25 Jahre Weissenburg

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Foto: Zentrum Weissenburg

Das Zentrum Weissenburg ist die queere Anlaufstelle in Stuttgart – ein Kommunikations-, Emanzipations- und Kulturzentrum mit Café-Betrieb. Am 3. Februar feierte die Weissenburg ihr 25-jähriges Vereinsjubiläum. Im Interview erinnert sich Vorstandsmitglied Joachim Stein an die Anfangstage und kommentiert die aktuellen Entwicklungen.


Die Mitteilung zum Jubiläum des Zentrum Weissenburg ist überschrieben mit „Vom Schmuddelkind zum social player“ – wie sah die Situation der Stuttgarter LGBTIQ*-Community 1996 aus und warum wurde das Zentrum für queere Menschen damals als „schmuddelig“ empfunden?

Die Stuttgarter Community war 1996 klein aber fein. Es gab und gibt immer noch ein reges Vereinsleben, aber kommunalpolitisch und landespolitisch waren wir noch weitgehend ausgegrenzt. So war es zum Beispiel ein politischer Skandal, dass einer unserer Mitgliedsvereine als Träger der freien Jugendarbeit anerkannt werden sollte. Dazu war das Gutachten eines Psychologen nötig, der insbesondere zur Verführungstheorie Aussagen treffen musste. Eine Brauerei, von der wir einen Kleinkredit zur Einrichtung unseres Cafés wollten, ließ uns wissen, dass sie ihren Start in Stuttgart nicht im „Rotlichtmilieu“ machen wollte.

Was zeichnet das Zentrum nach 25 Jahren für die Community aus?

Unsere ursprüngliche Idee, daraus ein Kommunikations-, Emanzipations- und Kulturzentrum zu machen, ist in wesentlichen Teilen umgesetzt. Unser Café mit kleinen Preisen ist Treffpunkt für viele Menschen von jung bis alt. Hier ist ein Transmissionsplatz für Informationen, aber auch ein Platz für Lesungen, Ausstellungen und Auftritte junger Dragqueens.

Inzwischen haben auch die umliegenden Behörden und Organisationen unsere Räume als gut erreichbare und geeignete Tagungsräume entdeckt. Seit fünf Jahren haben wir mit Hilfe der Stadt und des Kooperationspartners Fetz e.V. unsere Beratungsarbeit professionalisiert und beschäftigen dort insgesamt fünf Personen hauptberuflich.

Foto: Zentrum Weissenburg

Foto: Zentrum Weissenburg

Gibt es eigentlich immer noch die schöne Idee, dass der Service im Café an bestimmten Tagen von Stuttgarts queeren Gruppen geleistet wird? Wie kam es zu dieser Idee?

Wie so oft, gab eigentlich der Mangel den Anlass. Nach mehr als 10 Jahren engagierten Einsatzes von ehrenamtlichen Thekenkräften war die Luft ein bisschen raus. Wir haben deshalb eine Idee aus München aufgegriffen und unsere Mitgliedsorganisationen gebeten, sich mit zu engagieren und so auch neue und andere Kontakte zu ihren Vereinsmitgliedern zu entwickeln. Das hat auch sehr gut funktioniert, bröselt inzwischen aber auch wieder ab, weil auch das ehrenamtliche Potenzial bei den Mitgliedsorganisationen nicht mehr so leicht zu finden ist.

Jeder Verein muss schauen, wie er seine Arbeit aufrecht erhält und so ist eben auch in unserem Kontext das Hemd näher als der Rock. Aktuell sind noch zwei Mitgliedsorganisationen an unserer Theke im Einsatz. Die dritte hat uns Mitte letzten Jahres verlassen, nachdem es in der Mitgliedschaft einen erheblichen Aderlass gab.

Das Zentrum Weissenburg bietet nicht nur Raum für Gruppentreffen, Kultur und queere Caféhausatmosphäre sondern engagiert sich aktiv in der queeren Stadtgeschichtsforschung. In welche Projekte ist die Weissenburg involviert?

Wir sind hier an der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber beteiligt, einer Einrichtung, die in einem Täterort (das ehemalige Gestapo-Zentrum BaWü, Anm. d. Red.) die Verfolgungsgeschichte der Opfer deutlich zu machen versucht. In der Initiative stellen wir ein Vorstandsmandat. Wir haben ein Gedenkprojekt für die Opfer des Nationalsozialismus aus der Taufe gehoben, www.der-liebe-wegen.org, und in diesem Kontext auch eine weitere Webseite zu wichtigen Geschichtsorten in Stuttgart online gestellt: www.derliebewege.de.

Zum diesjährigen Opfergendenktag für die NS-Opfer haben wir mit zwei Autor*innen ein neu herausgekommenes Buch zu LSBTIQ*-Opfern im KZ Auschwitz besprochen und eine Historikerin arbeitet in unserem Auftrag an einem Projekt zur Auffindung lesbischer Frauen in Psychiatrien während der NS-Zeit.

In Stuttgart gibt es derzeit Planungen für ein „Regenbogenhaus“, ein Kulturzentrum für LSBTIQ*; wie steht das Projekt zum Zentrum Weissenburg?

Die Anregung zu diesem Projekt kam von uns, weil wir bedingt durch unsere Beratungsarbeit inzwischen unsere Arbeit an drei Standorten in Stuttgart durchführen. Außerdem wollen wir dem Umstand Rechnung tragen, dass nach 25 Jahren die Sichtbarkeit des Regenbogens in der Stadtgesellschaft etwas präsenter sein darf. Die Weissenburg befindet sich in einem Hinterhof, der von der Straße nicht einsehbar ist. Für unsere Gründung war das sehr gut, denn dadurch konnten wir unseren Besuchenden mehr Schutz bieten.

Inzwischen hat sich unsere Situation aber stadtgesellschaftlich wesentlich verändert. Wir sind in Gremien der Stadt vertreten, wir haben unmittelbaren Einfluss auf die Stadtpolitik in Stuttgart. Da darf es auch ein bisschen sichtbarer zugehen. Außerdem kommen wir während des laufenden Betriebs immer deutlicher an die Grenzen unserer räumlichen Möglichkeiten. Im Moment ist unsere Onlinebefragung dazu angelaufen, an der sich möglichst viele Menschen beteiligen sollten. Mehr gibt es dazu auf unserer Projektwebseite www.regenbogenhaus-stuttgart.de

Was bedeutet der Shutdown für das Zentrum Weissenburg?

Die Einrichtung befindet sich im zwangsverordneten Dornröschenschlaf und bewegt sich widerstrebend aber stetig auf die wirtschaftliche Insolvenz zu.


www.zentrum-weissenburg.de

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