Freies Schauspiel Ensemble spielt Édouard Louis

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Foto: Felix Holland

Schon das autobiografische Romandebut des französischen Jungautorenstars Édouard Louis „Das Ende von Eddy“ sorgte für aufgeregte Begeisterung in der Literaturwelt: Louis beschreibt darin schonungslos seine Jugend in der französischen Provinz, die vor allem von Armut, Gewalt und Homophobie geprägt war.

Louis hat sich selbst aus dieser empfundenen Hölle befreit, studierte und verarbeitet das Erlebte in seinen Romanen und gesellschaftskritischen Essays, die ebenfalls große Beachtung fanden. 2014 wurde er mit dem Pierre Guénin-Preis für besonderes Engagement gegen Homophobie auszeichnet. 2019 erschien in Deutschland sein dritter Roman „Wer hat meinen Vater umgebracht?“, in dem er den Blick vom Privaten auf das Politische erweitert und die Gründe für die Gewalttätigkeit seines Vaters analysiert: Louis versteht, dass die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mitverantwortlich sind.

Foto: Felix Holland

Die Regisseurin Bettina Kaminski nutzt beide Romane für ihre Inszenierung mit zwei Schauspielern und einem Schlagzeug; das Stück stellt das Ideal von Männlichkeit in Frage, dessen Kehrseite Gewalt, Hass auf Homosexualität und Unterdrückung der eigenen Emotionen bedeutet.

„Ich habe nach Schauspielern gesucht, die sehr körperlich sind und eine gewisse Sensibilität mitbringen“, sagt Kaminski. „Eine auf mich ausstrahlende Offenheit für alle Geschlechter“. Die Regisseurin interessiert vor allem der gesellschaftspolitische Hintergrund in Louis‘ Texten:

„Die Texte spielen in einem reichen Land Mitteleuropas – das könnte ebenso gut Deutschland oder England sein – und der Staat und die Gesellschaft ziehen sich mehr und mehr aus ihrer sozialen Verantwortung heraus. Der Sozialstaat wird abgebaut, das Narrativ sukzessive verändert: Es ist nicht mehr die Solidargemeinschaft, die Schwächere, Kranke, Arbeitslose und andere unterstützt und Verantwortung übernimmt, sondern der Einzelne ist selbst schuld, keine Arbeit zu finden, krank zu werden etc. ‚Da muss er sich halt mehr anstrengen, sich optimieren und nicht auf der sozialen Hängematte ausruhen‘. Und das ist ein Skandal. Da dürfen wir nicht wegschauen. Wir müssten, mit Édouard Louis gesagt, doch eigentlich schreien“.

26.11. und 16.12., Titania, Basaltstr. 23, Frankfurt, www.freiesschauspiel.de

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