Nachgefragt: Barbie Breakout, HIV-Aktivistin

by

Foto: M. Rädel

Was bedeutet für dich der 1. Dezember?

Für mich hat der erste Dezember eine recht vielschichtige Bedeutung. Einerseits ist es für mich der Tag im Jahr, an dem ich verstärkt an all unsere verlorenen Freunde und Mitstreiter denke. Es ist ja immer ein bisschen eine utopische Idee, aber dennoch: Wo wären wir, wer wären wir in Deutschland, wären nicht Generationen von uns umgebracht worden oder an Aids gestorben? Das Dritte Reich hat gezielt queere Menschen inhaftiert und getötet – und das generationsübergreifend. Als die Lager befreit wurden, haben die meisten Gefangenen die Freiheit wiedererlangt und durften ein neues Leben beginnen, sofern das mit all den erlittenen Traumata überhaupt möglich war.Für die meisten von uns jedoch wartete nach dem Lager der Knast. Über die nächsten vierzig Jahre erkämpften sich die wenigen verbleibenden und nachwachsenden mutigen Homos so etwas Ähnliches wie ein Existenzrecht, eine Daseinsberechtigung in der Parallelgesellschaft. Dann kam in den 1980ern Aids und raffte die sich gerade erholende queere Identität generationsübergreifend dahin. Wir hatten Anfang der 1990er – seit 60,70 Jahren – keine älteren Vorbilder, keine Leitfiguren, die einem das schwule Altern oder Beziehungen hätten vorleben können. We have to make it up as we go. Zum Zweiten ist der erste Dezember auch nach all den Jahren und dem medizinischen Fortschritt immer noch der Tag, an dem man den jüngeren Generationen Safer Sex erklären muss, verstärkt Aufklärung über das Leben mit HIV betreibt und hofft, dass etwas davon hängenbleibt.

Hast du Freunde an Aids verloren?

Natürlich habe ich Freunde an AIDS verloren. Das muss aber nicht immer heißen, dass sie direkt vom Virus getötet worden sind. Manche haben sich nach der Infektion mit Drogen zugrunde gerichtet, bei anderen hat die Leber nach mehreren Hepatitis-Behandlungen parallel zur HIV-Medikation den Geist aufgegeben. Andere haben sich das Leben genommen. Direkt an Aids gestorben ist seit Mitte der 1990er keiner meiner Freunde mehr.

Was wünschst du dir von der Szene, von der Gesellschaft?

Das ist recht simpel: Ich wünsche mir vor allem von der jungen Generation, dass sie sich aktiv informieren, damit sie zum Thema Safer Sex bewusste, informierte Entscheidungen treffen können. Allgemein gesprochen wünsche ich mir als HIV-Positive, dass wir weiterhin daran arbeiten, die Stigmatisierung uns gegenüber abzubauen. Das funktioniert, wie so vieles, am besten über Bildung und Information.

*Interview: Michael Rädel

www.instagram.com/barbiebreakout

Back to topbutton