Qualitätsmerkmal Handarbeit

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Foto: Günzel/Rademacher © Museum Angewandte Kunst

Wer, wenn nicht das Museum Angewandte Kunst, kann sich mit der Frage nach dem „Mythos Handwerk“ qualifiziert auseinandersetzten? Zugegeben, „Handwerk“ ist ein weites Feld, das die Kurator*innen jedoch in sechs thematischen Schwerpunkten konzentriert, anschaulich und animierend präsentieren.

Foto: Günzel/Rademacher © Museum Angewandte Kunst

Empfangen wird man im zweiten OG des Museums gleich mit der grundsätzlichen Frage: Was ist eigentlich Handwerk? Als Antwort sind auf zwei großen Wänden Fotografien und Malerei zu sehen, die traditionelle Hutmacher*innen, Weber*innen oder Korbflechter*innen bei der Arbeit zeigen, aber auch Werbeplakate für Heimwerkermärkte sind dazwischen positioniert. Aha?! Im darauffolgenden Ausstellungsraum findet man die dazu passende Überlegung: In traditionellen Darstellungen handwerklicher Arbeit sind Männer meist in kraftvollen Posen zu sehen – Darstellungen von Frauen hingegen zeigen sie bei der Ausübung „ihres“ Handwerks meist in kleinteiliger Arbeit und gebückter Haltung. Neben dem Ausstellungstext steht – fast schon als Antithese – die Bronzedarstellung eines Denglers, der in gebückter Haltung dem Schärfen einer Sense nachgeht; „wirkt dieser Handwerker durch seine Haltung etwa femininer?“, fragt die Ausstellung den Besucher. Auf ähnliche Art und Weise wird in den sechs Ausstellungsabteilungen dem „Mythos Handwerk“ nachgespürt: Einzelstück/Serie, Hand/Kopf, Lokal/Global, Luxus/Notwendigkeit, Meisterschaft/Do it Yourself sowie Tradition/Fortschritt.

Welche der dem Handwerk oft zugeschriebenen Werte wie Ehrlichkeit, Tradition oder Schlichtheit sind heute noch von Bedeutung? Welche Werte entstehen gerade neu? Wie viel falsche Romantisierung steht hinter diesen Zuschreibungen? Wie viel Handwerk steckt in der Kunst – und wieviel Kunst im Handwerk? Kann man Design, Kunst und Handwerk überhaupt so strikt trennen, wie wir es heute tun?

Auch Themen wie Kolonialismus und kulturelle Aneignung werden angeschnitten – anhand eines Dirndl-Kleids, das als Design ein typisch afrikanisches Stoffmuster verwendet, dessen Ursprung und handwerkliche Batik-Technik wiederum aus Asien stammt.

Foto: Günzel/Rademacher © Museum Angewandte Kunst

Die Ausstellung sieht sich auch als Reaktion auf ein gesteigertes gesellschaftliches Interesse an „echtem“ Handwerk, sei es in Form eines neokonservativem Qualitätsbewusstseins oder als „Do it yourself“-Heimwerker-Boom In diesem Zusammenhang wird auch die politische Instrumentalisierung von Volkskultur und Tradition kritisch hinterfragt. All diese Überlegungen und Fragen sind in eine Schau meisterhafter Handwerkskunst eingebettet: edle Holzeinlegearbeiten, elegantes Geschirr, beeindruckende Keramik und Mode, aber auch formschönes Design aus dem 3D-Drucker. Im HandWERKraum kann man schließlich selbst aktiv werden und seine Skills im Flechten, Bauen oder Konstruieren erforschen. Es macht Spaß!

Mythos Handwerk“, Museum Angewandte Kunst, Schaumainkai 17, Frankfurt, noch bis 11. September, frankfurt

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