INTERVIEW: PRIDE-WEEK HAMBURG

Heute startet die Pride-Week in Hamburg. Die Organisation des größten und öffentlichkeitswirksamsten schwul-lesbischen Events des Jahres liegt beim Hamburg Pride e. V. Wir trafen uns mit dem 1. Vorsitzenden Lars Peters und der Pressereferentin Ina Steinbach.

CSD 2008 – WAS SIND EURE HAUPTFORDERUNGEN?

Das Wichtigste ist unser Motto: „Butter bei die Fische! Endlich Gleichstellung.“ Das ist unsere Forderung, die in Richtung der Politik geht – jetzt, wo wir eine schwarz/grüne Regierung haben. Koalitionsvertrag gut und schön, es muss sich aber auch was bewegen. Und natürlich muss sich auch die Szene bewegen, jeder Einzelne soll aktiv werden. Wir wollen Gleichheit, Gleichstellung im Erb- und Steuerrecht, im Adoptionsrecht. Wir möchten europaweit Achtung und Gleichstellung für Homosexuelle erreichen. Natürlich auch gern noch darüber hinaus, aber Europa ist der Bereich, in dem wir agieren können. Wir möchten intensive Aufklärung über gleichgeschlechtliche Lebensweisen an Schulen und eben auch über sexuell übertragbare Krankheiten wie Aids. Das ist im Grunde genommen unser Forderungskatalog: Wir wollen Förderung und Unterstützung – und keine Streichungen.

EINE FRAGE ZU DEN ANMELDEUNTERLAGEN. ERST WIRD EINE KOMMERZIELLE TEILNAHME KATEGORISCH ABGELEHNT UND SPÄTER DANN DOCH WIEDER EINGERÄUMT. ERKLÄRT DAS DOCH MAL.

Also man muss da ganz klar trennen: Die Parade ist eine Demonstration, das Straßenfest ist eine kommerzielle Veranstaltung. Das zieht verschiedene Konsequenzen nach sich. Die Parade und alles, was mit der Parade zu tun hat, ist für uns kostenlos. Das heißt, wir müssen die Stadtreinigung nicht bezahlen, wir brauchen die Absperrungen nicht bezahlen, und wir müssen die Einsätze der Polizei nicht bezahlen. Das ist natürlich gut so. Das ist auch wichtig und richtig, weil wir dadurch allen Gruppen und Vereinen und Einzelpersonen die Möglichkeit geben, sich und ihre Meinung öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Beim Straßenfest ist das anders, da müssen wir das ganze Drumherum bezahlen: Strom, Wasser, Reinigung, Absperrungen etc. Und wir müssen diese Kosten auch irgendwie decken. Wir versuchen das dann entsprechend zu refinanzieren. Bei der Parade gab es immer wieder Diskussionen aus verschieden politischen Richtungen: Warum muss eigentlich ein schwules und lesbisches Volksfest von den anderen Steuerzahlern bezahlt werden? Die tanzen, zeigen sich nackt und machen ’ne große Party. – Diese Frage kann man stellen, und deshalb ist unser Anliegen umso wichtiger, das Politische am CSD in den Vordergrund zu stellen und die kommerziellen Anteile zurückzunehmen ... und das eben auch mit einer Beschränkung durchzusetzen, die verlangt, dass die Werbefläche an jedem Truck nicht mehr als 25 Prozent betragen darf. Die politischen Forderungen wiederum müssen mindestens 25 Prozent der Fläche betragen. Problematisch wird es, wenn es einen Jägermeister- oder Red Bull-Wagen oder was auch immer gibt, wo zu 100 Prozent nur Werbung gemacht wird, um Kontakte zu einer kaufkräftigen Zielgruppe zu schaffen. Da haben wir dann das Problem. Wir kriegen Ärger von der Stadt und auch Ärger mit der Szene, weil die natürlich fordert, dass der CSD keine kommerzielle Veranstaltung sein soll. Deshalb ist es uns wichtig, dass der Kommerz eingeschränkt wird. Daher auch die Beschilderung der einzelnen Gruppen, die wir im letzten Jahr eingeführt haben. So kann man die Forderungen der einzelnen Gruppen gleich lesen, sie bleiben besser hängen und geben dann auch noch ein paar Denkanreize. Außerdem wird man auf Gruppen aufmerksam, die man sonst vielleicht nicht wahrgenommen hätte. Im Übrigen ist es natürlich gut, wenn in der BILD oder dem Abendblatt Bilder von Gruppen zu sehen sind, die ihre Schilder tragen und auf diese Weise ihre Forderungen auch in den nicht-schwulen Medien weitergetragen werden.

IST DER CSD NOCH ZEITGEMÄSS?

Solange es keine Gleichstellung gibt, solange es noch Länder auf dieser Erde gibt, wo man wegen Homosexualität umgebracht wird, gibt es über die Notwendigkeit gar keine Diskussion. Da muss man auf die Straße gehen und sagen, was man will. Über die Form kann man natürlich diskutieren.

WAS PLANT IHR FÜR DIE ZEIT DES JAHRES, WO KEIN CSD STATTFINDET?

So einen CSD auf die Beine zu stellen, ist eine große Aufgabe. Der Spruch „Nach dem CSD ist vor dem CSD“ trifft bei uns hundertprozentig zu. Nach einer kurzen Erholungspause muss man sich schon wieder mit der Grobplanung des kommenden Jahres auseinandersetzen und die ersten Gespräche führen.

Im letzten Jahr zum Beispiel wurden wir damit konfrontiert, dass öffentlich diskutiert wurde, warum der CSD denn nicht bitte auf dem Spielbudenplatz stattfinden kann, weil für den Jungfernstieg nur noch eine begrenzte Anzahl von Veranstaltungen pro Jahr geplant waren. Da müssen wir sofort agieren und überzeugen, dass der CSD ins Herz von Hamburg gehört und auf jeden Fall in der Nähe des Rathauses stattfinden muss. Nicht zuletzt in solchen Situationen macht sich bezahlt, dass wir mit unserer festangestellten Mitarbeiterin Nina Bade jemanden haben, der das ganze Jahr über für Fragen und Informationen jederzeit und professionell zur Verfügung steht, um den letzten CSD abzuarbeiten und den neuen wieder vorzubereiten.

– Es gibt seit zwei Jahren den Winter-Pride, eine kleine, aber feine Veranstaltung, die erst auf dem Hamburger Weihnachtsmarkt und im letzten Jahr auf der Langen Reihe stattfand. Hauptaufgabe von Hamburg Pride ist jedoch die organisatorische Plattform für den CSD zu schaffen. Wir stellen für die ganzen Vereine und Organisationen die Infrastruktur zur Verfügung, damit sie sich einer großen Öffentlichkeit präsentieren können.

•Interview: Christian Knuth

Internet: Verein im Netz

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