„Diversität ist nicht Friede, Freude, Eierkuchen“

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Foto: bjö

Bürgermeisterin und Frankfurts Dezernentin für Diversität, Antidiskriminierung und gesellschaftlichen Zusammenhalt Nargess Eskandari-Grünberg war Ende Oktober zu Gast bei Christy Moons Talkshow #ChrischtelsPlauderrunde im Switchboard. Thema des Abends: Maßnahmen gegen queer*feindliche Gewalt in Frankfurt.

Im Talk mit Christy Moon wusste die Bürgermeisterin sich überzeugend als entschlossene Verbündete der queeren Community darzustellen: „Diversität ist nicht Friede, Freude, Eierkuchen“, erklärte Eskandari-Grünberg gleich zu Beginn des Abends. „Es bedeutet kämpfen für eine Normalität, die wir brauchen. Ich möchte eine bessere Welt haben, in der Menschen nicht ausgegrenzt werden“. Das könne sie allerdings nicht allein erreichen, sondern brauche dafür die Unterstützung von Polizei, Politik und vor allem auch der Community, um die Bedarfe zu erfassen und nötige wie richtige Maßnahmen zu ergreifen – „dann können wir was verändern“; so die Bürgermeisterin.

Queer*feindliche Gewalt in Frankfurt

Seit gut zwei Jahren häufen sich queer*feindliche Übergriffe in der Frankfurter Innenstadt – bereits 2021wurde lautstark in einer ersten Kundgebung des Bündnis Akzeptanz und Vielfalt Frankfurt auf die Missstände hingewiesen. Nach einer weiteren Demo-Kundgebung ein Jahr später, als die Meldungen zu queer*feindlichen Übergriffen mit Körperverletzungen im Vorfeld des CSD 2022 dramatisch gestiegen waren, die Regionalpresse aufmerksam wurde, verschiedene Organisationen wie die AIDS-Hilfe öffentliche Forderungen nach mehr Schutz der queeren Community äußerten und man unter anderem auch Manuel Irlbeck als Opfer persönlich in städtischen Ausschüssen anhörte, wurde die Stadt, allen voran die neue Dezernentin Nargess Eskandari-Grünberg, tätig: Zunächst wurde die Polizeipräsenz zum CSD 2022 erhöht, seit September findet man auch im Bermudadreieck vor allem an den Wochenenden mehr Polizeibeamte.

Eine neue Stabstelle wurde gegründet, die gegen Diskriminierung vorgehen soll. Außerdem wird es eine neue „Ombudsstelle Antidiskriminierung“ im Amt für multikulturelle Angelegenheiten geben, die zentral als Anlauf- und Beratungsstelle für Frankfurter Bürger*innen dienen soll. Ein Pride-Month soll in allen Stadtteilen die Sichtbarkeit und das Bewusstsein für die queere Community erhöhen – „und wenn die Regenbogenflaggen abgerissen werden, dann hänge ich sie, wenn’s sein muss, zehnmal wieder auf“, sagte Eskandari-Grünberg unter dem Applaus der Switchboard-Gäste.

Jenseits dieser ersten städtischen Maßnahmen ist die Community selbst auch aktiv geworden: Das Bündnis Akzeptanz und Vielfalt hat mit den Szenewirten die Aktion „Sag es deinem Barkeeper“ ins Leben gerufen: Wer beleidigt wird, bedroht, verfolgt oder angegriffen, dies aber nicht direkt oder selbst der Polizei melden möchte, kann es dem Barkeeper seiner Stammkneipe sagen. Die Vorfälle werden gesammelt und dann einmal im Monat den Queer*beauftragten der Frankfurter Polizei gemeldet. Mehr dazu auch hier.

Lasst uns darüber reden“

Veränderungen kämen nicht von heute auf morgen, erklärt Eskandari-Grünberg, „und der Grund für Queer*feindlichkeit ist komplex“ ergänzt die studierte Psychotherapeutin. Daher setze sie langfristig vor allem auf Bildung und möchte Initiativen wie zum Beispiel das Projekt Schlau, das mit Workshops in Schulen und mit Jugendlichen das Thema LSBTIQ* bearbeitet, verstärkt unterstützen.

Wie kompliziert und vielschichtig die Bearbeitung des Problems generell ist, zeigte sich auch an anderer Stelle: Während ein großer Teil der Community die verstärkte Polizeipräsenz begrüßt hatte, gab es beim CSD mit dem Flugblatt „No Pride with Cops!“ auch Gegenstimmen: „Es kann nicht sein, dass hauptsächlich weiße queere Bündnisse den rassistischen Polizeiapparat als sogenannte Schutzmaßnahme für Queers fordern“, heißt es da. Auf die Frage beim Talk im Switchboard, wo denn das Problem sei, für mehr Videoüberwachung im Bermudadreieck zu sorgen, tönte es aus einer anderen Ecke „Wir leben doch sowieso schon in einem Überwachungsstaat“.

„Lasst uns darüber reden, wenn es verschiedene Meinungen gibt“, konterte Eskandari-Grünberg souverän. Ende November soll es zu einem ersten Treffen der Stabstelle kommen – mit Vertreter*innen aus Polizei, Community und Politik. Wir werden berichten.

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