IVO EBERT: „Wertschätzung von Lebensmitteln“

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Nachhaltig, umweltverträglich, ökologisch – klingt alles gut, doch wie setzt man das um, wenn man auch erfolgreich wirtschaften will? Wir tauschten uns mit einem aus, der es wissen muss: Ivo Ebert vom Restaurant einsunternull.

VERRATE UNS DOCH, WOHER DEINE LEBENSMITTEL KOMMEN ...

Wir beziehen unsere Produkte ausschließlich von Bauern und Produzenten, deren Arbeitsweise mit unserem Denken und Handeln der Nachhaltigkeit, Umweltverträglichkeit und natürlich mit unserem Geschmack vereinbar ist. Derzeit sind es 38 an der Zahl. Zumeist kommen diese aus Berlin und unmittelbarer Umgebung in Brandenburg und Mecklenburg. Unseren Fisch liefern uns die Müritzfischer, ursprünglich ein kleiner Fischerverbund, der aufgrund zahlreicher Nachfragen nun schon eine stattliche Größe erreicht hat. Unser Salz kommt von einem Produzenten aus Chemnitz. Einer unserer wichtigsten Lieferanten ist Roberto Vena von der „Wilden Gärtnerei“ aus Rüdnitz bei Bernau. Er kultiviert alte Gemüsesorten, erntet wildes Obst und wilde Kräuter. Für alle, die weitere Informationen zu unseren Lieferanten möchten: einfach anrufen.

DU BIST DA AUCH VOR ORT?

Klar, das Projekt von Roberto beispielsweise lebt von der Unterstützung der Besteller und Verbraucher. Er nennt es liebevoll „sozialistische und kleinbäuerliche Pionierlandwirtschaft“. Im Juni habe ich eine ganze Woche auf dem Hof gelebt und gearbeitet. – Bei unseren Besuchen der Produzenten geht es aber auch oft um die Weiterentwicklung der Region und insbesondere um die Qualität der Produkte. So haben wir etwa bei den Müritzfischern eine japanische Fischtötungsmethode namens Ike Jime eingebracht. Diese klingt erst einmal ziemlich brutal, sorgt aber für ein stressfreies Sterben der Fische und ist entscheidend für deren Qualität und Haltbarkeit.

UND DU ARBEITEST AUF DEM FELD MIT?

Nun ja, eigentlich erlaubt es meine Zeit nicht. Aber seit ich es einmal ausprobiert habe, ist meine Wertschätzung von Lebensmitteln viel größer. Ich überlege mir genau, wie viel ich einkaufe und was beispielsweise Tomaten oder Radieschen wert sind. Wer vier Stunden auf dem Feld gehockt hat, um Stecklinge zu setzen, kann nachvollziehen, was ich meine. Früher bin ich einfach in den Laden marschiert und habe gekauft, worauf ich Appetit hatte. Heute halte ich Gemüse in den Händen und sehe mich im langwierigen und anstrengenden Produktionsprozess einer kleinen Gärtnerei. Es ist ein großartiges Geschenk, bewusst zu erleben, wie wertvoll Dinge sein können.

SIND DEINE LEBENSMITTEL DENN SO VIEL TEURER ALS KONVENTIONELLE WARE?

Bei dieser Frage beginne ich eine Grundsatzdiskussion. Grundsätzlich sind Lebensmittel viel zu billig. Eigentlich müssen Lebensmittel mehr Wert besitzen. Ein Produzent wie Roberto Vena muss sich trotz erhöhtem Aufwand durch Handarbeit am Marktpreis der konventionellen Ware orientieren. Dies gelingt nur durch Selbstausbeutung. Sein Arbeitstag beginnt täglich um 5:30 Uhr und endet frühestens um 23 Uhr. Wir benötigen einen grundsätzlichen Wertewandel zum Thema Konsumverhalten. Einerseits ist in den Köpfen der Menschen „Bio“ immer noch teurer und praktisch nicht für jeden erreichbar. Nehmen wir aber einfach weniger und gehen bewusst einkaufen, reicht es auch für wertvolle Produkte.

WO MÜSST IHR ABSTRICHE MACHEN?

Wir machen keine! Unser Denken und Handeln ist eine unserer Stärken. Natürlich müssen wir auch auf die wirtschaftliche Seite unseres Betriebes beachten, da wir aber keine klassischen Luxusprodukte verarbeiten, können wir unseren Lieferanten sogar einen besseren Preis zahlen. Umso ärgerlicher sind dann Kommentare wie: „Na bei den Produkten hauen die sich ja ordentlich die Taschen voll.“

WIE SIEHT SO EINE TYPISCHE WOCHE AUS FÜR DICH?

Arbeitsreich und gedankenintensiv. Meine Woche geht von Montag bis Sonntag. Ein Arbeitstag umfasst in der Regel 12 bis 14 Stunden. Jeden Tag bin ich herzlicher Gastgeber, Handwerkerbetreuer, Personalarzt, Problemlöser, Querdenker, Weinverkoster und Lebensliebhaber.

www.einsunternull.com

UPDATE: Wir gratulieren zum 1. Michelin-Stern!  

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