Urlaub 2020 – was jetzt?

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Urlaubspläne geplatzt, Existenzen bedroht – die Corona-Krise sorgt auch in der LGBTIQ*-Tourismusbranche für einige Unsicherheit.

In den Räumen des Kölner Reisebüros Teddy Travel herrscht aktuell gähnende Leere. Seit 37 Jahren ist Jochen Volland Inhaber des traditionsreichen schwulen Unternehmens in der Mathiasstraße, dessen Kunden zu etwa fünfzig Prozent aus der LGBTIQ*-Community stammen. Die Corona-Krise hat fast alle Reisepläne zunichtegemacht. „Zwischen März und Mai hatten wir kaum neue Buchungen und auch nach den Lockerungen ist bisher keine Verbesserung zu spüren“, so Volland. „Das gesamte Team ist in Kurzarbeit und das wird auch wohl bis September oder Oktober so bleiben.“ Zwar hat Volland die erste staatliche Hilfe von 9.000 Euro schnell bekommen, um einen Kredit der KfW, der ihm das Überleben für ein Jahr ohne Gewinne sichert, musste er allerdings hart kämpfen. Als Eigentümer der Büroräume muss er zum Glück keine Miete zahlen, dafür flossen allein im März etwa 40.000 Euro Rückzahlungen an Kunden, deren Urlaub storniert wurde. „Alle unsere Kunden haben Geld statt Gutscheine bekommen, allerdings weigern sich Fluggesellschaften wie Lufthansa, Eurowings oder KLM/Air France beharrlich, die gesetzlich vorgeschriebene Erstattung vorzunehmen, und haben die entsprechende Funktion in den Buchungssystemen einfach abgeschaltet“, so Volland.

Urlaub wird anders

Auf lange Sicht blickt Jochen Volland zwar positiv in die Zukunft, kurzfristig sind für den 60-Jährigen aber längst nicht alle Unwägbarkeiten geklärt. „Bis es eine Impfung gibt, wird der Urlaub, wie wir ihn kennen, sicherlich anders verlaufen. Wer verreist, muss damit rechnen, dass vielleicht der Zugang zum Hotelpool reglementiert wird oder Ähnliches.“ Für den Winter sieht der Reiseprofi vor allem eine Chance für Ziele wie die Kanarischen Inseln oder das Rote Meer. „Bei Langstreckenzielen wie USA, die Karibik oder Südamerika sehe ich für die Wintersaison erst einmal schwarz. Am ehesten werden wohl Ziele in Fernost wie etwa Thailand wieder möglich sein“, so Volland. Kurzfristig sieht er vor allem eine Chance bei Zielen innerhalb Deutschlands wie etwa Berlin, Sylt, den Schwarzwald oder seine Heimatstadt Köln.

Foto: Kerle.reisen

Kerle reisen individuell

Das Thema „Heimat entdecken“ spielt auch bei dem im Frankfurter Raum ansässigen Reisevermittler Kerle.reisen eine wichtige Rolle. „Wir haben aktuell viele individuelle Touren in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgenommen und bieten spannende Programme etwa an der Nordsee oder nach Bayern an“, so der Inhaber Martin Richter. Normalerweise hat sich sein vor vier Jahren gegründetes Unternehmen auf Aktiv-Gruppenreisen für schwule Männer spezialisiert. Nun mussten für 2020 bereits dreißig Reisen abgesagt werden. In der Existenz bedroht sieht sich Martin Richter noch nicht. „Im Moment leben wir von unseren Rücklagen, und auch die 9.000 Euro staatliche Corona-Hilfe haben wir in Anspruch genommen“, so der 41-Jährige. Die ersten Gruppenreisen, etwa in den Bayerischen Wald Anfang Juli oder rund um die Ostsee Mitte Juli, werden voraussichtlich stattfinden. „Wir sind optimistisch, dass die Gruppenreisen im Herbst, etwa nach Taiwan oder Namibia, ebenfalls durchgeführt werden können. Das Buchungsinteresse ist da und die Teilnehmer gehen kein Risiko ein, wenn die Reise doch noch abgesagt wird, da das Geld erstattet wird.“

Kunden verunsichert

Erst einmal keine Gruppenreisen plant dagegen Claus Abraham. Der 56-jährige Franke vermittelt unter der Marke Pinktours individuelle Urlaube, veranstaltet aber auch selbst Gruppenreisen. „Coronabedingt mussten wir unsere Reisen zum Songkran-Festival nach Bangkok und zum Tel Aviv Pride absagen“, so Abraham. Auch er nahm die staatliche Corona-Hilfe in Anspruch und schickte seine Mitarbeiter in Kurzarbeit. „Seit 18. März sehen wir so gut wie keine Buchungen, die Kunden sind extrem zurückhaltend“, so der Pinktours-Chef, der im Moment hauptsächlich mit der Abwicklung von Stornierungen beschäftigt ist. „Wenn man die Bilder von Flugbegleitern sieht, die wie auf einer Intensivstation herumrennen, ist der Kunde natürlich verunsichert“. Chancen sieht auch er für Reiseziele wie die Kanaren oder Thailand. Doch nachdem die Bundesregierung angekündigt hat, bei einer möglichen zweiten Corona-Welle keine Rückholaktionen mehr durchzuführen, sieht Abraham auch hier ein gewisses Risiko, das nicht jeder eingehen will. 

Foto: pinktours.de

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