„LGBT-freie Zonen“: Französische Stadt kündigt Partnerschaft

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Die französische Stadt Saint-Jean-de-Braye kündigte nun die Städtepartnerschaft zur polnischen Stadt Tuchow, die sich zur LGBT-freien Zone“ erklärte. Sollten auch deutsche Städte ihre Partnerschaften mit LGBTIQ*-feindlichen Städten in Polen kündigen?

Seit letztem Sommer erklärten sich bereits mehr als 80 polnische Städte und Kommunen im Süden des Landes zu „LGBT-freien Zonen“ (wir berichteten). Diese beunruhigende Rückwärtsentwicklung führte zu großer Kritik der Weltöffentlichkeit, darunter dem Europäischen Parlament, das Polen dazu aufforderte, die Diskriminierung zu beenden (wir berichteten).

Neue Aufmerksamkeit erhielt die Problematik durch den Fotografen Bart Staszewski, der aus Lublin stammt – jener Stadt, die sich als erste zur „LGBT-freien Zone“ erklärte. Inzwischen lebt der Künstler in Warschau, reiste jedoch nach Südpolen, um queere Menschen vor den Schildern ihrer Städte zu fotografieren – ihrer Heimat, für die sie jedoch offiziell nicht mehr existieren.

Die französische Stadt Saint-Jean-de-Braye war für 25 Jahren die einzige Schwesterstadt der südpolnischen Stadt Tuchów. Tuchów unterzeichnete im Mai eine Resolution, die vor der LGBTIQ*-Ideologie und damit vor Radikalen schützen sollte, die die Unschuld der Kinder, die Redefreiheit und die Autorität von Familien angreifen.  

Nun votierte der Gemeinderat der französischen Stadt einstimmig, eigene Konsequenzen zu ziehen und die Städtepartnerschaft zu beenden. Saint-Jean-de-Brayes stellvertretende Bürgermeisterin Colette Martin-Chabbert erklärte den Schritt gegenüber France3 so:

„Auch wenn wir wussten, dass die Regierungspartei diese Homophobie initiiert, waren wir schockiert, als wir feststellten, dass die Stadt Tuchów für die Resolution gestimmt hatte, genau wie viele Gemeinden im Südosten Polens. Wir erkannten sofort die Schwere der Entscheidung und mussten feststellen, dass sich die Geschichte leider wiederholt. Hier im Loiret standen drei Internierungslager, deshalb sind wir fähig, das zu erkennen. [...] Wir können nicht akzeptieren, dass Entscheidungen wie diese unter Missachtung der Menschenrechte getroffen werden.“

Weimar gerät unter Druck

Städtepartnerschaften dienen dem wirtschaftlichen und kulturellen Austausch. Obwohl die erste deutsche Städtepartnerschaft bereits 1925 zwischen Kiel und der dänischen Stadt Sonderburg geschlossen wurde, gingen vor allem nach dem zweiten Weltkrieg immer mehr Städte solche Freundschaften ein. Eines der wichtigsten Ziele war und ist das Stärken einer europäischen Gemeinschaft.

Die Partnerschaften bestehen oft aus gegenseitigen Besuchen und gemeinsamen Aktionen. Besonders viele dieser Verbindungen gibt es aufgrund der gemeinsamen Geschichte zwischen deutschen und polnischen Städten. Meist gingen diese aus den Patenschaften hervor, die westdeutsche Städte nach 1945 für Vertriebene aus Polen übernommen hatten. 

Auch zu „LGBT-freien Zonen“ bestehen Beziehungen: Lublin hat mit Münster und Delmenhorst seit den 90ern gleich zwei deutsche Partnerstädte. Wielun unterhält Partnerschaften zu den deutschen Städten Adelebsen, Osterburg, Ochtrup und Waltrop. Mielecs Schwesterstadt ist Löhne im Kreis Herford. Bielefeld ist verbunden mit Rzeszów, Chelm mit Sindelfingen, Przemyśl mit Paderborn. 

Weimar und Schwäbisch Hall unterhalten eine Städtepartnerschaft zur polnischen Stadt Zamość. Weimar, die Stadt der Dichter und Denker, gerät deshalb zunehmend unter Druck – so forderte die Weimarer SPD den Oberbürgermeister Peter Kleine (parteilos) auf, die Städtepartnerschaft ruhen zu lassen, falls sich die Vorwürfe bestätigten. Auch Steffen Dittes, stellvertretender Landesvorsitzender der Linken in Thüringen, verlangte Konsequenzen von der Stadt. Er erklärte auf seiner Webseite: 

„Die Stadt Weimar drückt auf verschiedene Wege und zu immer wieder neuen Anlässen ihre Offenheit, Toleranz und Vielfalt aus. Die Erinnerung an Rosa-Winkel-Häftlinge in Buchenwald verpflichtet historisch dazu, Menschen vor Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Sexualität oder der von ihnen gewählten Familienform zu schützen.“

Die Entwicklung der „LGBT-freien Zonen“ kann hier auf einer interaktiven Karte verfolgt werden.

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