Sheila Wolf im Interview

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Foto: Feistycat Photography

„Ich brauche mindestens eine Stunde allein für’s Styling.“ Wenn sich Sheila Wolf, die eigentlich Wolfgang heißt, für eine Show zurechtmacht, kann das schon mal eine Weile dauern. Sheila Wolf ist Burlesque-Künstlerin. Sheila Wolf ist aber auch Papa und Ehemann. Seit 26 Jahren ist er glücklich mit seiner Frau Diana zusammen. Die findet das völlig in Ordnung, dass ihr Mann in Frauenkleidern auf der Bühne steht. Wir sprachen mit dem Paar über Vorurteile, Familie und hohe Absätze. 

SHEILA, DU HEISST MIT BÜRGERLICHEM NAMEN WOLFGANG …

Sheila: Wolf. Wolfgang nennt mich keiner.

KANNTET IHR EUCH DAMALS SCHON, ALS SHEILA WOLF ENTSTANDEN IST?

Diana: Schon sehr lange sogar.

SEIT WANN SEID IHR ZUSAMMEN?

Sheila: Seit 1999.

Diana: Nein.

Sheila: Nein?

Diana: Wir sind seit 1990 zusammen und seit 1998 verheiratet.

Sheila: Ja, stimmt.

Sheila: Ich habe es zunächst für mich behalten. Ich hatte damals einen Blog auf Yahoo!, als es noch gar keine Blogs gab. Das war vor 14 Jahren oder so. In diesem Blog habe ich meine Gefühle aufgeschrieben und bin anderen Transen gefolgt, die das schon richtig professionell gemacht haben. Ich dachte mir, das kannst du auch. Diana kam gerade aus dem Urlaub zurück, als ich ihr sagte, ich würde mich gerne mal als Frau verkleiden.

Foto: M. Rädel

WAS HAST DU IN DEM MOMENT GEDACHT?

Diana: So locker, wie er es gerade erzählt, war es eigentlich nicht. Ich komme aus dem Urlaub, und er empfängt mich mit den Worten: „Ich muss dir was sagen.“ Da stellen sich einem ja schon mal die Nackenhaare auf. Er sagte mir also, er hätte seine weibliche Seite entdeckt. Was erwartet mich denn jetzt, habe ich ihn gefragt. Das hätte ja damals noch vieles bedeuten können. Es war schließlich für uns beide komplettes Neuland.

Sheila: Was ich allerdings von vornherein wusste: Man wird nicht schwul, weil man Frauenkleider trägt. Entweder man ist schwul oder man ist es eben nicht. Schwulsein ist keine Krankheit oder eine plötzliche Gefühlsregung, die kommt und wieder geht. Viele in meinem Bekanntenkreis und auch meine Mutter dachten natürlich: „Oh Gott, jetzt wird der Junge schwul.“ Die Leute denken in Schubladen, und in der einen oder anderen landet man irgendwann zwangsläufig. Da muss man mit Vehemenz immer wieder erklären, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun haben muss. Mittlerweile verstehen sie es.

UND FÜR DICH WAR DER PROZESS ÄHNLICH?

Diana: Wenn man 15 Jahren zusammen ist und ein Kind zusammen hat und dann so eine Information bekommt, schluckt man schon erst mal. Was sagen meine Eltern dazu? Was sagt unser Kind dazu? Da hängt ja ein riesiger Rattenschwanz dran. Danach haben wir lange miteinander geredet. Er war sehr euphorisch, was keine Überraschung war. Wenn man sich neu entdeckt, ist das natürlich aufregend. Ich hatte schon daran zu knabbern, aber letztendlich habe ich lieber einen glücklichen Mann, der vielleicht mal in Frauenkleidern auftritt, als einen Mann der neben mir unglücklich auf der Couch sitzt und wir uns überhaupt nicht mehr leiden können. 

Sheila: Mir war es wichtig, dass ich es ihr zu einem noch frühen Zeitpunkt sage und es nicht, wie es in der heterosexuellen Transenszene üblich ist, heimlich ausübe. Ich hatte eine Weile lang eine kleine Bühne in Berlin Köpenick. Zu dieser Zeit schrieben mich oft Leute aus kleineren Städten an, die wussten, dass ich verheiratet bin und meine Frau auch weiß, was ich da auf der Bühne treibe. Einer hat mal seine Frau mitgebracht, um zu sehen, wie sie reagiert. Die fand die Show super und er hat noch am selben Abend mit ihr gesprochen. Heute sind sie als Paar ausgeglichener als jemals zuvor. 

WARST DU BEI SEINER ERSTEN SHOW DABEI?

Diana: Ja, und ich war sehr stolz. Man stellt nicht einfach so eine Show auf die Beine. Da steckt eine Menge Arbeit dahinter.

UND EUER KIND, KOMMT DAS AUCH MIT ZU PREMIEREN?

Sheila: Meine Tochter ist seit sieben Jahren aufgeklärt, was der Papa da macht, und kommt immer mit, wenn ich Premiere feiere. Wir hatten damals eine Maisonette-Wohnung und ich habe mich oben in einem abgeschotteten Bereich heimlich fertiggemacht. Irgendwann stand sie dann – ich weiß es noch, als wäre es gestern gewesen – im Bad neben mir, ich im Kostüm, und guckte mich mit großen Augen an. Heute ist das überhaupt kein Problem. Sie hilft mir sogar manchmal mit den Kleidern. Heute widerwilliger als damals. Sie ist jetzt 15. (lacht)

WAS MACHST DU EIGENTLICH BERUFLICH, DIANA?

Diana: Ich habe einen Stoffladen.

Sheila: Manch einer behauptet ja, ich würde nur wegen ihr Travestie machen. Sie ist nämlich gelernte Frisörin und hat mal Make-up Artist gelernt und hat jetzt auch noch den Stoffladen …

DAS HEISST, DU NÄHST IHM DIE KOSTÜME?

Diana: Nein, nein. Ich ändere sie nur ab. Ganze Outfits sind mir zu aufwendig.

WER KANN DENN BESSER IN HIGH HEELS LAUFEN?

Diana: Ich konnte schon immer gut in High Heels laufen. Ich bin ja nur 1,60 Meter groß, und kleine Frauen tragen immer hohe Absätze! (lacht) Ich kann darin auch rennen.

GEHT IHR AUCH ZUSAMMEN SHOPPEN?

Diana: Klar. Leider haben wir den gleichen Geschmack, weshalb wir dann Kleider oft in zwei Größen kaufen.

Sheila: Was ich eigentlich total blöd finde.

Diana: Ich auch. (beide lachen) 

*Interview: Felix Just

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