Grenzwanderer

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Foto: johannes-kriesche.de

Das Switchboard zeigt derzeit die Ausstellung „Einsprung“ mit Werken von Johannes-Nandu Kriesche. „Alle Lust will Ewigkeit“ oder „Grenzwanderer“ heißen die Bildserien undzeigen Schwimmer, Turmspringer und extrovertierte Protagonisten.

Das Besondere aber ist unter anderem die verwendete Technik: Auf der bemalten Leinwand sind transparente Glaskugeln fixiert, die auf den Bildern wie ein reliefartiges Mosaik wirken und je nach Blickwinkel den gemalten Untergrund verschiedenfarbig schimmern lassen. So schillernd wie die Bilder ist auch Kriesches Leben, sie/er lebt heute teils als Frau und teils als Mann. In den letzten Jahren hat sich das Bedürfnis stärker entwickelt, das innere Weibliche stärker nach außen zu leben. Im Interview spricht Kriesche über die Kunst, aber auch über den Weg der Transition.


Foto: Kirsten Wemhöner

Bei meiner Recherche zum Interview bin ich im Internet zuerst auf Johannes Kriesche gestoßen, dann tauchte der Name Johannes-Nandu Kriesche auf. Ich dachte zuerst, du seist vielleicht zum Buddhismus konvertiert. Was hat es mit dem Namen auf sich?

Ich hatte mich mit einer Freundin über einen anderen Vornamen unterhalten, und sie meinte, Johanna, das ginge nicht, das sei zu nah dran an Johannes. Wir suchten dann nach einem anderen Namen, und ihr fiel ein Freund ein, der Alessandro heißt, in Kurzform Nandro, und dann kamen wir auf Nandu. Als wir nachgeschaut haben, was Nandu bedeuten könnte, kam heraus, dass ein Nandu ein Vogel Strauß ist, der in Südamerika lebt und nicht fliegen kann. In der Kindheit, dieser magischen Phase wenn man in seiner Märchenwelt lebt, habe ich mich manchmal in der Fantasie auch schon in einen Vogel Strauß verwandelt … 

Eine schöne Geschichte

Dieses Weibliche in mir, das ist für mich nicht neu, das begleitet mich eigentlich schon mein ganzes Leben lang. Es ist immer weiter gewachsen und hat mich auch manchmal belastet, denn es ist nicht so einfach, da ich mich als Künstler*in ja auch in der Öffentlichkeit bewege. Wenn ich nur Privatperson wäre, wäre das alles nicht so schwierig. Dann habe ich diesen Doppelvornamen geschaffen, Johannes-Nandu, damit man ein bisschen merkt, da ist noch irgendetwas anderes. Am Anfang konnte ich noch nicht ganz dazu stehen. Die Zeit war noch nicht reif. Aber jetzt ist die Zeit reif geworden, so dass ich sagen kann: Ja ich stehe dazu und finde es nicht schlimm, eher befreiend.

Bei der Eröffnung deiner Ausstellung im Switchboard hast du gesagt, dass das auch Einfluss auf deine Arbeiten genommen hat.

Ja, das ist wirklich interessant, weil ich plötzlich diese Power-Farben benutzt habe, violett zum Beispiel, wie in der neueren Reihe „Inner Circle“. Diese Farben hatte ich vorher fast nie benutzt, es sind Farben und auch Differenzierungen, die plötzlich auf mich zufliegen, das kann ich gar nicht richtig beschreiben!

Die Glasperlen-Bilder haben etwas Transparentes, und auch deine Paraffin-Bilder haben so etwas Verwischtes, Undeutliches oder Unscharfes. War das auch von deiner Transition beeinflusst?

Du musst dir vorstellen, dass, wenn du das in dir trägst, und du aber noch nicht so ganz dazu stehen kannst, dann möchtest du, dass das nicht rauskommt, dass man dich nicht ertappt. Das sitzt sehr tief in einem. Die Ausstellung im Switchboard ist meine erste Ausstellung als Johannes-Nandu. Ich habe nun keine Lust mehr, mich deswegen zu verstecken. Ja, und irgendwie geht so eine Veränderung ja dann auch unbewusst in meine Bildwelt über. Die Bilder hier, aus der Reihe„Alle Lust will Ewigkeit“, haben alle auch mit einem Wagnis zu tun, das Wagnis, irgendwo reinzuspringen, sich anders zu spüren.

Foto: johannes-kriesche.de

Oh, interessant, erzähle bitte! 

Es begann 2017. Es waren heiße Sommertage, so dass ich im Atelier in Badehose gearbeitet habe. Dabei kam das Verlangen auf, diese Reihe zu machen. Ob es funktionieren würde, wusste ich damals nicht, denn Glaskugeln auf Leinwand ganzflächig zu kleben ist als Maler*in eigentlich obsolet … 

Mit den weißen, flachen Acrylglas-Elementen bringe ich genau das Gegenteil von dem, wie es eigentlich aussieht: Also, normalerweise müsste es so sein, dass das Wasser, was zur Seite spritzt, sich in viele kleine Perlen aufteilt. Ich habe es hier genau umgekehrt gemacht: Das was spritzt, ist total klar, ruhig, total präzise, und das andere ist diffus. Die gemalten Protagonisten haben dadurch eine transparente verschwommene Schicht, man kann nie so ganz genau sehen ist, wer das ist. Diese Elemente waren schon immer da in meiner Kunst, Undurchsichtigkeit, Gegenteiligkeit.

