Londons erste offen lesbische Polizeichefin tritt zurück

by ,

Nachdem die London Metropolitan Police seit Monaten wegen Misogynie, Rassismus, Homophobie und Verwicklungen in mehrere, zum Teil massive Straftaten in der Kritik steht, muss Polizeichefin Cressida Dick ihren Platz räumen.

Cressida Dick, die noch wenige Stunden vor ihrem Rücktritt erklärte, sie habe „absolut nicht die Absicht“ zurückzutreten, betonte, sie habe „keine andere Wahl als zurückzutreten“, nachdem Bürgermeister Sadiq Khan ihr das Vertrauen entzogen habe.

Die 61-Jährige war 2017 als erste offen lesbische Frau an die Spitze der London Metropolitan Police Force (MPS, früher Scotland Yard) berufen worden, doch ihr war es nicht gelungen, die Behörde zu reformieren. In den letzten Monaten gelangte eine Serie von Skandalen wegen Rassismus, Sexismus, Frauenfeindlichkeit und Verwicklungen in Straftaten unter Dicks Führung an die Öffentlichkeit, die die Gesellschaft erschütterte. Unter anderem hatte ein Polizist im vergangenen März seinen Polizeiausweis benutzt, um eine junge Frau unter dem Vorwand, sie habe gegen Coronavirus-Beschränkungen verstoßen, festzunehmen. Anschließend entführte, vergewaltigte und ermordete er die 33-Jährige. Der Beamte wurde inzwischen aus dem Polizeidienst entlassen und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.

Der Fall löste eine hitzige Debatte über die Sicherheit von Frauen und interne Sicherheitsvorgaben der Polizei aus. So ging die Polizei bei einer Mahnwache für die ermordete Frau unter Verweis auf die Corona-Regeln mit Gewalt gegen demonstrierende Frauen vor.

Foto: Tolga Akmen / AFP

Anfang Februar veröffentlichte eine unabhängige Untersuchungsbehörde einen Bericht, in dem sie das auf vielfältige Weise „schockierende“ Verhalten von britischen Polizeibeamten anprangerte. Demnach tauschten Polizisten einer Londoner Dienststelle im Zeitraum von 2016 bis 2018 rassistische, sexistische, homophobe und gewaltverherrlichende Nachrichten über WhatsApp und Facebook aus. Die Untersuchung erstreckte sich auf 14 Polizisten, von denen zwei wegen schweren Fehlverhaltens auffällig geworden waren. Von ihnen wurde einer entlassen, der andere kündigte. Fehlverhalten wurde auch zwei weiteren Polizisten nachgewiesen. Die betroffene Dienststelle im Bezirk Charing Cross ist inzwischen aufgelöst worden.

Bürgermeister Khan „vollkommen angewidert“

Bei den Nachforschungen fanden die Ermittler*innen zum Beispiel Textnachrichten wie, „Ich würde dich gerne vergewaltigen“. Bei einer anderen Gelegenheit teilte ein Polizist mit, er würde Frauen schlagen, weil „sie dich dann mehr lieben“. Ein Polizeibeamter prahlte wiederholt damit, Sex mit einer Prostituierten zu haben, die er während der Arbeit kennengelernt hatte.

In den Nachrichten wurden laut Bericht außerdem homophobe und rassistische Ausdrücke verwendet, darunter Verweise auf afrikanische Kinder und das Konzentrationslager Auschwitz. Es habe auch Verweise auf sogenannte muslimische „Fanatiker“ und die Verwendung beleidigender Begriffe für behinderte Menschen gegeben. Die unabhängige Polizeiaufsicht betonte, es handele sich nicht um Einzelfälle.

Londons Bürgermeister Sadiq Khan sagte, er sei von dem Verhalten der Polizisten „vollkommen angewidert“. Wer sich sexistisch, rassistisch, frauenfeindlich, islamfeindlich oder antisemitisch verhalte, wer durch Mobbing oder Belästigung auffalle, habe es nicht verdient, die Uniform der Londoner Polizei zu tragen, fügte Khan hinzu.

Foto: Victoria Jones / POOL / AFP

Cressida Dick bleibt bis zur Berufung eines Nachfolgers im Amt. Ihr widerwilliger Rückzug hat die konservative Regierung kalt erwischt. Premierminister Boris Johnson und Innenministerin Priti Patel sprachen Dick demonstrativ Lob und Anerkennung aus. Kein Wort der Kritik. Zudem wurden Gerüchte gestreut, Khan, der Mitglied der oppositionellen Labour-Partei ist, habe allein aus politischem Interesse gehandelt, weil er seinen Vorstoß nicht mit Innenministerin Priti Patel abgestimmt habe. Patel hatte Dicks Vertrag erst vor wenigen Monaten um zwei Jahre bis 2024 verlängert. *AFP/sah

Back to topbutton