Nachgefragt • „Papier ist ja geduldig“

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Christine Rüffert vom Queerfilm Festival in Bremen über das Festival und Budgetkürzungen durch die Stadt Bremen.

Foto: M. Rätz

WIE KAM ES ZUR GRÜNDUNG DES FESTIVALS VOR 23 JAHREN?

Vor 23 Jahren hatte ich schon einige Jahre Kino gemacht, und da war mir aufgefallen, dass es kaum authentische Bilder von Lesben und Schwulen im Unterhaltungsfilm gab. Im Hollywoodmainstream waren das ja meist Außenseiter oder tragische Gestalten, mordende Psychopaten und blutsaugende Vampirinnen, die am Ende immer den Tod finden müssen. Homosexualität war einfach negativ besetzt. Und da haben zwei Vorführer/innen und ich anlässlich des Lesbenfrühlings mal ein paar andere Filme gesucht und angeboten. Ich wollte diese falschen Bilder ersetzen, nicht-heteronormative Lebensweisen als selbstverständliche Alternative zeigen, Selbstbewusstsein stärken. Von Anfang an übrigens unter dem heute fast selbstverständlichen breiten Label „queer“. Alle Programme waren immer für alle Identitäten und Orientierungen als gemeinsames Erlebnis offen.

WAS HAT SICH IN DEN LETZTEN JAHREN VERÄNDERT?

Wir sind gewachsen, wir haben ein bisschen mehr „Drumherum“: Losfeen und eine Tombola, eine Bar zum Abhängen nach dem Film, einen Publikumspreis für den beliebtesten Film etc. Wir sind inzwischen in der Szene etabliert, wir haben Sponsoren, die uns finanziell unterstützen, sodass wir uns manchmal Gäste leisten können und die Filme untertiteln, die wir früher nur im Original (oder deshalb oft gar nicht) gezeigt haben. Wir haben mit anderen unabhängigen LGBT*IQ-Festivals in Deutschland den Verbund Queerscope gegründet und vergeben in diesem Jahr erstmalig gemeinsam einen dotierten Preis für das beste Erstlingswerk. Und das Programm ist breiter, vielfältiger geworden. Wie auch die Themen, die sich ständig ändern. Wir zeigen ja immer die neusten Produktionen des queeren Filmschaffens, und da ist genau zu merken, was gerade brisant ist. Ganz früher ging es zuerst einmal überhaupt um Akzeptanz, die Filme handelten oft vom Coming-out. Heute zeigen Filme viel selbstverständliches Beziehungsleben, da interessieren plötzlich Themen wie Ehe oder Kinderwunsch oder Älterwerden. Ging es früher darum, überhaupt mal ernsthafte und einfühlsame oder auch provokante Sexszenen zu zeigen, thematisieren Filme jetzt schon mal, wie denn jemand lebt, der wegen seiner Behinderung beim Sex auf die Hilfe Dritter angewiesen ist. Dann sind da die Probleme der Identitätsfindung und Selbstbestimmung bei Trans*-Menschen und Intersexuellen. Manche Themen, um die wir uns kümmern, bleiben leider immer aktuell, wie zum Beispiel die Homophobie in vielen Ländern, in denen Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen und Identitäten nach wie vor verfolgt werden.

ES WURDEN FÖRDERGELDER GESTRICHEN? WIE VIEL UND WAS BEDEUTET DAS FÜR EUCH?

Es handelt sich um den Zuschuss des Senators für Kultur von 2.000 Euro (im Rahmen allgemeiner Projektmittelkürzungen). Das ist immerhin fast ein Sechstel unseres Gesamtbudgets. Unser Etat geht sowieso nur für „harte“ Kosten wie Filmleihmieten, Raummieten und Werbung drauf, fast die gesamte Arbeit wird von einem Team gemacht, das ein ganzes Jahr lang ehrenamtlich tätig ist. Wir sind als gemeinnütziger Verein organisiert und dürfen daher auch keine Gewinne machen, die wir für schlechte Zeiten  ansparen könnten, wir sind also auf Spenden angewiesen. Sollte es bei der Kürzung bleiben, wissen wir nicht, ob wir das Festival in der Form weiterführen können. Der Vorstand wird sich zur Zukunft demnächst beraten. Nachvollziehbar ist der komplette Ausfall des Zuschusses nicht, wo doch erst im letzten Jahr das Land Bremen stolz den Landes-Aktions-Plan gegen Homophobie und Transphobie im Parlament verabschiedet hat.  Darin ist vorgeschlagen, das Festival als Leuchtturminstitution durch Förderung zu einer größeren Kulturveranstaltung zu erweitern. Papier ist ja geduldig. 

•Interview: Mathias Rätz

11. – 16.10., Queerfilm Festival, Bremen, www.queerfilm.de

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