Diese Reihe heißt „Alle Lust will Ewigkeit“, und das ist natürlich ein tiefgründig klingender Titel. Einfach „Schwimmerbilder“, das wäre es nicht gewesen! Ich hörte Gedichte damals beim Arbeiten, und dann sprang diese Zeilevon Friedrich Nietzscheso raus. Warum nicht Lust, ins Wasser zu springen? Das gibt es doch schon immer, ich will mich erfrischen, ich will ein anderes Medium spüren. Eine Hymne auf die Lust, anders zu sein, anders zu empfinden. Und ich selbst, ich springe jetzt in die Weiblichkeit rein. Wenn man sich meine bisherigen Werke anschaut, kam diese Ambivalenz immer wieder vor und begleitet mich fortan.

Ist das bewusst oder unbewusst?

Manchmal bewusst, manchmal unbewusst.

Deine Reihe „Grenzgänger“ hat es auch schon im Titel.

Ja, aber auch schon früher, in der Serie „Swanlike“. Die war inspiriert von einem Ballett-Gastspiel in der Alten Oper, getanzt nur von Männern. Sie bewegen sich wie Schwäne? Ich finde Schwäne super-ästhetisch. „Swanlike“, also warum nicht, schwanengleich als Titel der Serie. Diese Vögel deren Geschlecht nicht sofort erkennbar ist, haben ja ähnliche Lebensformen wie wir Menschen, sie binden sich oft zeitlebens aneinander. Sie verwandeln sich vom tristen Grau in ein fast betörendes Weiß. Und wenn man das dann wieder übersetzt in Malerei, dann verschwimmt das alles. Und ich glaube, man macht als Künstler*in nur das, was einen intuitiv und authentisch berührt. Anders geht das nicht im Leben mit der Kunst, auch der Wunsch, das persönliches Erleben in die Allgemeingültigkeit zu transponieren. 

Du standst am Anfang der Idee eines Cafés als Ausstellungsort etwas skeptisch gegenüber; warum hast du dich trotzdem für die Ausstellung im Switchboard entschieden?

Ja, sowas habe ich schon länger nicht mehr gemacht. Wenn ich in einer Galerie ausstelle, dann hängen die Bilder dort und du musst extra dort hingehen. Und dort geht es darum, etwas zu verkaufen. Hier im Switchboard fließt das einfach mit ins Leben ein. Diese Bilder passen hier gut rein. Die Kunst kommt zu den Menschen und verwandelt den Raum. Das soll jetzt kein Plädoyer dafür sein, das immer wieder so zu machen. Das Wagnis aus der Reihe zu tanzen, bringt aber neue Energien.

Du hast mal gesagt, dass du Dinge im Alltag als Inspiration wahrnimmst und sie dann verarbeitest. Das ist deine Arbeit als Künstler, das macht dich als Künstler aus.

Ja, das sind diese speziellen Antennen der Empfindsamkeit. Die sichtbare Welt ist für uns Künstler*innen eigentlich reine Poesie. Zum Beispiel die Spiegelung im Fenster hinter dir, die nimmt man nicht als etwas Störendes wahr, sondern eher als eine poetische Abstraktion.

Oder ein anderes Beispiel: Ich stand mal mit dem Auto an einer Ampel und die untergehende Sonne gegenüber blendete mich nur leicht, Dann wurde die Ampel orange und stand genau neben der Sonne, die fast exakt dieselbe Farbe hatte … Der eine Kreis wird gleich grün, und der andere verschwindet gleich. Und darüber denke ich dann nach und nehme das mit. Wenn wir das nicht bemerken als Künstler*innen, dann sind wir nicht aufmerksam genug. Denn Inspiration ist etwas sehr Kostbares. „Jeder kann und sollte wie ein Künstler denken, empfinden“, sagte Joseph Beuys mal sehr treffend. Dieses Bild von der Ampel und der untergehenden Sonne, das ist dann bei mir gescannt, das arbeitet dann in mir. Fragen und hinterfragen. Und irgendwann taucht es dann eventuell in einem Bild auf. Ein Bild sollte immer etwas Absurdes transportieren, etwas, das man vielleicht nicht ganz versteht und dann aber trotzdem hinschaut, um es zu verstehen. Es muss eine Berührung stattfinden. Kunst kann Brücken bauen, das ist wichtig, zu unbekannten Aussagen und zur Lust auf die Kunst, egal wo.


Die Ausstellung „Einsprung“ ist noch bis zum 18. März im Switchboard, Alte Gasse 36, Frankfurt, zu sehen, www.switchboard-ffm.dewww.johannes-kriesche.de

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