Auf geht’s mit Frl. Wommy Wonder!

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Foto: Ferdinando Iannone

Mit schöner Regelmäßigkeit stellt Frl. Wommy Wonder im Sommer ihre neue Revue vor. Im Interview erklärt Wommy, um was es geht: Auf geht’s!


Frl. Wommy, dein neues Programm heißt „Auf geht’s“ – ein positives Signal in ungemütlichen Zeiten?

Aber natürlich. Positives Denken ist wichtig, Motivation auch, vor allem momentan - und es gilt nach wie vor meine Devise „Lachen ist die letzte Waffe, die uns bleibt, wenn wir alles andere zum Heulen finden!“ Insofern lasse ich mich nicht unterkriegen, grundsätzlich nicht und jetzt erst recht nicht. Ich versuche, mich an allem zu erfreuen, ich freue mich auch, wenn’s regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es trotzdem. Ich freue mich, wenn ich in der Bahn sitze und der Zug länger braucht, da habe ich mehr Fahrtzeit fürs Geld. Ich frage mich nicht, ob das Glas halb voll ist oder halb leer, ich trinke einfach aus, was drin ist und ordere bei Bedarf nach. Und man darf nicht vergessen, dass es immer Menschen gibt, denen es schlechter geht als einem selber. Ich habe zum Beispiel in meinem Umfeld eine Hardcoreveganerin – und jetzt kriegt sie Wurstfinger. Das sind Schicksale, neben denen vieles verblasst.

Neben Kollegin Schwester Bärbel ist auch dein Alter Ego Elfriede Schäufele mit dabei. Was kann die Schäufele, was die Wonder nicht kann?

Wenn man mich fragt: Nichts. Wenn man sie fragt: Alles. Die Wahrheit liegt wohl auf halber Strecke. Sie kommt beim Putzen in die kleinsten Ritzen, die ich meide, um mir nicht die Nägel zu ruinieren. Dafür ist sie so direkt und frech, wie ich es mich nicht zu sein traue, weil mir der eigene Intellekt dabei in die Quere kommt. Oder meine exquisite katholische Erziehung. Oder mein Harmoniebedürfnis. Irgendwas ist immer. Wahrscheinlich brauchen wir uns gegenseitig, um die Qualitäten des anderen herauszustellen.

Foto: Ferdinando Iannone

Drag erlebt seit einigen Jahren einen echten Boom. Beeinflusst das auch auf dein künstlerisches Schaffen?

Nein, ganz und gar nicht, weil ich mit Drag eigentlich nichts zu tun habe, obwohl ich schon viermal Dragqueen des Jahres war. Das war zugegeben sehr schmeichelhaft, insofern unterdrücke ich da nur zu gerne den Reflex, den Leuten den Unterschied zwischen Drag und Travestie und dem, was ich mache, zu erklären. Ich bin von klassischer Travestie so weit entfernt wie Transit von Transport und von Drag so weit entfernt wie Transport von Transponder. Aber egal, Schubladen gibt’s für mich nicht. Im Prinzip mache ich auf der Bühne nicht das, was man sich unter Travestie vorstellt, sondern eigentlich „Kabarett im Fummel“, wo ich durch meine Bühnenfigur Rollenklischées aufhebe und Geschlechtergrenzen sprenge und dadurch nach allen Seiten gleichzeitig austeilen kann. Ich bin zwar durchaus politisch und betreibe „Unterhaltung mit Haltung“, aber eher bei gesamtgesellschaftlichen Themen. Drag ist für mich eher szenebasierte politische Arbeit, wo Phantasiewesen mit einem ungeheuren Talent für Maske und Kostüm durch ihre Präsenz für Toleranz sorgen. Mir fehlt die Phantasie für kreatives Make-up und überbordende Kostüme (Hut ab, wer’s kann), ich war noch nie eine Partymaus, und ich kann in mir keinen Drang entdecken, mich länger als nötig in High Heels zu wuchten, insofern nötigt mir jede Dragqueen Respekt ab. Gott sei Dank hab ich zu den Kolleg*innen aus der Dragszene ein sehr kollegial-freundschaftliches Verhältnis und kenne Stutenbissigkeiten nur aus den Erzählungen anderer. Vielleicht bin ich auch nur zu doof, sie wahrzunehmen …

Foto: Ferdinando Iannone

In den vergangenen Jahren haben uns alle mit unumgänglichen Veränderungen im Alltagsleben auseinandersetzen müssen – das wird wahrscheinlich weiterhin so bleiben. Was kann man tun (bzw. was tust du), um damit gut zurecht zu kommen? 

Stoisch gelassen bleiben und die Dinge akzeptieren, die man eh nicht ändern kann. Und sich keinen Illusionen hingeben, dass es (zumindest in meinem künstlerischen Bereich) in absehbarer Zeit auch nur annähernd wieder so werden wird wie vor zwei Jahren. Und das ist nicht allein dem Virus in die Schuhe zu schieben, sondern leider auch einer weltfremden Politik, die aus einem gut alimentierten Elfenbeinturm heraus den Bezug zu der Realität verloren hat, die für viele Alltag ist. Allein der Hass darauf sollte Ansporn genug sein, sich nicht unterkriegen zu lassen und weiterzumachen. Auf geht’s!


23.6. bis 17.7., „Auf geht’s“ von und mit Frl. Wommy Wonder, Friedrichsbau-Varieté, Siemensstr. 15, Stuttgart, Spieltage: Mittwoch bis Sonntag, www.wommy.de

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