Brasilien: Bolsonaro-Familie in Mord an lesbischer Stadträtin verwickelt?

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Das Nachrichtenmagazin Jornal Nacional des TV-Senders Globo veröffentlichte am Dienstagabend die Zeugenaussage eines Pförtners der Wohnanlage Bolsonaros, wonach sich die beiden Hauptverdächtigen im Mordfall Marielle Franco wenige Stunden vor dem Anschlag in der Wohnanlage aufgehalten haben, in der auch Präsident Jair Bolsonaro wohnt.

Foto: Mídia NINJA / wikimedia

Die lesbische Politikerin Marielle Franco, die sich aus ärmlichen Verhältnissen zu einer der lautesten Stimmen gegen Polizeigewalt und Rassismus in Brasilien hochgearbeitet hatte, wurde am 14. März 2018 zusammen mit ihrem Fahrer brutal hingerichtet. Das Attentat ereignete sich nur kurz, nachdem Franco Vorsitzende einer Kommission zur Aufklärung der Militärgewalt in Brasilien geworden war (blu berichtete).

Foto: twitter.com/domingosbrazao

Bis heute sind die Morde nicht aufgeklärt. Die Ermittlungen laufen durch das korrupte System von Polizei und Politik schleppend, so wird unter anderem der frühere Abgeordnete Domingos Brazão von der rechtskonservativen Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) verdächtigt, falsche Fährten gelegt zu haben.

Der Nachrichtendienst UOL berichtet unter Berufung auf die Anklageschrift sogar, dass Brazão die Ermordung von Franco und Gomes in Auftrag gegeben habe.

Präsident Bolsonaro und ein Nachbar als Hauptverdächtiger

Die nun veröffentlichten Aussagen des Pförtners belasten einen der Hauptverdächtigen, Ex-Polizist Élicio Queiroz, und die Bewohner des Hauses von Präsident Bolsonaro. Queiroz sei am 14. März 2018 vorgefahren und habe angegeben, zum Haus von Präsident Bolsonaro zu wollen. Der Pförtner habe das Haus kontaktiert, woraufhin jemand, der sich als „Senhor Jair“ ausgab, die Einfahrt von Queiroz autorisiert habe. 

Queiroz sei dann nicht zu den Bolsonaros gefahren, sondern habe den mutmaßlichen Mörder von Marielle Franco, Ronnie Lessa, aufgesucht, der ebenfalls in der Anlage wohnte. Beide hätten die Wohnanlage gemeinsam verlassen – mutmaßlich, um die Stadträtin von der Socialism & Freedom Party (PSOL) zu ermorden.

Ein Foto, auf dem der brasilianische Präsident mit seinem Nachbarn – einem der Tatverdächtigen – zu sehen ist, wirft zusätzliche Fragen über die Rolle der Familie auf.


Bolsonaro rastet auf Facebook aus

Präsident Bolsonaro zeigte sich angesichts der Vorwürfe not amused. In einem 23-minütigen Live-Video auf Facebook beschimpfte er den TV-Sender Globo wüst und drohte, dessen Lizenz nicht zu verlängern. Ein von der FAZ veröffentlichter Ausschnitt des Videos mit deutschen Untertiteln kann HIER aufgerufen werden.


Der Präsident ließ bekanntgeben, dass es sich bei der Zeugenaussage des Pförtners um Falschinformationen handele. Er habe sich am 14. März 2018 in Brasília aufgehalten, Anwesenheitsprotokolle des Parlaments belegen das.

Das ändert aber nichts an den Verbindungen zwischen der Präsidentenfamilie und den Milizen des Landes (Polizisten und Beamte der öffentlichen Sicherheit, die gleichzeitig für den Staat und für die organisierte Kriminalität arbeiten), vor denen Menschenrechtsorganisationen seit jeher warnen. Auch die Vorgänge in der Wohnanlage des Präsidenten am 14. März 2018 sind deshalb noch lange nicht aufgeklärt. 

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