auch seit 2008 dabei. Wir beiden sind sozusagen die Senioren der Company und die treibende Kraft als Partner im Geschäftlichen und im Privaten.

IHR SEID ZUSAMMEN?

Ja, wir lieben uns und müssen trotzdem versuchen, miteinander zu arbeiten. Aber ich bin der Chef! (lacht)

LEBT IHR NOCH IN BRISBANE?

In der Nähe: auf einer Farm, ungefähr drei Stunden südlich.

ALSO ZWISCHEN BRISBANE UND SYDNEY?

Ja, genau.

ICH FRAGE DAS DESHALB, WEIL ICH RECHT OFT IN AUSTRALIEN WAR UND MELBOURNE, SYDNEY UND AUCH BRISBANE GANZ GUT KENNE UND ICH ÜBERRASCHT BIN, DASS SO EIN INTERESSANTES SHOWKONZEPT AUS QUEENSLAND KOMMT.

(lacht) Ich glaube, das hat eine Menge mit Isolation und Restriktionen zu tun. Wenn Menschen kulturell in einem Dampfkochtopf eingesperrt sind, kocht da etwas, was irgendwann explodiert. In den letzten fünf bis zehn Jahren sind viele interessante und erfolgreiche Projekte aus Brisbane gekommen. Ich glaube, das ist die Folge davon, wenn man gesagt bekommt, was man alles nicht tun soll.

HATTEST DU NIE DAS BEDÜRFNIS, DAS KONSERVATIVE QUEENSLAND ZU VERLASSEN UND VIELLEICHT GLEICH NACH SYDNEY ZU GEHEN, WEIL ES DORT EINFACHER SEIN WÜRDE, ARTISTEN UND KÜNSTLER ZU FINDEN ODER DEINEN LEBENSSTIL ZU VERWIRKLICHEN?

Nein. Ich glaube auch, dass genau dieser Druck dazu geführt hat, dass sich die richtigen Personen für dieses Projekt getroffen haben. Man kann bestimmt schnell Artisten und Künstler finden und sie in einen Raum sperren und schauen, was dabei herauskommt. Aber das Ergebnis muss dann nicht zwingend das sein, was wir mit Briefs zeigen und erreichen wollen.

WIE WÜRDEST DU DENN DAS KONZEPT VON BRIEFS BESCHREIBEN?

Es handelt von Schönheit und Hässlichkeit, von Artistik und Quatsch. Wir sind Stolz darauf, Chancen zu bieten. Chancen, zum Beispiel Transen einmal als Kunst zu erleben. Viele meinen, Transen sind halt einfach Transen. Aber dass dies auch eine Kunstform ist, das kannst du bei Briefs erleben. Wichtig ist es für uns dabei, den Geist der ursprünglichen Idee weiterleben zu lassen. Es war der Wunsch, Spaß zu haben, der uns antrieb. Wir hoffen, diesen Spaß, gepaart mit hochwertiger Kunst, vermitteln zu können.

DAS SPIEL MIT GESCHLECHTERROLLEN IST ALSO EIN ELEMENTARER BESTANDTEIL DER SHOW?

Das Spiel mit den Geschlechtern, mit männlichen und weiblichen Rollenmodellen, ist sogar ein elementarer Bestandteil der australischen Kultur in gewisser Weise ein Klebstoff der Gesellschaft. Historisch gesehen waren Ladyboys und Transen einerseits die hübschen und lustigen Clowns, andererseits waren sie oft Grund für Intrigen, bis hin ins politische Leben.

UND WIE WICHTIG IST ES, SCHWUL ZU SEIN? ICH GLAUBE IHR SEID NICHT ALLE SCHWUL ...

Nein, sind wir nicht. Eine Grundidee hinter Briefs ist es, Grenzen zu überwinden. Ich mag die Idee, diese Grenzen in einer Show so verschwimmen zu lassen, dass der Zuschauer egal ob Mann, Frau, homo oder hetero einen Zugang findet. Einen Zugang zu Sexualität, aber auch Kunst, den er sonst vielleicht niemals bekommen hätte. Deswegen ist Briefs auch keine schwule Show. Wir haben aktuell drei Transen und drei heterosexuelle Zirkusartisten im Team. Es ist doch spannend zu sehen, wie Heteros auf sexuelle Reize Schwuler anspielen oder Transen visuelles Theater spielen.

*Interview: Olaf Alp

Übersetzung: Christian Knuth

THE SECOND COMING, 7. 28.3. IM TIPI AM KANZLERAMT, BERLIN, WWW.BRIEFSBOYS.COM

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