Den Regenbogen als Fundament: Desmond Tutu zum 90.

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Es war ein leises Fest für einen Lautsprecher der Menschenrechte: Die südafrikanische Anti-Apartheid-Ikone Desmond Tutu wurde am 7. Oktober 90 Jahre alt. Der emeritierte Erzbischof gilt auch im hohen Alter noch als die moralische Stimme seines Landes. Trotz gelockerter Covid-Maßnahmen fanden die Geburtstagsfeierlichkeiten in Südafrika jedoch gedämpft und teilweise virtuell statt. 

Der als heiter und energetisch bekannte Friedensnobelpreisträger mit dem gewinnenden Lächeln tritt nur noch selten in der Öffentlichkeit auf. Zuletzt zeigte sich Tutu seinen Landsleuten im Mai. Gemeinsam mit seiner Frau Leah ließ er sich medienwirksam gegen Covid impfen. Im Rollstuhl sitzend winkte er in die Kameras. So auch gestern bei einer Veranstaltung in St. George Cathedral von Kapstadt. Das Alter fordert seinen Tribut von dem Mann, der einst die Welt mit scharfer Kritik an Südafrikas Apartheid-Regimes in ihren Bann zog und dessen Vermächtnis über ein schon in biblischen Zeiten moralisch aufgeladenes Symbol mit Freiheits- und Gleichheitsbewegungen auf der ganzen Welt verbunden ist. Er lebt es – auch dank lesbischer Tochter – bis heute kompromisslos vor. 

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Foto: Rodger Bosch / AFP

Tutu, am 7. Oktober 1931 in Klerksdorp nahe Johannesburg geboren, wurde im Alter von 30 Jahren zum anglikanischen Priester geweiht, nachdem er zunächst als Lehrer gearbeitet und unter anderem am Londoner King's College Theologie studiert hatte. 1976 wurde er zum Bischof von Lesotho ernannt, zwei Jahre später führte er als erster schwarzer Generalsekretär den Südafrikanischen Kirchenrat an. Seine Tochter Mpho Tutu-van Furth berichtete im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP von der Wut ihres Vaters über den Alltagsrassismus, den er in Südafrika während der Apartheid erfuhr. So habe Tutu während einer Autofahrt an einem heißen Tag für seine Kinder Eis kaufen wollen. Als ihm gesagt wurde, dass „Kaffer“ nicht im Laden, sondern nur am Hinterfenster bedient würden, „stürmte mein Vater wütend da raus. {...} Wir haben an dem Tag kein Eis bekommen." 1984 bekam Desmond Tutu den Friedensnobelpreis für seine Opposition gegen das Apartheid-Regime in Südafrika verliehen. Im selben Jahr wurde er der erste schwarze Bischof von Johannesburg und forderte ein Embargo gegen die Regierung der weißen Minderheit. Zwei Jahre später wurde er der erste schwarze Erzbischof Kapstadts sowie Primas der Anglikanischen Kirche des Südlichen Afrikas. Eine seiner wichtigsten Aufträge erhielt Tutu nach dem Ende der Apartheid. Ab 1996 führte er die Wahrheits- und Versöhnungskommission an, die öffentliche Anhörungen zu den Gräueltaten während der Apartheid abhielt. Der Bischof wurde in dieser Zeit zu einer Stimme der Versöhnung, prägte den Ausdruck „Regenbogennation“ für Südafrika. Er glaubt daran, dass sein Land der Welt einen neuen Weg zur Überwindung von Konflikten zeigen könne.

Seine Botschaft der Versöhnung hielt Tutu nicht davon ab, Missstände weiter anzuprangern, was ihn bis heute bei großen Teilen der südafrikanischen Bevölkerung beliebt macht und bei den Mächtigen oftmals gleichermaßen unbequem. Er setzte sich gegen Homophobie in der Anglikanischen Kirche ein, legte sich wegen großzügiger Bezüge von Ministern mit dem damaligen Präsidenten Nelson Mandela an und wurde nicht müde, die unter Ex-Präsident Jacob Zuma grassierende Korruption zu kritisieren. Im Jahr 2013 erklärte er, den seit Ende der Apartheid in Südafrika regierenden African National Congress (ANC) nicht mehr wählen zu wollen. 

Bedrohtes Erbe: Radikalisierung wegen ungerechter Verteilung?

William Gumede von der Stiftung Democracy Works schreibt Desmond Tutu eine „einzigartige Rolle“ in Südafrikas Geschichte zu. „Wir hatten während des Übergangs Glück, ihn und Mandela zu haben, diese beiden Staatsmänner, die moralische Anführer waren“, sagte Gumede. Doch diese Ära neigt sich dem Ende zu. „Wir stehen am Anfang einer Zeit, in der wir diese wirklich großen moralischen Persönlichkeiten nicht mehr haben“, sagt Gumede. Desmond Tutus Botschaft der Versöhnung kommt bei einigen jüngeren Südafrikanern schon jetzt nicht mehr an. Sie haben das Gefühl, dass schwarze Südafrikaner während des Übergangs zur Demokratie zu großzügig waren, ohne die Täter der Apartheid zur Rechenschaft gezogen zu haben.

Foto: Rodger Bosch / AFP

Am 8. Oktober haben die Südafrikaner ihren Bischof trotzdem gefeiert: Bei einer von der Desmond und Leah Tutu Legacy Foundation veranstalteten Online-Vorlesung, bei der unter anderem der Dalai Lama sprach, sowie in der St. George Cathedral von Kapstadt, von deren Kanzel aus Tutu einst seine Predigten gegen Ungleichheit und Rassismus hielt. Er glaubt immer noch daran, dass seine Regenbogennation der Welt einen neuen Weg zur Überwindung von Konflikten zeigen kann. *Griffin Shea / AFP / ck

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