Trump geht, Graham bleibt – wegen Sexismus und Homophobie?

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Trump wird gehen – von ihm geprägte Strukturen werden bleiben, ebenso wie seine Verbündeten. Allen voran Lindsey Graham: Der republikanische Senator wurde wiedergewählt – trotz seiner sexistischen und homophoben Einstellung. Ja, genau der Graham, der im Sommer Probleme mit einem schwulen Pornostar bekam.

Foto: Michael Vadon / CC BY-SA 4.0 / wikimedia.org

Der Jubel in den liberalen Teilen der USA war groß, als Joe Biden gestern von den großen Nachrichtenagenturen des Landes zum Sieger der Wahl erklärt wurde. Gemäßigtere Stimmen mahnen jedoch zu einer realistischen Sicht auf die nächsten vier Jahre: Das Land ist gespalten. Und Trump wird das Weiße Haus am Ende zwar verlassen müssen, ansonsten aber nirgendwohin gehen. Von ihm geprägte gesellschaftspolitische Strukturen, gemeinhin „Trumpismus“ genannt, werden ebenso bestehen bleiben wie sein Twitteraccount und seine große Anhängerschaft. 

Auch der Senat wird vermutlich, entgegen aller Hoffnungen, nicht mehrheitlich demokratisch. Entschieden wird dies bei einer Stichwahl in Georgia im Januar. Fest steht aber schon jetzt: Die Republikaner konnten fast all ihre Sitze behalten. Darunter auch Lindsey Graham. Seine Kritiker nennen ihn sexistisch und homophob – sein Sieg zeigt exemplarisch, welche Einstellung die Mehrheit der US-Amerikaner noch immer unterstützt.

Der 65-Jährige ist einer der Republikaner, die auch jetzt noch öffentlich hinter Trump stehen und seine Niederlage nicht anerkennen wollen – er erklärte Donnerstag gegenüber dem Sender Fox News, er wolle 500.000 Dollar für Trumps Klagewelle spenden. 

„Ich bin heute Abend hier, um mich hinter Präsident Trump zu stellen.“


Graham siegt – durch Homophobie und Sexismus? 

Vor fünf Jahren sah sein Verhältnis zu Trump noch anders aus: Graham, der ebenfalls für die Republikaner kandidieren wollte, ätzte öffentlich gegen Trump. Nach dessen Sieg änderte er seine Meinung – und wurde einer seiner größten Fürsprecher. Viele seiner Kritiker werfen ihm – nicht nur deswegen – Rückgratlosigkeit vor.

Lindsey Graham gehört seit 2003 für den Bundesstaat South Carolina dem Senat der Vereinigten Staaten an. Zuvor hatte er den Staat im US-Repräsentantenhaus vertreten. Graham ist auch Vorsitzender des Justizausschusses und hat innerhalb seiner Partei viel Einfluss.

South Carolina ist traditionell republikanisch. Die Wiederwahl war also ein leichtes Spiel für Graham? Überraschend lieferte sein demokratischer Gegner Jaime Harrison ihm einen bis zum Schluss spannenden Kampf. Medien sprechen von dem teuersten Wahlkampf um einen Senatssitz aller Zeiten – die beiden sollen insgesamt rund 200 Millionen Dollar an Spenden gesammelt haben. 

Am Ende war Harrison, der von der Human Rights Campaign als „unerschütterlicher Verbündeter der LGBT+-Gemeinschaft“ bezeichnet wurde, gegen Graham aber doch chancenlos. Wenngleich nach Umfragen vorausgesagt wurde, dass Graham nicht wiedergewählt, sondern mit zwei Punkten verlieren würde, gewann der Republikaner mit 55,8 Prozent der Stimmen.

Graham genoss seinen Sieg und erklärte in seiner Rede:

„Hier ist die Botschaft, die ich erhalten habe - den Leuten gefällt, was ich tue, und ich werde es weiterhin tun!“

Es wird vermutet, dass das Wahlergebnis besonders an zwei Auftritten des Senators hing, die ihm nicht nur mediale Aufmerksamkeit, sondern auch neue Unterstützung in der Parteibasis sicherten. Die Botschaft, die dies sendet, ist gelinde gesagt beunruhigend.


Graham vergleicht Gleichstellung der Ehe mit Polygamie

Der erste Auftritt fand Mitte Oktober statt. Bei den Anhörungen zur Nominierung von Amy Coney Barrett für den Supreme Court stellte Graham seine homophobe Einstellung wieder eindeutig zur Schau. Der Republikaner soll in seiner Karriere gegen so ziemlich alle queerfreundlichen Gesetze gestimmt haben. So fragte er dann die konservative Richterin in Bezug auf das Obergefell-Urteil des Gerichts von 2015, wonach die gleichgeschlechtliche Ehe ein verfassungsmäßiges Recht ist:

„Gibt es ein verfassungsmäßiges Recht auf eine polygame Beziehung?“

Coney Barrett, die sich wiederholt weigerte, eine eindeutige Antwort darauf zu geben, wie ihr Urteil 2015 ausgefallen wäre, wich auch hier wieder aus. Es läge im Bereich des Möglichen, dass dies eine Frage sei, die vor dem Gericht eines Tages verhandeln könnte, so die später für den Supreme Court bestätigte Erzkonservative (wir berichteten). 


Graham: Frauen dürfen alles – aber eigentlich doch nicht

Bei einer Kundgebung am 31. Oktober in South Carolina erklärte der 65-jährige Abtreibungsgegner erneut seine Unterstützung für Coney Barrett – besonders gut gefalle ihm an ihr ihre Intelligenz und ihre tiefe Religiosität. Dann betonte er, es gebe einen Platz für Frauen in Amerika – wenn sie sich bestimmten Regeln beugten.

„Ich möchte, dass jede junge Frau weiß, dass es in Amerika einen Platz für sie gibt, wenn sie eine Fürsprecherin des Lebens ist, wenn sie sich zu ihrer Religion bekennt und einer traditionellen Familienstruktur folgt – dann können Sie alles erreichen, junge Dame.“


Seine sexistischen Aussagen wurden von Konservativen gefeiert und sollen zu Grahams Sieg beigetragen haben. Inwieweit der lebenslange Junggeselle, der in der Vergangenheit Gerüchte bezüglich seiner Sexualität immer wieder entschieden dementierte, allerdings ein Fürsprecher für „eine traditionelle Familienstruktur“ sein darf, sei einmal dahingestellt.

Im Juni geriet der Senator in die Schlagzeilen – zusammen mit dem schwulen Pornodarsteller Sean Harding. Dieser behauptete indirekt in sozialen Medien, der Senator sei nicht nur homophob, sondern auch homosexuell – und hätte sich bereits so ziemlich jeden männlichen Sexarbeiter aus dem Großraum Washington in sein Büro bestellt (wir berichteten). Harding rief Sexarbeiter dazu auf, sich ihm anzuschließen und den Senator gemeinsam mit einem durch Beweise fundierten, öffentlichen Outing zu Fall zu bringen.

Soweit der Redaktion bekannt, reagierte Graham nicht auf die Äußerungen – Sean Harding erklärte kurz nach seinen Postings, ihm sei für sein Vorhaben große Unterstützung zugesichert worden, auch von diversen Presseagenturen und Anwälten. Derzeit gibt es nichts neues – wir bleiben natürlich dran.

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