Überraschender Sinneswandel: Chiles Präsident will Ehe für alle

by ,

Noch 2019 hatte der rechtspopulistische Präsident Chiles, Sebastián Piñera, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare abgelehnt. Mit „Dringlichkeit“ solle das Parlament die Sache jetzt behandeln, damit „alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, in der Lage sein, in Liebe zu leben.“ Was ist passiert?

Chiles Präsident Sebastián Piñera hat überraschend seine Unterstützung für ein Gesetzesvorhaben zur Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe signalisiert. „Ich denke, dass die Zeit für die Ehe für alle in unserem Land gekommen ist", sagte der rechtsgerichtete Piñera am Dienstag (Ortszeit) vor dem Kongress.

Eigene Regierung dagegen

Das Vorhaben wird von einem Großteil seiner Regierungskoalition abgelehnt. Er werde die Abgeordneten darum bitten, die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe mit „Dringlichkeit“ zu behandeln, sagte Piñera und ergänzt:

„Auf diese Weise werden alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, in der Lage sein, in Liebe zu leben und eine Familie zu gründen, mit all dem Schutz und der Würde, die sie brauchen und verdienen.“

Sebastián Piñera, Präsident Chile, 1. Juni 2021

Für Piñera, der die Öffnung der Ehe für alle im Jahr 2019 noch abgelehnt hatte, ist die Ankündigung eine Kehrtwende. Im Januar des vergangenen Jahres, etwa drei Monate nach dem Beginn der Massenproteste in dem südamerikanischen Land, hatte der Senat ein Gesetzgebungsverfahren für die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Gang gesetzt. Die Idee war jedoch am Widerstand der konservativen Parteien gescheitert.   

Kreide gefressen nach Protesten und Wahl

Ausgelöst worden waren die Massenproteste in Chile durch eine Erhöhung der Fahrscheinpreise. Bei Zusammenstößen mit der Polizei wurden 30 Menschen getötet und tausende verletzt. Unter dem massiven Druck der Straße stimmte Piñera schließlich einem Verfassungsreferendum zu, einer der Hauptforderungen der Protest-Teilnehmer. Bei der Wahl der verfassunggebenden Versammlung hatte die Partei des Präsidenten im Mai eine schwere Niederlage erlitten. Auf ihre Kandidaten entfielen nur 21 Prozent. Rund 40 Prozent der Stimmen erhielten unabhängige Kandidaten und Kandidaten linksgerichteter Parteien. 

Eine Mehrheit im Parlament ist also theoretisch gegen die eigene Regierung des Präsidenten möglich. *AFP/ck

Back to topbutton